21.11.2024
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Sie sehen eine Geldbörse mit einer Gesundheitskarte von einer deutschen Krankenversicherung.

Dokument-Nr. 31903

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Urteil22.06.2022BundesgerichtshofIV ZR 253/20
Vorinstanzen:
  • Landgericht Köln, Urteil18.09.2019, 23 O 392/18
  • Oberlandesgericht Köln, Urteil22.09.2020, 9 U 237/19
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil22.06.2022

Prämie­n­an­passung in der privaten Kranken­ver­si­cherung wirksamWirksame Prämien­anpassungs­klausel in Verbindung mit Tarif­be­din­gungen des Versicherers

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass eine wirksame Grundlage für Prämie­n­an­pas­sungen in der privaten Kranken­ver­si­cherung in § 8 b Abs. 1 MB/KK 2009 (Muster­be­din­gungen 2009 des Verbandes der privaten Kranken­ver­si­cherung; i.F.: MB/KK) in Verbindung mit den Tarif­be­din­gungen des Versicherers enthalten ist. Dies betrifft Beitrags­er­hö­hungen, bei denen der Vergleich der erforderlichen mit den kalkulierten Versicherungs­leistungen eine Abweichung über dem tariflich festgelegten Prozentsatz von 5 % ergeben hat, der gesetzliche Schwellenwert von 10 % aber nicht überschritten wird.

Der Kläger wendet sich gegen mehrere Beitrags­er­hö­hungen seines privaten Kranken­ver­si­cherers, die er für unwirksam hält, und klagt daher unter anderem auf Rückzahlung der auf die Beitrags­er­hö­hungen gezahlten Prämienanteile.

Berufungs­gericht verurteilte Beklagte zur teilweisen Rückzahlung der Prämienanteile

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungs­gericht hat dies zum Teil abgeändert und die Beklagte unter anderem zur teilweisen Rückzahlung der Prämienanteile verurteilt. Dabei hat es angenommen, dass mehrere Prämi­e­n­er­hö­hungen wegen einer unzureichenden Begründung in den Mittei­lungs­schreiben zunächst nicht wirksam geworden seien. Weitere Prämie­n­an­pas­sungen hat es dagegen für endgültig unwirksam gehalten, da die Beitrags­an­pas­sungs­klausel in § 8 b Abs. 1 und 2 MB/KK unwirksam sei. Soweit die Klage Erfolg hatte, richtet sich dagegen die Revision der Beklagten.

BGH: Prämie­n­an­pas­sungs­klausel wirksam

Der Bundes­ge­richtshof hat hinsichtlich der Prämie­n­an­pas­sungen, die das Berufungs­gericht für materiell unwirksam gehalten hat, das Berufungsurteil nicht bestätigt. Für diese Erhöhungen besteht eine wirksame Prämienanpassungsklausel in § 8 b Abs. 1 MB/KK in Verbindung mit den Tarif­be­din­gungen des Versicherers. Zwar ist § 8 b Abs. 2 MB/KK unwirksam. Diese Regelung weicht entgegen § 208 Satz 1 VVG zum Nachteil des Versi­che­rungs­nehmers von § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG ab. Während nach der gesetzlichen Vorschrift eine Prämienanpassung zwingend voraussetzt, dass die Veränderung einer für die Prämi­en­ka­l­ku­lation maßgeblichen Rechnungs­grundlage nicht nur als vorübergehend anzusehen ist, sieht § 8 b Abs. 2 MB/KK vor, dass der Versicherer bei einer nur als vorübergehend anzusehenden Veränderung von der Prämie­n­an­passung absehen "kann", d.h. auch in diesem Fall ist sie nicht ausgeschlossen.

Keine Abweichung zum Nachteil des Versi­che­rungs­nehmers

Die Unwirksamkeit von § 8 b Abs. 2 MB/KK hat aber nicht zur Folge, dass auch § 8 b Abs. 1 MB/KK unwirksam und die darauf bezugnehmende Regelung in den Tarif­be­din­gungen des Versicherers nicht mehr anwendbar wäre. § 8 b Abs. 1 MB/KK weicht nicht zum Nachteil des Versi­che­rungs­nehmers von den gesetzlichen Vorschriften über die Prämie­n­an­passung ab. Die Klausel enthält dieselben Voraussetzungen wie § 203 Abs. 2 VVG und erlaubt eine Prämie­n­an­passung insbesondere nur bei einer Veränderung der Rechnungs­grundlagen, die nicht nur als vorübergehend anzusehen ist. Mit der Regelung des § 8 b Abs. 1 MB/KK in Verbindung mit den Tarif­be­din­gungen macht der Versicherer allein von der ihm in § 155 Abs. 3 Satz 2 VAG eröffneten Möglichkeit Gebrauch, den Schwellenwert für die Prüfung einer Beitrags­an­passung von 10 % auf 5 % abzusenken. Der Bestand der Regelung in § 8 b Abs. 1 MB/KK wird auch durch die Streichung von § 8 b Abs. 2 MB/KK nicht beeinträchtigt, da der Sinn der verbleibenden Regelung weiterhin aus sich heraus verständlich ist.

Revision zum Teil erfolgreich

Die Revision hatte zum Teil Erfolg und führte zu einer teilweisen Aufhebung des Berufungs­urteils. Hinsichtlich mehrerer Neben­for­de­rungen ist das klageabweisende Urteil des Landgerichts wieder­her­ge­stellt worden. Soweit das Berufungs­gericht zu Unrecht von einer materiellen Unwirksamkeit der Prämie­n­an­pas­sungen ausgegangen ist und deren formelle Wirksamkeit noch nicht geprüft hat, hat der Bundes­ge­richtshof die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungs­gericht zurückverwiesen, damit es diese Prüfung nachholen kann.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (pm/ab)

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