21.11.2024
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Dokument-Nr. 11159

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Urteil17.02.2011BundesgerichtshofIII ZR 35/10
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • ITRB 2011, 150Zeitschrift: Der IT-Rechts-Berater (ITRB), Jahrgang: 2011, Seite: 150
  • MMR 2011, 520Zeitschrift: Multimedia und Recht (MMR), Jahrgang: 2011, Seite: 520
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Vorinstanzen:
  • Landgericht Köln, Urteil17.06.2009, 26 O 150/08
  • Oberlandesgericht Köln, Urteil22.01.2010, 6 U 119/09
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil17.02.2011

BGH: Mobil­funk­an­bieter darf Handy bei unbezahlter Rechnung in Höhe von 15,50 Euro nicht sperrenAllgemeine Geschäfts­be­dingung, die Kunden verpflichtet, Gebühren zu zahlen, die durch unbefugte Nutzung durch Dritte erfolgten, zulässig

Allgemeine Geschäfts­bedingungen von Mobilfunk­unternehmen dürfen Klauseln beinhalten, die den Kunden verpflichten, Gebühren zu zahlen, die durch unbefugte Nutzung durch Dritte erfolgten. Eine Klausel, die es dem Mobilfunk­unternehmen gestattet, den Mobil­funk­an­schluss zu sperren, wenn der Kunde mit seinen Zahlungs­verpflichtungen mit einer Höhe von 15,50 Euro in Verzug ist, ist dagegen unzulässig. Dies entschied der Bundes­ge­richtshof.

Im zugrunde liegenden Fall beanstandeten der Bundesverband der Verbrau­cher­zen­tralen und Verbrau­cher­verbände e. V. u. a. drei Klauseln der von der Beklagten - einem Telekom­mu­ni­ka­ti­o­ns­un­ter­nehmen - in Verträgen mit Verbrauchern über Mobil­funk­leis­tungen verwendeten Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen.

Zu den beanstandeten Klauseln gehören die folgenden im Revisi­ons­ver­fahren noch streit­ge­gen­ständ­lichen drei Klauseln:

"7. Nutzung durch Dritte

[…]

7.2 Der Kunde hat auch die Preise zu zahlen, die durch …. unbefugte Nutzung der überlassenen Leistungen durch Dritte entstanden sind, wenn und soweit er diese Nutzung zu vertreten hat.

Nach Verlust der congstar Karte hat der Kunde nur die Verbin­dungs­preise zu zahlen, die bis zum Eingang der Meldung über den Verlust der Karte bei congstar angefallen sind. Das gleiche gilt für Preise über Dienste, zu denen congstar den Zugang vermittelt.

[…]

11. Verzug

[…]

11.2 Ist der Kunde mit Zahlungs­ver­pflich­tungen in Höhe von mindestens 15,50 € in Verzug, kann congstar den Mobil­funk­an­schluss auf Kosten des Kunden sperren."

Verfahrensgang

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Unterlassung der Verwendung dieser Klauseln verurteilt. Das Berufungs­gericht hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Landgerichts abgeändert und die Klage hinsichtlich des Unter­las­sungs­be­gehrens bezüglich der Nr. 7.2 und 7.3 abgewiesen. Die weitergehende Berufung hat das Berufungs­gericht zurückgewiesen. Mit der vom Berufungs­gericht zugelassenen Revision haben der Kläger sein Unter­las­sungs­be­gehren bezüglich der Klauseln Nr. 7.2 und 7.3 und die Beklagte ihren Klage­ab­wei­sungs­antrag hinsichtlich der Klausel Nr. 11.2 weiter verfolgt. Beide Revisionen sind erfolglos geblieben.

Regelungen zur Nutzung durch Dritte stellen keine unangemessene Benachteiligung des Kunden dar

Die Revision des Klägers war nach Auffassung des Bundes­ge­richtshofs unbegründet, weil die Klauseln Nr. 7.2. und 7.3. der von der Beklagten verwendeten Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen einer Inhalts­kon­trolle standhalten. Er hat sie als Vergü­tungs­re­ge­lungen angesehen und hiervon ausgehend keine unangemessene Benachteiligung der Kunden der Beklagten festgestellt. Bei der Erbringung von Mobil­funk­dienst­leis­tungen handelt es sich um ein praktisch vollständig technisiertes, anonymes Massengeschäft. Die Beklagte nimmt von der konkreten Person des die Mobil­funk­dienst­leistung Abrufenden keine Kenntnis. Sie kann deshalb nicht beurteilen, ob das Abrufen der Mobil­funk­dienst­leistung mit Billigung des Kunden erfolgt. Sie muss sich darauf verlassen können, dass dieser beim Gebrauch seines Mobiltelefons die erforderlichen Vorkehrungen trifft, damit Unbefugte keinen Zugriff auf Mobil­funk­dienst­leis­tungen erhalten. Vom Mobilfunkkunden zu verlangen, nach seinen Möglichkeiten eine unbefugte Nutzung Dritter zu unterbinden, benachteiligt diesen nicht unangemessen. Eine andere Frage ist, wie die Sorgfalts­pflichten, die dem Kunden in seiner Risikosphäre obliegen, im Einzelnen beschaffen sind. Den besonderen Gefährdungen, etwa hinsichtlich des Verlusts der SIM-Karte, gegebenenfalls einschließlich des Mobiltelefons, die sich gerade aus dem Umstand ergeben, dass die Mobil­funk­dienst­leistung an jedem Ort und damit auch außerhalb der geschützten Sphäre der Wohnung des Anschluss­in­habers zur Verfügung steht, kann dadurch Rechnung getragen werden, dass die Anforderungen an die Sorgfalts­pflichten des Kunden nicht überspannt werden. Dies stellt jedoch die Wirksamkeit der hier fraglichen Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen unter dem Blickwinkel einer unangemessenen Benachteiligung der Kunden des Beklagten nicht in Frage.

Der Klausel Nr. 7.3. hat der Bundes­ge­richthof nur eine zeitliche Begrenzung der vom Kunden zu zahlenden Entgelte im Fall des Verlustes der SIM-Karte entnommen, was diesen deshalb nicht benachteiligt, sondern seine Zahlungs­pflichten begrenzt.

Verzugsklausel hält Inhalts­kon­trolle nicht stand

Die Revision des Beklagten hat der Bundes­ge­richtshof zurückgewiesen, weil die Klausel Nr. 11.2 einer Inhalts­kon­trolle nicht stand hält und sie nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam ist. Sie benachteiligt die jeweiligen Mobilfunkkunden der Beklagten entgegen Treu und Glauben unangemessen. Die Sperre des Mobil­funk­an­schlusses stellt der Sache nach die Ausübung eines Zurück­be­hal­tungs­rechts dar. Insbesondere von § 320 Abs. 2 BGB weicht die Klausel Nr. 11.2. zum Nachteil des Kunden ab. Ein Zurück­be­hal­tungsrecht hinsichtlich der noch zu erbringenden Mobil­funk­dienst­leis­tungen steht der Beklagten danach nicht zu, wenn nur ein verhältnismäßig geringfügiger Teil der Gegenleistung noch offen steht. Dies kann bei einem Verzug mit einem Betrag von 15,50 Euro, der nach der Klausel die Sperre rechtfertigt, nicht ausgeschlossen werden. Dabei hat das Gericht insbesondere in Betrachtung gezogen, dass der Gesetzgeber in § 45 k Abs. 2 Satz 1 TKG für die Telefon­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen im Festnetzbereich als Voraussetzung für eine Sperre den Betrag von 75 Euro festgelegt hat. Der Bundes­ge­richthof hat diese gesetz­ge­be­rische Wertung im Rahmen der Kontrolle der Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen auf Verträge über Mobil­funk­dienst­leis­tungen für übertragbar gehalten.

§ 45 k TKG Sperre

(1) Der Anbieter öffentlich zugänglicher Telefondienste darf an festen Standorten zu erbringende Leistungen an einen Teilnehmer unbeschadet anderer gesetzlicher Vorschriften nur nach Maßgabe der Absätze 2 bis 5 und nach § 45 o Satz 3 ganz oder teilweise verweigern (Sperre). § 108 Abs. 1 bleibt unberührt.

(2) Wegen Zahlungsverzugs darf der Anbieter eine Sperre durchführen, wenn der Teilnehmer nach Abzug etwaiger Anzahlungen mit Zahlungs­ver­pflich­tungen von mindestens 75 Euro in Verzug ist und der Anbieter die Sperre mindestens zwei Wochen zuvor schriftlich angedroht und dabei auf die Möglichkeit des Teilnehmers, Rechtsschutz vor den Gerichten zu suchen, hingewiesen hat. Bei der Berechnung der Höhe des Betrags nach Satz 1 bleiben diejenigen nicht titulierten Forderungen außer Betracht, die der Teilnehmer form- und fristgerecht und schlüssig begründet beanstandet hat. Dies gilt nicht, wenn der Anbieter den Teilnehmer zuvor zur vorläufigen Zahlung eines Durch­schnitts­betrags nach § 45 j aufgefordert und der Teilnehmer diesen nicht binnen zwei Wochen gezahlt hat.

[…]

§ 307 BGB Inhalts­kon­trolle

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder

2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen, durch die von Rechts­vor­schriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

§ 320 BGB Einrede des nicht erfüllten Vertrags

(1) Wer aus einem gegenseitigen Vertrag verpflichtet ist, kann die ihm obliegende Leistung bis zur Bewirkung der Gegenleistung verweigern, es sei denn, dass er vorzuleisten verpflichtet ist. Hat die Leistung an mehrere zu erfolgen, so kann dem einzelnen der ihm gebührende Teil bis zur Bewirkung der ganzen Gegenleistung verweigert werden. Die Vorschrift des § 273 Abs. 3 findet keine Anwendung.

(2) Ist von der einen Seite teilweise geleistet worden, so kann die Gegenleistung insoweit nicht verweigert werden, als die Verweigerung nach den Umständen, insbesondere wegen verhält­nis­mäßiger Geringfügigkeit des rückständigen Teiles, gegen Treu und Glauben verstoßen würde.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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