23.11.2024
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Bundesgerichtshof Urteil28.01.2021

Mietpreisbremse: BGH verneint Amtshaftung wegen unwirksamer Mieten­be­grenzungs­verordnungVerletzung einer dritt­ge­richteten Amtspflicht

Der Bundes­ge­richthof hat entschieden, dass Mietern keine Amtshaftungs­ansprüche zustehen, wenn eine Landesregierung eine Mieten­be­grenzungs­verordnung mit weitem räumlichem und persönlichem Geltungsbereich erlässt, die jedoch wegen Verstoßes gegen die Pflicht zur Begründung der Verordnung unwirksam ist.

Die Klägerin nimmt das Land Hessen aus abgetretenem Recht auf Schadensersatz wegen der Unwirksamkeit der von der Landesregierung 2015 erlassenen Mietenbegrenzungsverordnung (Hessische Verordnung vom 17. November 2015 zur Bestimmung der Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten im Sinne des § 556 d Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches) in Anspruch. Die ursprünglichen Rechtsinhaber mieteten im Jahr 2017 eine Wohnung in Frankfurt am Main an. Der betreffende Stadtteil war in der Mieten­be­gren­zungs­ver­ordnung als Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt im Sinne von § 556 d Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) festgelegt. Die Klägerin nahm aus abgetretenem Recht der Mieter deren Vermieterin in einem Vorprozess auf Rückzahlung überhöhter Miete in Anspruch, wobei sie sich auf die Mieten­be­gren­zungs­ver­ordnung stützte. Diese Verordnung ist indes wegen Verstoßes gegen die in § 556 d Abs. 2 Satz 5 bis 7 BGB bestimmte Begrün­dungs­ver­pflichtung unwirksam (BGH, Urteil vom 17. Juli 2019 - VIII ZR 130/18, BGHZ 223, 30). Deshalb wurde die Klage der Klägerin abgewiesen.

Klage in allen Instanzen erfolglos

Mit der vorliegenden Teilklage macht die Klägerin nunmehr gegen das beklagte Land als Schaden der Mieter geltend, dass diesen bei Wirksamkeit der Mieten­be­gren­zungs­ver­ordnung ein Rückzahlungsanspruch gegen die Vermieterin für die im August 2017 gezahlte Miete zugestanden hätte. Sie hält die Voraussetzungen eines Amtshaf­tungs­an­spruchs gemäß § 839 BGB für gegeben. Mit dem Erlass der fehlerhaften Verordnung habe das beklagte Land eine ihm gegenüber den Mietern obliegende Amtspflicht verletzt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg gehabt. Das Oberlan­des­gericht hat ausgeführt, es bestünden regelmäßig keine Amtshaf­tungs­ansprüche wegen Nachteilen, die durch die Gesetzgebung entstanden seien. § 556 d BGB und die darauf beruhenden Rechts­ver­ord­nungen verfolgten ein sozia­l­po­li­tisches Ziel. Sozial­staatliche Zielsetzungen verdichteten sich regelmäßig nicht zu staatlichen Handlungs­pflichten gegenüber Einzelnen oder Gruppen.

Gesetze in der Regel für die Allgemeinheit bestimmt

Nach Auffassung des BGH setzt § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB voraus, dass ein Amtsträger eine ihm gegenüber einem "Dritten" obliegende Amtspflicht verletzt hat. Ob der Geschädigte im Sinne dieser Vorschrift "Dritter" ist, richtet sich danach, ob die Amtspflicht - zumindest auch - den Zweck hat, gerade sein Interesse wahrzunehmen. Es muss mithin eine besondere Beziehung zwischen der verletzten Amtspflicht und dem geschädigten "Dritten" bestehen. Gesetze und Verordnungen enthalten hingegen durchweg generelle und abstrakte Regeln, und dementsprechend nimmt der Gesetzgeber in der Regel ausschließlich Aufgaben gegenüber der Allgemeinheit wahr, denen die Richtung auf bestimmte Personen oder Personenkreise fehlt.

Hessische Mieten­be­gren­zungs­ver­ordnung kein Maßnahme- oder Einzel­fa­ll­gesetz

Nur ausnahmsweise - etwa bei sogenannten Maßnahme- oder Einzel­fa­ll­ge­setzen - kann etwas Anderes in Betracht kommen und können Belange bestimmter Einzelner unmittelbar berührt werden, so dass sie als "Dritte" im Sinne des § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB angesehen werden können. Die hessische Mieten­be­gren­zungs­ver­ordnung ist kein Maßnahme- oder Einzel­fa­ll­gesetz in diesem Sinne. Sie betrifft angesichts ihres weiten räumlichen und persönlichen Geltungs­be­reichs nicht einzeln identi­fi­zierbare Mieter (und Vermieter), sondern einen unüberschaubar großen und nicht individuell begrenzten Personenkreis. Dementsprechend handelt es sich bei der Verordnung um eine ihrem Zweck nach allein auf die Wahrung des Interesses der Allgemeinheit und nicht bestimmter Einzelner oder eines bestimmten Personenkreises gerichtete Regelung.

Auch keine Amtshaf­tungs­ansprüche wegen eines Eingriffs in eine geschützte Grund­rechts­po­sition

Amtshaf­tungs­ansprüche der Mieter bestehen auch nicht wegen eines Eingriffs in eine geschützte Grund­rechts­po­sition. Ob überhaupt eine grundrechtlich geschützte Position der Mieter betroffen war, was das Berufungs­gericht verneint hat, kann offenbleiben. Nicht jede Grund­rechts­be­ein­träch­tigung durch staatliche Amtsträger führt zur Staatshaftung. Der Gesetzgeber kann Voraussetzungen und Umfang von Amtshaftungs- und Entschä­di­gungs­ansprüchen näher ausgestalten. Eine solche Ausgestaltung ist mit § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB erfolgt, wonach ein Amtshaf­tungs­an­spruch nur besteht, wenn ein Beamter die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht verletzt. Damit ist eine Haftung wegen der Verletzung von Amtspflichten, die dem Beamten nicht spezifisch dem Träger des betroffenen Grundrechts gegenüber obliegen, nicht vereinbar.

Keine Ausdehnung der Staatshaftung bei jeder Beein­träch­tigung subjektiver Rechte

Bei einem Verstoß der öffentlichen Hand gegen Art. 2 Abs. 1 GG, der die allgemeine Handlungs­freiheit umfassend schützt, würde ansonsten sehr häufig auch ein zum Schadensersatz verpflichtendes Verhalten im Sinne des § 839 BGB vorliegen. Wollte man in diesen Fällen stets wegen der Grund­rechts­be­ein­träch­tigung auch die Dritt­ge­rich­tetheit der verletzten Amtspflicht bejahen, so würde das einschränkende Tatbe­stand­s­er­for­dernis des "Dritten" weitgehend leerlaufen. Die erhebliche Ausdehnung der Staatshaftung für legislatives Unrecht, die mit der Annahme einer Dritt­be­zo­genheit bei jeder Beein­träch­tigung subjektiver Rechte von Grund­recht­s­trägern durch grund­rechts­widrige Gesetzgebung zwangsläufig verbunden wäre, kommt jedenfalls nicht im Wege der richterlichen Rechts­fort­bildung in Betracht.

Kein Amtshaf­tungs­an­spruch wegen enttäuschten Vertrauens auf Wirksamkeit einer Rechtsnorm

Ein Amtshaf­tungs­an­spruch besteht schließlich auch nicht wegen enttäuschten Vertrauens der Mieter in die Wirksamkeit der hessischen Mieten­be­gren­zungs­ver­ordnung. In der Rechtsprechung des Bundes­ge­richtshofs wird ein allgemeiner Anspruch auf angemessene Entschädigung für Aufwendungen, die im enttäuschten Vertrauen auf die Wirksamkeit einer Rechtsnorm gemacht worden sind, nicht anerkannt. Auch insoweit wäre die Dritt­be­zo­genheit der Amtspflicht erforderlich. Gesetze und Rechts­ver­ord­nungen enthalten aber - wie auch hier - zumeist generelle und abstrakte Regeln, durch die der Gesetz- und Verord­nungsgeber in der Regel ausschließlich Aufgaben gegenüber der Allgemeinheit wahrnimmt.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (pm/ab)

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