21.11.2024
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Dokument-Nr. 31341

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Bundesgerichtshof Urteil26.01.2022

BGH: Betriebs­schließungs­versicherung muss im Corona-Lockdown nicht zahlenVersicherungen mussten nicht für Geschäfts­schließungen wegen Corona zahlen

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass einem Versi­che­rungs­nehmer auf der Grundlage der hier vereinbarten Versicherungs­bedingungen keine Ansprüche aus einer Betriebs­schließungs­versicherung wegen einer im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie erfolgten Schließung der von ihm betriebenen Gaststätte in Schleswig-Holstein zustehen.

Der Kläger hält bei dem beklagten Versicherer eine sogenannte Betriebsschließungsversicherung. Er begehrt die Feststellung, dass der beklagte Versicherer verpflichtet ist, ihm aufgrund der Schließung seines Restaurants eine Entschädigung aus dieser Versicherung zu zahlen. Dem Versi­che­rungs­vertrag liegen die "Zusatz­be­din­gungen für die Versicherung von Betrieben gegen Schäden aufgrund behördlicher Anordnung nach dem Infek­ti­o­ns­schutz­gesetz (Betrie­bs­schließung) - 2008 (ZBSV 08)" zugrunde. Nach § 3 Nr. 1 Buchst. a ZBSV 08 ersetzt der Versicherer dem Versi­che­rungs­nehmer im Falle einer bedin­gungs­gemäßen Betriebsschließung den Ertrags­aus­fa­ll­s­chaden bis zu einer Haftzeit von 30 Tagen. Die ZBSV 08 lauten auszugsweise: c"§ 2 Versicherte Gefahren Versi­che­rungs­umfang: Der Versicherer leistet Entschädigung, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infek­ti­o­ns­krank­heiten beim Menschen (Infek­ti­o­ns­schutz­gesetz - IfSG) beim Auftreten melde­pflichtiger Krankheiten oder Krank­heits­erreger (siehe Nr. 2) den versicherten Betrieb oder eine versicherte Betriebsstätte zur Verhinderung der Verbreitung von melde­pflichtigen Krankheiten oder Krank­heits­er­regern beim Menschen schließt; Tätig­keits­verbote gegen sämtliche Betrie­b­s­an­ge­hörige eines Betriebes oder einer Betriebsstätte werden einer Betrie­bs­schließung gleichgestellt; Meldepflichtige Krankheiten und Krank­heits­erreger Meldepflichtige Krankheiten und Krank­heits­erreger im Sinne dieser Zusatz­be­din­gungen sind die folgenden, im Infek­ti­o­ns­schutz­gesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krank­heits­erreger: Krankheiten: Krank­heits­erreger: In § 2 Nr. 2 Buchst. a und b ZBSV 08 werden weder die Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) noch das Severe-Acute-Respiratory-Syndrome-Coronavirus (SARS-CoV) oder das Severe-Acute-Respiratory-Syndrome-Coronavirus-2 (SARS-CoV-2) aufgeführt. Die Schleswig-Holsteinische Landesregierung ordnete mit der am 18. März 2020 in Kraft getretenen Landes­ver­ordnung über Maßnahmen zur Bekämpfung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 in Schleswig-Holstein (SARS-CoV-2-Bekämp­fungs­ver­ordnung - SARS-CoV-2-BekämpfV) vom 17. März 2020 unter anderem die Schließung von sämtlichen Gaststätten an, wobei Leistungen im Rahmen eines Außer­haus­verkaufs unter bestimmten Voraussetzungen zulässig waren. Der Kläger schloss daraufhin seine Gaststätte und bot einen Lieferdienst an. Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers.

BGH: Betrie­bs­schließung zur Verhinderung der Verbreitung der COVID-19-Pandemie nicht vom Versi­che­rungs­schutz umfasst

Der Bundes­ge­richtshof hat die Revision zurückgewiesen. Entgegen der Auffassung des Berufungs­ge­richts setzt der Eintritt des Versi­che­rungsfalls zwar nicht die Verwirklichung einer aus dem Betrieb selbst erwachsenden, sogenannten intrinsischen, Infek­ti­o­ns­gefahr voraus. Zu Recht hat das Berufungs­gericht aber angenommen, dass dem Kläger gegen die Beklagte keine Ansprüche zustehen, weil eine Betrie­bs­schließung zur Verhinderung der Verbreitung der Krankheit COVID-19 oder des Krank­heits­er­regers SARS-CoV-2 nicht vom Versi­che­rungs­schutz umfasst ist. Nach § 2 Nr. 1 Buchst. a Halbsatz 1 ZBSV 08 besteht Versi­che­rungs­schutz nur für Betrie­bs­schlie­ßungen, die zur Verhinderung der Verbreitung von melde­pflichtigen Krankheiten oder Krank­heits­er­regern angeordnet werden.

Abschließender Katalog

Die melde­pflichtigen Krankheiten oder Krank­heits­erreger ergeben sich aus dem Katalog in § 2 Nr. 2 ZBSV 08, der nach dem für die Auslegung von Allgemeinen Versi­che­rungs­be­din­gungen maßgeblichen Verständnis des durch­schnitt­lichen Versi­che­rungs­nehmers abschließend ist und weder die Krankheit COVID-19 noch den Krank­heits­erreger SARS-CoV-2 aufführt. Der durch­schnittliche Versi­che­rungs­nehmer wird sich zunächst am Wortlaut orientieren und in § 2 Nr. 1 ZBSV 08 dem Klammerzusatz "(siehe Nr. 2)" hinter den Worten "melde­pflichtiger Krankheiten oder Krank­heits­erreger" entnehmen, dass die vom Versi­che­rungs­schutz umfassten melde­pflichtigen Krankheiten und Krank­heits­erreger in § 2 Nr. 2 ZBSV 08 näher bestimmt werden. Sodann wird er diese Klausel in den Blick nehmen und an der Überschrift "2. Meldepflichtige Krankheiten oder Krank­heits­erreger" und der anschließenden Formulierung "Meldepflichtige Krankheiten und Krank­heits­erreger im Sinne dieser Zusatz­be­din­gungen sind …" erkennen, dass insoweit eine eigenständige Definition in den Bedingungen erfolgt. Die anschließende umfangreiche Aufzählung von Krankheiten und Krank­heits­er­regern wird er als abschließend erachten.

Sachgerechte Prämi­en­ka­l­ku­lation nötig

Die ergänzende Bezugnahme in § 2 Nr. 2 ZBSV 08 auf die "im Infek­ti­o­ns­schutz­gesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten" Krankheiten und Krank­heits­erreger wird der durch­schnittliche Versi­che­rungs­nehmer lediglich als Klarstellung verstehen, dass sich die Beklagte bei der Abfassung des Katalogs inhaltlich an §§ 6 und 7 IfSG orientiert hat. Ein anderes Verständnis folgt auch nicht aus dem Begriff "namentlich". Der erkennbare Zweck und Sinnzu­sam­menhang der Klausel spricht ebenfalls für die Abgeschlos­senheit des Katalogs. Der durch­schnittliche Versi­che­rungs­nehmer wird zwar einerseits ein Interesse an einem möglichst umfassenden Versi­che­rungs­schutz haben, andererseits aber nicht davon ausgehen können, dass der Versicherer auch für nicht im Katalog aufgeführte Krankheiten und Krank­heits­erreger die Deckung übernehmen will, die - wie hier COVID-19/SARS-CoV-2 gerade zeigt - u.U. erst Jahre nach Vertragsschluss auftreten und bei denen für den Versicherer wegen der Unklarheit des Haftungsrisikos keine sachgerechte Prämi­en­ka­l­ku­lation möglich ist.

Weder Verstoß gegen das Trans­pa­renzgebot noch unangemessene Benachteiligung

Die Klausel hält auch der Inhalts­kon­trolle gemäß § 307 Abs. 1 und 2 BGB stand. § 2 Nr. 2 ZBSV 08 verstößt insbesondere nicht gegen das Trans­pa­renzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Der durch­schnittliche Versi­che­rungs­nehmer entnimmt - wie dargestellt - dem klaren Wortlaut der Bedingungen, dass in § 2 Nr. 2 ZBSV 08 die melde­pflichtigen Krankheiten und Krank­heits­erreger abschließend definiert werden. Ihm wird durch die Bedingungen nicht der Eindruck vermittelt, dass jede Betrie­bs­schließung auf der Grundlage des Infek­ti­o­ns­schutz­ge­setzes vom Versi­che­rungs­schutz erfasst sei. Offenbleiben konnte, ob die hier in § 2 Nr. 2 ZBSV 08 genannten Krankheiten und Krank­heits­erreger identisch mit den im Zeitpunkt des Vertrags­schlusses in den §§ 6 und 7 IfSG genannten Krankheiten und Krank­heits­er­regern sind. Auch im Falle fehlender Deckungs­gleichheit ergibt sich hieraus keine Intransparenz. Schließlich benachteiligt die Klausel den Versi­che­rungs­nehmer auch nicht nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB unangemessen.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (pm/ab)

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