21.11.2024
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Sie sehen eine abgedunkelte Fassade von mehreren Hochhäusern, auf der ein Schutzschild leuchtet.

Dokument-Nr. 34049

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Urteil05.06.2024BundesgerichtshofIV ZR 140/23
Vorinstanzen:
  • Landgericht Dortmund, Urteil04.01.2023, 7 O 20/22
  • Oberlandesgericht Hamm, Urteil12.06.2023, 6 U 22/23
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Bundesgerichtshof Urteil05.06.2024

BGH stärkt Diesel-Kläger mit Rechts­schutz­versicherungRechtsschutz­versicherer muss Kosten für Dieselklage tragen

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass für die Beurteilung der hinreichenden Erfolgsaussicht des Deckungs­schutz­anspruchs eines Versicherungs­nehmers in der Rechts­schutz­versicherung der Zeitpunkt des Schlusses der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungs­gericht maßgeblich ist, wenn im Deckungs­schutz­verfahren nach dem Zeitpunkt der Bewil­li­gungsreife eine Klärung durch die höchst­rich­terliche Rechtsprechung (hier durch den Gerichtshof der Europäischen Union in den sog. Dieselverfahren) zu seinen Gunsten erfolgt.

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Feststellung der Verpflichtung zur Gewährung von Deckungsschutz für die außer­ge­richtliche und erstin­sta­nzliche Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen gegen eine Herstellerin wegen behaupteter Verwendung unzulässiger Abschalt­ein­rich­tungen für die Abgasreinigung bei einem von ihm erworbenen Fahrzeug in Anspruch. Er unterhält bei der Beklagten eine Rechtsschutzversicherung, die Schaden­s­er­satz­ansprüche umfasst. Der Kläger erwarb im August 2020 ein gebrauchtes Wohnmobil zu einem Kaufpreis von 39.790 €. Er beabsichtigt mit einer Klage gegen die Herstellerin, Schaden­s­er­satz­ansprüche gerichtet auf Rückabwicklung des Kaufvertrages geltend zu machen. Er wirft ihr vor, die Verant­wort­lichen hätten das von ihm erworbene Fahrzeug mit unzulässigen Abschalt­ein­rich­tungen, insbesondere einem Thermofenster, ausgestattet und ihn dadurch vorsätzlich und sittenwidrig geschädigt. Die Beklagte hat die erbetene Kostenzusage Mitte Februar 2021 abgelehnt, weil weder ein Rechtsverstoß vorliege noch Erfolgs­aus­sichten in der Sache bestünden. Das LG hat die Deckungs­schutzklage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das OLG - im schriftlichen Verfahren mit Schrift­satzfrist bis zum 15. Mai 2023 - das erstin­sta­nzliche Urteil abgeändert und unter anderem festgestellt, dass die Beklagte aus dem Versi­che­rungs­vertrag verpflichtet ist, die Kosten der erstin­sta­nz­lichen Geltendmachung von deliktischen Schaden­s­er­satz­ansprüchen des Klägers gegen die Herstellerin zu tragen. Dagegen richtet sich die vom Berufungs­gericht zugelassene Revision der Beklagten, mit der sie ihr Begehren auf vollständige Klageabweisung weiterverfolgt.

EuGH-Urteil muss in Prüfung Erfolgs­aus­sichten beachtet werden

Der BGH hat die Revision des Versicherers zurückgewiesen. Erfolgt nach dem Zeitpunkt der sogenannten Bewil­li­gungsreife eine Klärung der Rechtslage durch die höchst­rich­terliche Rechtsprechung (hier EuGH) zugunsten des Versi­che­rungs­nehmers, sind für die Beurteilung des Deckungs­schutz­an­spruchs die Erfolgs­aus­sichten der beabsichtigten Klage im Zeitpunkt des Schlusses der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungs­gericht maßgeblich. Für die Frage, ob die beabsichtigte Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Versi­che­rungs­nehmers hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, ist zwar grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Bewil­li­gungsreife des Deckungsgesuchs, d.h. auf den Zeitpunkt, in dem der Rechts­schutz­ver­si­cherer seine Entscheidung trifft (hier Dezember 2021), abzustellen. Treten aber - wie hier - zwischen der ablehnenden Entscheidung des Deckungs­schutz­antrags und der gerichtlichen Entscheidung über eine Deckungsklage Änderungen in der Beurteilung der Erfolgs­aus­sichten ein, die sich zugunsten des Rechts­schutz­su­chenden auswirken und die nach dem einschlägigen Fachrecht zu berücksichtigen sind, sind diese bei der Prüfung der Erfolgs­aus­sichten zu beachten. Das Berufungs­gericht hat im Streitfall daher zu Recht bei der Prüfung der Erfolgs­aus­sichten die nach dem Zeitpunkt der Deckungs­ab­lehnung ergangene, dem klagenden Versi­che­rungs­nehmer günstige Entscheidung des EuGH, berücksichtigt, wonach Art. 18 Abs. 1, Art. 26 Abs. 1 und Art. 46 der Richtlinie 2007/46/EG (Rahmen­richtlinie) i.V.m. Art. 5 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 715/2007 die Einzel­in­teressen des individuellen Käufers eines Kraftfahrzeugs schützen können.

Weitere Entwicklung der Rechtsprechung nicht abzusehen

Das Berufungs­gericht hat auch rechts­feh­lerfrei entschieden, dass die vom Kläger beabsichtigte gerichtliche Geltendmachung von Schaden­s­er­satz­ansprüchen Aussicht auf Erfolg hat. Zum Zeitpunkt des Ablaufs der im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 Satz 2 ZPO bis zum 15. Mai 2023 festgesetzten Schrift­satzfrist, die dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht, ist das Berufungs­gericht unter Berück­sich­tigung der genannten Entscheidung des EuGH vom 21. März 2023 sowie der Anforderungen an die hinreichenden Erfolgs­aus­sichten der beabsichtigen Klage nach der Behauptung des Klägers zum Vorliegen einer unzulässigen Abschalt­ein­richtung aufgrund des behaupteten Thermofensters ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass die Annahme eines fälligen Schaden­s­er­satz­an­spruchs aus §§ 823 Abs. 2, 31 BGB i.V.m. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV, Art. 5 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 715/2007 und Art. 18 Abs. 1, Art. 26 Abs. 1 und Art. 46 der Richtlinie 2007/46/EG (Rahmen­richtlinie) jedenfalls nicht unvertretbar erschien. Zu diesem Zeitpunkt bedurften die Einzelheiten der Voraussetzungen und der Modalitäten eines solchen Schaden­s­er­satz­an­spruchs noch einer weiteren Klärung, die erst durch die Urteile des BGH vom 26. Juni 2023 erfolgte. Soweit sich aus den neueren Entscheidungen des BGH ergeben könnte, dass dem Kläger der geltend gemachte Schaden­s­er­satz­an­spruch nicht oder nur im geringeren Umfang zusteht, führt dies hier zu keinem anderen Ergebnis, weil das Berufungs­gericht zum Zeitpunkt des Erlasses seines Urteils die weitere Entwicklung der Rechtsprechung nicht absehen konnte.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (pm/ab)

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