15.11.2024
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Dokument-Nr. 9296

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Beschluss01.03.2010BundesgerichtshofII ZB 1/10
Vorinstanzen:
  • Landgericht Düsseldorf, Beschluss14.08.2009, 31 O 38/09
  • Oberlandesgericht Düsseldorf, Beschluss04.02.2010, I-6 W 45/09
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Beschluss01.03.2010

BGH zur Bestellung eines Sonderprüfers bei der IKBNeu Hauptaktionäre der IKB können Tätigwerden eines Sonderprüfers nicht verhindern

Der Bundes­ge­richtshof hat einen Eilantrag der IKB Deutsche Industriebank AG (IKB) als unzulässig verworfen, mit dem die IKB das Tätigwerden eines vom Landgericht Düsseldorf im Verfahren nach § 142 AktG bestellten Sonderprüfers einstweilen verhindern wollte.

Nach § 142 Abs. 1 Satz 1 AktG kann die Haupt­ver­sammlung einer Aktien­ge­sell­schaft Sonderprüfer bestellen, die die tatsächlichen Grundlagen für Ersatzansprüche im Zusammenhang mit Pflicht­ver­let­zungen des Vorstands und des Aufsichtsrats aufklären. Lehnt die Haupt­ver­sammlung einen Antrag von Aktionären auf Bestellung von Sonderprüfern ab, kann nach § 142 Abs. 2 AktG* das Landgericht am Sitz der Gesellschaft auf Antrag von Aktionären mit einem bestimmten Mindestanteil am Grundkapital anstelle der Haupt­ver­sammlung Sonderprüfer bestellen. Gleiches gilt, wenn die Haupt­ver­sammlung einen eigenen Beschluss über die Bestellung von Sonderprüfern nachträglich aufhebt. Das Gericht entscheidet in einem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, in dem von der Zivil­pro­zess­ordnung abweichende Grundsätze gelten.

Sachverhalt

Der Vorstand der IKB, einer Bank, deren wesentliche Aufgabe es war, den Mittelstand mit Krediten zu versorgen, entschied im Geschäftsjahr 2001/2002, in Geldma­rkt­papiere zu investieren, die mit US-amerikanischen Konsu­men­ten­krediten besichert waren. Außerdem räumte die IKB so genannten Zweck­ge­sell­schaften, die Forderungen aus solchen Krediten aufkauften und als Sicherheiten für die eigene Refinanzierung am Kapitalmarkt einsetzten, Liqui­di­täts­linien ein. Dieses Geschäftsmodell führte die IKB im Juli 2007 in eine schwere Krise, weil sich der Markt für mit US-amerikanischen Konsu­men­ten­krediten besicherte Geldma­rkt­papiere verschlechterte, die IKB aus den Liqui­di­täts­linien in erheblichem Maß in Anspruch genommen wurde und sich über den Inter­ban­kenmarkt nicht mehr refinanzieren konnte.

Minder­heits­ak­tionäre wehren sich gegen Widerruf der Bestellung eines Sonderprüfers

Die Haupt­ver­sammlung der IKB beschloss im März 2008 mit den Stimmen ihrer damaligen Hauptaktionärin, der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), einen Sonderprüfer zu bestellen, um mögliche Pflicht­ver­let­zungen des Vorstands und Aufsichtsrats im Vorfeld der Krise vom Juli 2007 aufzuklären. Nach Veräußerung der Aktien der KfW an eine US-amerikanische Betei­li­gungs­ge­sell­schaft hob eine außer­or­dentliche Haupt­ver­sammlung der IKB am 25. März 2009 auf Initiative der neuen Hauptaktionärin den Beschluss über die Sonderprüfung auf und widerrief die Bestellung des Sonderprüfers. Gegen diese Entscheidung wehren sich Minder­heits­ak­tionäre mit einer bei dem Landgericht Düsseldorf anhängig gemachten Klage.

Verfah­rens­be­voll­mäch­tigten bitten um Aussetzung der Bestellung des Sonderprüfers bis Rechts­be­schwer­de­be­gründung vorgelegt werden kann

Unabhängig davon haben die Antragsteller des Ausgangs­ver­fahrens, Aktionäre der IKB, im Juni 2009 bei dem Landgericht Düsseldorf die gerichtliche Bestellung eines Sonderprüfers beantragt, um die Prüfung möglicher Pflicht­ver­let­zungen zu einem Abschluss zu bringen. Das Landgericht hat dem Antrag im August 2009 entsprochen. Das Oberlan­des­gericht Düsseldorf hat die landge­richtliche Entscheidung durch Beschluss vom 9. Dezember 2009 bestätigt; eine Aussage über die Zulassung der Rechts­be­schwerde enthält der Beschluss nicht. Dagegen hat die IKB Rechts­be­schwerde zum Bundes­ge­richtshof eingelegt und formularmäßig um Verlängerung der Begrün­dungsfrist gebeten. Später haben ihre Verfah­rens­be­voll­mäch­tigten mit Rücksicht darauf, dass ihnen die umfangreichen Gerichtsakten für die zu erstellende Rechts­be­schwer­de­be­gründung noch nicht zugänglich gemacht werden konnten, beantragt, im Wege der einstweiligen Anordnung den Beschluss des Landgerichts über die Bestellung des Sonderprüfers so lange außer Vollzug zu setzen, bis die Rechts­be­schwer­de­be­gründung vorgelegt worden ist.

BGH lehnt Antrag der IKB wegen Unzulässigkeit ab

Der Bundes­ge­richtshof hat diesen Antrag verworfen, weil der Antrag der IKB unzulässig ist. Wie schon im Instanzenzug so findet auch auf das von der IKB nunmehr eingeleitete Rechts­mit­tel­ver­fahren das zum 1. September 2009 durch das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) ersetzte Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG) Anwendung. Nach diesem Gesetz ist gegen eine Endentscheidung des Oberlan­des­ge­richts ein Rechts­mit­tel­ver­fahren nicht eröffnet. Nach dem neuen Recht ist dies anders - nach § 70 FamFG ist unter den dort näher genannten Voraussetzungen eine Rechts­be­schwerde gegen Endent­schei­dungen des Oberlan­des­ge­richts statthaft. Die in Artikel 111 Abs. 1 des FGG-Reformgesetzes (FGG-RG)** vorgesehene Überg­angs­vor­schrift bestimmt jedoch, dass Gerichts­ver­fahren insta­nz­über­greifend nach altem Verfahrens- und Rechts­mit­telrecht zu Ende geführt werden, wenn der Antrag in erster Instanz vor dem 1. September 2009 gestellt worden ist. Aus der engen Definition des "gerichtlichen Verfahrens" in Artikel 111 Abs. 2 FGG-RG ergibt sich nichts anderes, weil diese Bestimmung nach dem Willen des Gesetzgebers nur eine Klarstellung für so genannte Bestands­ver­fahren (Vormundschaft, Betreuung oder Beistandschaft) enthält. Die Zulässigkeit einer (sofortigen weiteren) Beschwerde zum Bundes­ge­richtshof lässt sich dem Aktiengesetz nicht entnehmen. Da mithin schon das Rechts­be­schwer­de­ver­fahren unstatthaft ist, ist für den - allenfalls in dessen Rahmen denkbaren - Eilantrag kein Raum.

*§ 142 AktG (Auszug)

(1) Zur Prüfung von Vorgängen bei der Gründung oder der Geschäfts­führung, namentlich auch bei Maßnahmen der Kapital­be­schaffung und Kapita­l­her­ab­setzung, kann die Haupt­ver­sammlung mit einfacher Stimmenmehrheit Prüfer (Sonderprüfer) bestellen. Bei der Beschluss­fassung kann ein Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats weder für sich noch für einen anderen mitstimmen, wenn die Prüfung sich auf Vorgänge erstrecken soll, die mit der Entlastung eines Mitglieds des Vorstands oder des Aufsichtsrats oder der Einleitung eines Rechtsstreits zwischen der Gesellschaft und einem Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats zusammenhängen. Für ein Mitglied des Vorstands oder des Aufsichtsrats, das nach Satz 2 nicht mitstimmen kann, kann das Stimmrecht auch nicht durch einen anderen ausgeübt werden.

(2) Lehnt die Haupt­ver­sammlung einen Antrag auf Bestellung von Sonderprüfern zur Prüfung eines Vorgangs bei der Gründung oder eines nicht über fünf Jahre zurückliegenden Vorgangs bei der Geschäfts­führung ab, so hat das Gericht auf Antrag von Aktionären, deren Anteile bei Antragstellung zusammen den hundertsten Teil des Grundkapitals oder einen anteiligen Betrag von 100.000 Euro erreichen, Sonderprüfer zu bestellen, wenn Tatsachen vorliegen, die den Verdacht rechtfertigen, dass bei dem Vorgang Unredlichkeiten oder grobe Verletzungen des Gesetzes oder der Satzung vorgekommen sind. Die Antragsteller haben nachzuweisen, dass sie seit mindestens drei Monaten vor dem Tag der Haupt­ver­sammlung Inhaber der Aktien sind und dass sie die Aktien bis zur Entscheidung über den Antrag halten. Für eine Vereinbarung zur Vermeidung einer solchen Sonderprüfung gilt § 149 entsprechend.

[…]

**Artikel 111 FGG-RG (Auszug)

(1) Auf Verfahren, die bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit eingeleitet worden sind oder deren Einleitung bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit beantragt wurde, sind weiter die vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden. Auf Abänderungs-, Verlängerungs- und Aufhe­bungs­ver­fahren finden die vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften Anwendung, wenn die Abänderungs-, Verlängerungs- und Aufhe­bungs­ver­fahren bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit eingeleitet worden sind oder deren Einleitung bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit beantragt wurde.

(2) Jedes gerichtliche Verfahren, das mit einer Endentscheidung abgeschlossen wird, ist ein selbständiges Verfahren im Sinne des Absatzes 1 Satz 1.

[…]

Erläuterungen
Hinweis des BGH vom 10. März 2010:

Auf den Beschluss des Bundes­ge­richtshofs vom 1. März 2010 hin hat die Rechts­be­schwer­de­führerin ihr Rechtsmittel zurück genommen.

Quelle: ra-online, BGH

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