23.11.2024
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Dokument-Nr. 17185

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Urteil23.10.2013BundesgerichtshofIV ZR 98/12
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • MDR 2014, 159Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2014, Seite: 159
  • NJW 2014, 69Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2014, Seite: 69
  • r+s 2014, 91Zeitschrift: recht und schaden (r+s), Jahrgang: 2014, Seite: 91
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ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil23.10.2013

Unfall­ver­si­cherung: Anspruch auf Versicherungs­leistung bei Tod eines Menschen nach allergischer Reaktion auf nusshaltige SchokoladeKürzung der Versicherungs­leistung wegen Vorliegen eines Gebrechens

Stirbt ein Mensch nach dem Genuss von nusshaltiger Schokolade aufgrund einer allergischen Reaktion, so besteht ein Anspruch der Hinterbliebenen auf Leistung aus der Unfall­ver­si­cherung. Die Versicherung kann jedoch wegen Vorliegen eines Gebrechens ihre Leistung kürzen. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundes­ge­richtshofs hervor.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Am 24. Dezember 2009 starb ein 15-jähriges Kind nach dem Genuss von nusshaltiger Schokolade aufgrund eines allergischen Schocks. Das Kind litt an einer Entwick­lungs­störung und an diversen Allergien, wobei die Allergie gegen Nüsse am stärksten ausgeprägt war. Die Mutter des verstorbenen Kindes verlangte aufgrund des Todes von der Unfallversicherung Zahlung einer Versi­che­rungssumme von 27.000 €. Die Versicherung weigerte sich jedoch zu zahlen, da ihrer Meinung nach kein Unfall im Sinne der Versi­che­rungs­be­din­gungen vorgelegen habe. Die Mutter erhob daher Klage.

Landgericht wies Klage ab, Oberlan­des­gericht gab ihr statt

Während das Landgericht Memmingen die Klage abwies, gab das Oberlan­des­gericht München ihr statt. Es wertete den Tod des Kindes nach dem versehentlichen Verzehr von Nahrungsmitteln mit Allergenen als ein Unfall im Sinne der Versi­che­rungs­be­din­gungen. Denn das Auftreffen nusshaltiger Schokolade auf die Mundschleimhaut des Mädchens haben eine Einwirkung von außen und damit ein Unfall im Sinne von § 178 Abs. 2 VVG dargestellt. Die weitere Wirkung im Körperinneren sei für den Unfallbegriff unerheblich gewesen. Zudem habe sich nicht die Leistungs­pflicht vermindert wegen der Mitwirkung bereits vorhandener Krankheiten und Gebrechen bei den Unfallfolgen. Denn weder habe eine Krankheit noch ein Gebrechen vorgelegen. Die lediglich erhöhte Empfänglichkeit für Krankheiten infolge individueller körperlicher Eigenschaften sei unbeachtlich gewesen. Gegen diese Entscheidung legte die Versicherung Revision ein.

Vorliegen eines Unfalls im Sinne der Versi­che­rungs­be­dingung

Der Bundes­ge­richtshof bestätigte weitgehend das Urteil des Oberlan­des­ge­richts. Es sei richtig gewesen, dass das zum Tode des mitversicherten Kindes führende Geschehen als ein Unfall im Sinne der Versi­che­rungs­be­dingung anzusehen sei. Denn sowohl § 178 Abs. 2 Satz 1 VVG als auch die Versi­che­rungs­be­din­gungen definieren einen Unfall als eine unfreiwillige Gesund­heits­be­schä­digung aufgrund eines plötzlich von außen auf den Körper der versicherten Person wirkendes Ereignis. Dies sei hier der Fall gewesen.

Unerheblichkeit der körperinternen Vorgänge

Es sei zudem falsch, so der Bundes­ge­richtshof weiter, als das maßgebliche unmittelbare Unfallereignis, die durch den Kontakt des Allergens mit der Mundschleimhaut ausgelöste Kette körperinterner Vorgänge im Immunsystem, anzusehen. Denn die Definition des Unfallbegriffs setzte kein Unmit­tel­ba­r­keits­er­for­dernis dergestalt voraus, dass bei einem zum Tode oder sonstigen Schäden führendes Geschehen lediglich auf die zuletzt innerhalb des Körpers des Unfallopfers unmittelbar wirkende Ursache abzustellen sei. Vielmehr sei allein auf das Ereignis abzustellen, welches von außen auf den Körper einwirkt und damit eine Kausalkette körperinterner Vorgänge in Lauf setzt, die zur Schädigung der versicherten Person führt.

Kürzung der Versi­che­rungs­leistung wegen Vorliegens eines Gebrechens

Der Bundes­ge­richtshof folgte jedoch nicht der Ansicht des Oberlan­des­ge­richts, wonach die Versicherungsleistung nicht zu kürzen gewesen sei. Nach der entsprechenden Klausel in den Versi­che­rungs­be­din­gungen mindere sich die Versi­che­rungs­leistung entsprechend dem Mitwir­kungs­anteil von Krankheiten und Gebrechen, die an der durch ein Unfallereignis verursachten Gesund­heits­be­schä­digung und ihre Folgen mitgewirkt haben. Nach Auffassung der Bundesrichter habe hier ein Gebrechen vorgelegen. Dies habe zur Kürzung der Versi­che­rungs­leistung geführt.

Gebrechen ist dauernder abnormer Gesund­heits­zustand

Ein Gebrechen sei ein dauernder abnormer Gesund­heits­zustand, so der Bundes­ge­richtshof, der eine einwandfreie Ausübung normaler Körper­funk­tionen nicht mehr zulässt und außerhalb der medizinischen Norm liegt. Dies habe hier vorgelegen. Das Kind litt an einer Veränderung des Immunsystems, in deren Folge bereits geringste Mengen von Nahrungsmitteln zu einem tödlichen anaphy­lak­tischen Schock führen konnten. Sowohl die Schwere der drohenden Symptome als auch die besonders leichte Auslösbarkeit allergischer Reaktionen haben belegt, dass die Allergie des versicherten Kindes ungewöhnlich gefährlich und deshalb außerhalb der medizinischen Norm liegend anzusehen war.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (vt/rb)

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