21.11.2024
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Bundesgerichtshof Urteil20.09.2023

BGH bestätigt Start­gutschriften­regelung für rentenferne Versicherte in der VBLÜberg­angs­re­gelung für rentenferne Versicherte in der Zusatz­ver­sorgung des öffentlichen Dienstes wirksam

Der Bundes­ge­richtshof hat die Wirksamkeit der im März 2018 erneut geänderten Start­gutschriften­regelung für rentenferne Versicherte der Versor­gungs­anstalt des Bundes und der Länder (VBL) bestätigt.

Die VBL hat die Aufgabe, Angestellten und Arbeitern der an ihr beteiligten Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes im Wege privat­recht­licher Versicherung eine zusätzliche Alters-, Erwer­bs­min­derungs- und Hinter­blie­be­nen­ver­sorgung zu gewähren. Mit Neufassung ihrer Satzung (VBLS) vom 22. November 2002 stellte die VBL ihr Zusatz­ver­sor­gungs­system rückwirkend zum 31. Dezember 2001 (Umstel­lungs­stichtag) von einem an der Beamten­ver­sorgung orientierten Gesamt­ver­sor­gungs­system auf ein auf dem Punktemodell beruhendes, beitrags­ori­en­tiertes Betrie­bs­ren­ten­system um. Die VBL stufte damals die Versicherten, die am 1. Januar 2002 noch nicht 55 Jahre alt waren, als "rentenfern" ein und behandelte sie damit schlechter. Der BGH kippte die ursprüngliche Regelung und eine Nachbesserung. Mit Änderung­s­ta­rif­vertrag von Juni 2017 einigten sich die Tarif­ver­trags­parteien darauf, im Rahmen der Ermittlung der Startgutschrift den bisherigen Anteilssatz von 2,25 % durch einen variablen Anteilssatz zu ersetzen. Dieser beträgt, in Abhängigkeit von den Pflicht­ver­si­che­rungs­zeiten, die der jeweilige Versicherte bis zum Eintritt des 65. Lebensjahrs erreichen kann, zwischen 2,25 % und 2,5 %. Die VBL übernahm diese Neuregelung mit Wirkung zum März 2018 in § 79 Abs. 1 Satz 3 bis 8 ihrer Satzung. Die hiesige Klägerin ist rentenferne Versicherte bei der beklagten VBL und bezieht von dieser seit August 2014 eine Versor­gungsrente. Sie hält auch die nochmals geänderte Überg­angs­re­gelung für unwirksam und erstrebt eine nach dem vor der Syste­mum­stellung geltenden Satzungsrecht ermittelte Rente, hilfsweise eine abweichende Berechnung ihrer Startgutschrift unter Berück­sich­tigung verschiedener ihr günstiger Berech­nungs­grundlagen und äußerst hilfsweise die Feststellung der Unver­bind­lichkeit der ermittelten Startgutschrift. Ihre Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Berufungs­gericht hat die nunmehrige Überg­angs­re­gelung für wirksam gehalten und insbesondere einen Verstoß der Startgutschriftenregelung gegen Art. 3 Abs. 1 GG sowie eine Diskriminierung rentenferner Versicherter wegen ihres Lebensalters und ihres Geschlechts verneint.

Anwendung des Näherungs­ver­fahrens verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz

Der Bundes­ge­richtshof hat in einer Grund­sat­z­ent­scheidung die Revision der Klägerin gegen das Berufungsurteil zurückgewiesen. Das Berufungs­gericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass die für rentenferne Versicherte getroffene Überg­angs­re­gelung wirksam ist. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine anderweitige Berechnung ihrer Startgutschrift. Es begegnet keinen rechtlichen Bedenken, dass bei der Ermittlung der Startgutschrift für die Berechnung der Voll-Leistung die von der Höchst­ver­sorgung in Abzug zu bringende voraus­sichtliche gesetzliche Rente des Versicherten nicht indivi­du­a­lisiert, sondern nach dem bei der Berechnung von Pensi­ons­rück­stel­lungen allgemein zulässigen Verfahren (dem so genannten Näherungs­ver­fahren) zu ermitteln ist. Die Anwendung des Näherungs­ver­fahrens verstößt namentlich nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Zwar kann sich die Anwendung des Näherungs­ver­fahrens im Vergleich zu einer indivi­du­a­li­sierten Berechnung der fiktiven gesetzlichen Rente ungünstig auswirken. Die mit dieser Ungleichbehandlung im Einzelfall verbundenen Härten und Ungerech­tig­keiten sind aber hinzunehmen. Insbesondere bei der Ordnung von Masse­n­er­schei­nungen und der Regelung hochkom­pli­zierter Materien, wie der Zusatz­ver­sorgung im öffentlichen Dienst, können typisierende und genera­li­sierende Regelungen zulässig sein. Ohne Rechtsfehler ist das Berufungs­gericht davon ausgegangen, dass die ausschließliche Anwendung des Näherungs­ver­fahrens die verfas­sungs­mäßigen Grenzen einer zulässigen Typisierung und Standa­r­di­sierung einhält.

Anwendung des Näherungs­ver­fahrens bewirkt auch keine unzulässige Benachteiligung wegen des Geschlechts

Die Anwendung des Näherungs­ver­fahrens bewirkt ferner keine unzulässige Benachteiligung wegen des Geschlechts. Insbesondere liegt keine unzulässige Benachteiligung weiblicher rentenferner Versicherter vor. Die Feststellungen des Berufungs­ge­richts zeigen, dass sich die Anwendung des Näherungs­ver­fahrens nicht auf einen signifikant höheren Anteil der weiblichen Versicherten ungünstig auswirkt. Infolge von Lücken in der Erwer­bs­bio­grafie, etwa aufgrund von Kinder­be­treu­ungs­zeiten, benachteiligte weibliche (und männliche) Versicherte werden zudem dadurch begünstigt, dass bei der Berechnung der Gesamt­ver­sorgung zu ihren Gunsten ebenfalls eine lückenlose Erwer­bs­bio­grafie unterstellt wird.

Start­gut­schrif­te­n­er­mittlung als gleitender Anteilssatz nicht zu beanstanden

Aus Rechtsgründen ist ebenfalls nicht zu beanstanden, dass der Start­gut­schrif­te­n­er­mittlung nunmehr ein gleitender Anteilssatz von 2,25 % bis 2,5 % für jedes Jahr der Pflicht­ver­si­cherung zugrunde liegt. Durch die Einführung des gleitenden Anteilssatzes können bei einem angenommenen Renteneintritt mit 65 Lebensjahren nunmehr - anders als noch nach der Vorgän­ger­re­gelung - auch Versicherte mit einem Dienstein­tritt­salter zwischen 20 Jahren und sieben Monaten und 25 Jahren theoretisch eine Startgutschrift von 100 % der Voll-Leistung und damit die höchstmögliche Versorgung erreichen. Damit entfällt insbesondere die bisherige Benachteiligung von Versicherten mit längeren Ausbil­dungs­zeiten, die nach einem Studium oder einer Ausbildung außerhalb des öffentlichen Dienstes üblicherweise bis zum 25. Lebensjahr in den öffentlichen Dienst eintreten. Es verstößt weder gegen den allgemeinen Gleichheitssatz noch bewirkt es eine unzulässige Benachteiligung wegen des Alters, dass Versicherten mit einem Eintrittsalter von mehr als 25 Jahren infolge der Deckelung des Anteilssatzes auf 2,5 % weiterhin die höchstmögliche Versorgung auch theoretisch nicht erreichen können. In Anbetracht eines typischen Erwerbslebens von mindestens 40 Jahren ist es nicht zu beanstanden, dass Versicherte die höchstmögliche Versorgung lediglich unter der Voraussetzung einer erreichbaren Pflicht­ver­si­che­rungszeit von mindestens 40 Jahren erzielen können. Dies gilt auch, soweit diese Versicherten keine Erhöhung der Startgutschrift nach § 79 Abs. 1a VBLS erhalten. Wie das Berufungs­gericht zutreffend ausgeführt hat, wird die Regelung in § 79 Abs. 1a VBLS lediglich im Hinblick auf das schützenswerte Vertrauen derjenigen Versicherten aufrecht­er­halten, denen nach der bisherigen Vergleichs­be­rechnung noch ein Zuschlag zusteht.

Auch keine neue unzulässige Ungleich­be­handlung wegen des Alters

Der gleitende Anteilssatz bewirkt ferner keine neue unzulässige Ungleich­be­handlung wegen des Alters der vor Vollendung des 25. Lebensjahres in den öffentlichen Dienst eingetretenen Versicherten. Zwar fällt für diese Versicherten der gleitende Anteilssatz - begrenzt auf mindestens 2,25 % - desto kleiner aus, je jünger sie in den öffentlichen Dienst eingetreten sind. Das bewirkt jedoch unter Berück­sich­tigung des weiten Gestal­tungs­spielraums der Tarif­ver­trags­parteien keine unzulässige Diskriminierung wegen des Alters, sondern wahrt das der betrieblichen Alters­ver­sorgung im öffentlichen Dienst zugrun­de­liegende Prinzip, die Betriebstreue des Versicherten im öffentlichen Dienst zu honorieren. Die Überg­angs­re­gelung für rentenferne Versicherte ist schließlich auch unter dem Gesichtspunkt der Vertei­lungs­ge­rech­tigkeit nicht zu beanstanden. Eine einseitige Belastung bestimmter Versi­cher­ten­gruppen wie bei der früheren Überg­angs­re­gelung liegt nicht mehr vor.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (pm/ab)

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