Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Am 24. Dezember 2009 starb ein 15-jähriges Kind nach dem Genuss von nusshaltiger Schokolade aufgrund eines allergischen Schocks. Das Kind litt an einer Entwicklungsstörung und an diversen Allergien, wobei die Allergie gegen Nüsse am stärksten ausgeprägt war. Die Mutter des verstorbenen Kindes verlangte aufgrund des Todes von der Unfallversicherung Zahlung einer Versicherungssumme von 27.000 €. Die Versicherung weigerte sich jedoch zu zahlen, da ihrer Meinung nach kein Unfall im Sinne der Versicherungsbedingungen vorgelegen habe. Die Mutter erhob daher Klage.
Während das Landgericht Memmingen die Klage abwies, gab das Oberlandesgericht München ihr statt. Es wertete den Tod des Kindes nach dem versehentlichen Verzehr von Nahrungsmitteln mit Allergenen als ein Unfall im Sinne der Versicherungsbedingungen. Denn das Auftreffen nusshaltiger Schokolade auf die Mundschleimhaut des Mädchens haben eine Einwirkung von außen und damit ein Unfall im Sinne von § 178 Abs. 2 VVG dargestellt. Die weitere Wirkung im Körperinneren sei für den Unfallbegriff unerheblich gewesen. Zudem habe sich nicht die Leistungspflicht vermindert wegen der Mitwirkung bereits vorhandener Krankheiten und Gebrechen bei den Unfallfolgen. Denn weder habe eine Krankheit noch ein Gebrechen vorgelegen. Die lediglich erhöhte Empfänglichkeit für Krankheiten infolge individueller körperlicher Eigenschaften sei unbeachtlich gewesen. Gegen diese Entscheidung legte die Versicherung Revision ein.
Der Bundesgerichtshof bestätigte weitgehend das Urteil des Oberlandesgerichts. Es sei richtig gewesen, dass das zum Tode des mitversicherten Kindes führende Geschehen als ein Unfall im Sinne der Versicherungsbedingung anzusehen sei. Denn sowohl § 178 Abs. 2 Satz 1 VVG als auch die Versicherungsbedingungen definieren einen Unfall als eine unfreiwillige Gesundheitsbeschädigung aufgrund eines plötzlich von außen auf den Körper der versicherten Person wirkendes Ereignis. Dies sei hier der Fall gewesen.
Es sei zudem falsch, so der Bundesgerichtshof weiter, als das maßgebliche unmittelbare Unfallereignis, die durch den Kontakt des Allergens mit der Mundschleimhaut ausgelöste Kette körperinterner Vorgänge im Immunsystem, anzusehen. Denn die Definition des Unfallbegriffs setzte kein Unmittelbarkeitserfordernis dergestalt voraus, dass bei einem zum Tode oder sonstigen Schäden führendes Geschehen lediglich auf die zuletzt innerhalb des Körpers des Unfallopfers unmittelbar wirkende Ursache abzustellen sei. Vielmehr sei allein auf das Ereignis abzustellen, welches von außen auf den Körper einwirkt und damit eine Kausalkette körperinterner Vorgänge in Lauf setzt, die zur Schädigung der versicherten Person führt.
Der Bundesgerichtshof folgte jedoch nicht der Ansicht des Oberlandesgerichts, wonach die Versicherungsleistung nicht zu kürzen gewesen sei. Nach der entsprechenden Klausel in den Versicherungsbedingungen mindere sich die Versicherungsleistung entsprechend dem Mitwirkungsanteil von Krankheiten und Gebrechen, die an der durch ein Unfallereignis verursachten Gesundheitsbeschädigung und ihre Folgen mitgewirkt haben. Nach Auffassung der Bundesrichter habe hier ein Gebrechen vorgelegen. Dies habe zur Kürzung der Versicherungsleistung geführt.
Ein Gebrechen sei ein dauernder abnormer Gesundheitszustand, so der Bundesgerichtshof, der eine einwandfreie Ausübung normaler Körperfunktionen nicht mehr zulässt und außerhalb der medizinischen Norm liegt. Dies habe hier vorgelegen. Das Kind litt an einer Veränderung des Immunsystems, in deren Folge bereits geringste Mengen von Nahrungsmitteln zu einem tödlichen anaphylaktischen Schock führen konnten. Sowohl die Schwere der drohenden Symptome als auch die besonders leichte Auslösbarkeit allergischer Reaktionen haben belegt, dass die Allergie des versicherten Kindes ungewöhnlich gefährlich und deshalb außerhalb der medizinischen Norm liegend anzusehen war.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 15.11.2013
Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (vt/rb)