18.10.2024
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Bundesgerichtshof Urteil03.03.2008

UMTS-Lizenzen: BGH bestätigt Abweisung einer Aktionärsklage gegen die Bundesrepublik auf Schadensersatz an die Telekom

Der Bundes­ge­richtshof hatte in der Revisi­ons­instanz über die Teilklage eines Aktionärs der Deutschen Telekom AG (im Folgenden: Telekom) wegen ihres Erwerbs von UMTS-Lizenzen bei der in Deutschland im Jahr 2000 durchgeführten Versteigerung gegen die beklagte Bundesrepublik Deutschland als damals herrschendes Unternehmen auf Zahlung von Schadensersatz von 50.000,00 € an die Telekom zu befinden.

I. Die Telekom rechnete sich - wie die meisten führenden europäischen Telekom­mu­ni­ka­ti­o­ns­un­ter­nehmen - um die Jahrtau­sendwende von der UMTS-Technologie große Chancen zur Erschließung neuer Umsatz- und Gewinnquellen sowie zur Vergrößerung der Marktabdeckung aus und entschloss sich deshalb dazu, auf allen für sie wichtigen europäischen Märkten UMTS-Lizenzen zu erwerben. Dementsprechend ersteigerte sie u. a. bei der UMTS-Versteigerung in Großbritannien eine solche Lizenz für ca. 6,7 Mrd. €.

In Deutschland führte die Beklagte, die seinerzeit aufgrund einer - teils mittelbaren - Mehrheits­be­tei­ligung von insgesamt 59 % die Telekom beherrschte, im August 2000 eine Versteigerung von UMTS-Lizenzen durch; in deren Verlauf erwarb ein - damals als DeTeMobil Deutsche Telekom Mobilnet GmbH (nachfolgend: DeTeMobil) firmierendes - Tochter­un­ter­nehmen der Telekom zwei Lizenzpakete gegen Zahlung von insgesamt rund 8,5 Mrd. €. Neben der DeTeMobil ersteigerten fünf weitere, damals in Deutschland marktführende Telekom­mu­ni­ka­ti­o­ns­un­ter­nehmen (Vodafone, E-Plus, O2, Mobilcom und Quam) Lizenzen zu entsprechenden Preisen. Vom Versuch des Erwerbs eines dritten Lizenzpakets nahm die DeTeMobil im weiteren Verlauf des Bieter­wett­streits Abstand.

Der Kläger hat seine Schaden­s­er­satzklage im Wesentlichen darauf gestützt, dass die Beklagte als herrschendes Unternehmen die von ihr abhängige Telekom zur Teilnahme an einem für sie nachteiligen Bieter­wett­streit i. S. der §§ 311 Abs. 1, 317 AktG "veranlasst" habe, an dessen Ende die Telekom über ihre Tochter­ge­sell­schaft für den Erwerb der UMTS-Lizenzen unangemessen hohe Verstei­ge­rungs­entgelte zu entrichten gehabt habe.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungs­gericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Revision zugelassen.

II. Der Bundes­ge­richtshof hat - in Übereinstimmung mit den vorin­sta­nz­lichen Gerichten - eine Schaden­s­er­satz­pflicht der Beklagten gegenüber der von ihr beherrschten Telekom schon deshalb verneint, weil zu ihren Gunsten der Haftungs­aus­schluss nach § 317 Abs. 2 AktG eingreift. Danach ist die Ersatzpflicht der Bundesrepublik als herrschenden Unternehmens ausgeschlossen, weil ein ordentlicher und gewissenhafter Vorstand der Telekom auch im Falle ihrer Unabhängigkeit von der beklagten Bundesrepublik die Lizenzen zu denselben Konditionen erworben hätte und insofern ein etwaiger Nachteil in Gestalt eines überhöhten Erwerbspreises für die UMTS-Lizenzen keine Folge der Abhängigkeit gewesen wäre - was nach dem Gesetz die Voraussetzung für den geltend gemachten Schaden­s­er­satz­an­spruch wäre.

Bei der - auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Vornahme des Rechtsgeschäfts im Jahr 2000 bezogenen - Beurteilung der Frage der Einhaltung der Sorgfalts­pflicht gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG ist nach ständiger höchst­rich­ter­licher Rechtsprechung dem Leitungsorgan im Rahmen der Führung der Geschäfte grundsätzlich ein weiter Handlungs­spielraum zuzubilligen, ohne den eine unter­neh­me­rische Tätigkeit schlichtweg nicht denkbar ist. Die Einhaltung dieses pflichtgemäßen unter­neh­me­rischen Ermessens durch den Vorstand einer als unabhängig gedachten Telekom bei der Ersteigerung der beiden UMTS-Lizenzen hat das Berufungs­gericht rechts­feh­lerfrei festgestellt.

Danach entsprach im maßgeblichen Zeitpunkt der Durchführung der Versteigerung allein die erfolgreiche Teilnahme an der Versteigerung der wirtschaft­lichen Vernunft. Zwar waren die seitens der Telekom aufgewandten Kosten "exorbitant", jedoch versprach man sich damals allgemein von dem Lizenzerwerb "enorme wirtschaftliche Chancen". UMTS wurde seinerzeit als der "Kulmi­na­ti­o­nspunkt für die Wachs­tum­s­chancen der gesamten Branche" angesehen, was zu einer sehr hohen - von den finanzierenden Banken gestützten - Preis­be­reit­schaft bei allen Interessenten führte. Insbesondere war die Kapital­ma­rkt­be­wertung von Telekom und T-Mobile 1999/2000 nach allgemeiner Auffassung maßgeblich vom Erwerb der UMTS-Lizenzen abhängig. Deshalb sah das Unter­neh­mens­konzept der Telekom bereits vor der Versteigerung in Deutschland den möglichst europaweiten Einstieg in den UMTS-Markt vor; es war mit dem Erwerb entsprechender Lizenzen u.a. schon in Großbritannien zu ähnlich hohen Preisen umgesetzt worden. Die Telekom und die anderen Marktführer gingen zudem davon aus, dass zu viele Wettbewerber auf dem Telekom­mu­ni­ka­ti­o­nsmarkt vorhanden waren. Sie wollten daher den Markteintritt von neuen Telekom­mu­ni­ka­ti­o­ns­un­ter­nehmen ohne eigenes Mobilfunknetz verhindern, die nur mit Hilfe der UMTS-Technologie ein eigenes Netz hätten aufbauen können. Deshalb rechtfertigte aus damaliger Sicht auch die Verdrängung eines Mitbewerbers ein erhöhtes Angebot von vielen Milliarden DM.

Dass der von der Telekom letztlich gezahlte Preis dem damaligen "Marktpreis" entsprach - und nicht etwa ein von der Beklagten veranlasstes "nachteiliges Sonderopfer" darstellte -, wird maßgeblich dadurch bestätigt, dass die Geschäftsleiter der anderen führenden Telekom­mu­ni­ka­ti­o­ns­un­ter­nehmen wie Vodafone, O 2, E-Plus, Mobil-Com und Quam, die gesell­schafts­rechtlich nicht von der Beklagten abhängig waren, ebenfalls an der Versteigerung teilnahmen und entsprechende UMTS-Lizenzen zu vergleichbaren Preisen erwarben.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 40/08 des BGH vom 03.03.2008

der Leitsatz

AktG §§ 17 Abs. 1, 311 Abs. 1, § 317 Abs. 1 und 2

a) Die §§ 311, 317 AktG finden grundsätzlich auch dann Anwendung, wenn eine Gebiets­kör­per­schaft oder ein anderer öffent­lich­recht­licher Rechtsträger (hier: die Bundesrepublik Deutschland) herrschendes Unternehmen i.S. von § 17 Abs. 1 AktG ist.

b) Nach § 317 Abs. 2 AktG haftet ein faktisch herrschendes Unternehmen selbst bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 317 Abs. 1 AktG der abhängigen Gesellschaft dann nicht, wenn ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer - im Sinne des § 17 Abs. 1 AktG - nicht abhängigen Gesellschaft unter sonst gleichen Bedingungen das Rechtsgeschäft ebenso vorgenommen hätte, wie tatsächlich bei Abhängigkeit geschehen (vgl. BGHZ 141, 79, 88); ein etwaiger Nachteil der abhängigen Gesellschaft wäre insofern keine Folge der Abhängigkeit.

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