15.11.2024
15.11.2024  
Sie sehen einen Schreibtisch mit einem Tablet, einer Kaffeetasse und einem Urteil.

Dokument-Nr. 32091

Drucken
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil28.05.2020

Einwilligung in Cookies durch vorein­ge­stelltes Ankreuzkästchen rechtswidrigBGH zur Einwilligung in telefonische Werbung und Cookie-Speicherung

Der Bundes­ge­richtshof hat über die Frage entschieden, welche Anforderungen an die Einwilligung in telefonische Werbung und die Speicherung von Cookies auf dem Endgerät des Nutzers zu stellen sind und die Beklagte zur Unterlassung und zum Ersatz von Abmahnkosten verpflichtet.

Der Kläger ist der Bundesverband der Verbrau­cher­zen­tralen. Die Beklagte veranstaltete im September 2013 unter ihrer Internetadresse ein Gewinnspiel. Nach Eingabe der Postleitzahl gelangte der Nutzer auf eine Seite, auf der Name und Anschrift des Nutzers einzutragen waren. Unter den Eingabefeldern für die Adresse befanden sich zwei mit Ankreuzfeldern versehene Einver­ständ­ni­s­er­klä­rungen. Mit Bestätigen des ersten Textes, dessen Ankreuzfeld nicht mit einem vorein­ge­stellten Häkchen versehen war, sollte das Einverständnis mit einer Werbung durch Sponsoren und Koope­ra­ti­o­ns­partner der Beklagten per Post, Telefon, E-Mail oder SMS erklärt werden. Dabei bestand die Möglichkeit, die werbenden Sponsoren und Koope­ra­ti­o­ns­partner aus einer verlinkten Liste von 57 Unternehmen selbst auszuwählen. Andernfalls sollte die Beklagte diese Auswahl treffen.

Kläger verlangt Unterlassung und Ersatz der Abmahnkosten

Das zweite Ankreuzfeld war mit einem vorein­ge­stellten Häkchen versehen und wies folgenden Text auf: "Ich bin einverstanden, dass der Webana­ly­se­dienst Remintrex bei mir eingesetzt wird. Das hat zur Folge, dass der Gewinn­spiel­ver­an­stalter, die [Beklagte], nach Registrierung für das Gewinnspiel Cookies setzt, welches [der Beklagten] eine Auswertung meines Surf- und Nutzungs­ver­haltens auf Websites von Werbepartnern und damit inter­es­sen­ge­richtete Werbung durch Remintrex ermöglicht. Die Cookies kann ich jederzeit wieder löschen. Lesen Sie Näheres hier." In der mit dem Wort "hier" verlinkten Erläuterung wurde darauf hingewiesen, dass die Cookies eine bestimmte, zufalls­ge­ne­rierte Nummer (ID) erhalten würden, die den Regis­trie­rungsdaten des Nutzers zugeordnet seien, der sich mit Namen und Adresse in das bereitgestellte Webformular eingetragen habe. Falls der Nutzer mit der gespeicherten ID die Webseite eines für Remintrex registrierten Werbepartners besuchen würde, sollte sowohl dieser Besuch erfasst werden als auch, für welches Produkt sich der Nutzer interessiert und ob es zu einem Vertragsschluss kommt. Der voreingestellte Haken konnte entfernt werden. Eine Teilnahme am Gewinnspiel war aber nur möglich, wenn mindestens eines der beiden Felder mit einem Haken versehen war. Soweit im Revisi­ons­ver­fahren relevant, hat der Kläger verlangt, der Beklagten zu verbieten, entsprechende Einver­ständ­ni­s­er­klä­rungen in Gewinn­spiel­ver­ein­ba­rungen mit Verbrauchern einzubeziehen oder sich darauf zu berufen. Der Kläger hat außerdem Ersatz der Abmahnkosten verlangt.

BGH hat laufendes Verfahren für Fragen beim Gerichtshof der EU pausiert

Das Landgericht hat die Beklagte hinsichtlich beider Einver­ständ­ni­s­er­klä­rungen zur Unterlassung sowie zur Zahlung von Abmahnkosten verurteilt. Die Berufung der Beklagten hatte hinsichtlich des Antrags auf Unterlassung der Verwendung der mit einem vorein­ge­stellten Ankreuzfeld versehenen Einwil­li­gungs­er­klärung in die Nutzung von Cookies Erfolg. Beide Parteien haben die vom Oberlan­des­gericht zugelassene Revision eingelegt. Der Bundes­ge­richtshof hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union verschiedene Fragen zur Auslegung hinsichtlich der Wirksamkeit einer Einwilligung in das Setzen von Cookies durch ein vorein­ge­stelltes Ankreuzkästchen vorgelegt.

Aufwendiges Auswahl­ver­fahren bei Einwil­li­gungs­er­klärung irreführend

Der Bundes­ge­richtshof hat die Revision der Beklagten zurückgewiesen und auf die Revision des Klägers das Berufungsurteil hinsichtlich der Cookie-Einwilligung aufgehoben und die erstin­sta­nzliche Verurteilung der Beklagten wieder­her­ge­stellt. Hinsichtlich der Einwilligung in telefonische Werbung ist die Beklagte zur Unterlassung und zum Ersatz von Abmahnkosten verpflichtet, weil es sowohl nach der im Zeitpunkt der beanstandeten Handlung geltenden Rechtslage als auch nach der Rechtslage im Entschei­dungs­zeitpunkt an einer wirksamen Einwilligung in telefonische Werbung fehlt. Eine Einwilligung wird "in Kenntnis der Sachlage" erteilt, wenn der Verbraucher weiß, dass seine Erklärung ein Einverständnis darstellt und worauf sie sich bezieht. Die Einwilligung erfolgt im Sinne dieser Vorschrift "für den konkreten Fall", wenn klar wird, die Produkte oder Dienst­leis­tungen welcher Unternehmen sie konkret erfasst. Daran fehlt es im Streitfall, weil die beanstandete Gestaltung der Einwil­li­gungs­er­klärung darauf angelegt ist, den Verbraucher mit einem aufwendigen Verfahren der Auswahl von in der Liste aufgeführten Partner­un­ter­nehmen zu konfrontieren, um ihn zu veranlassen, von dieser Auswahl abzusehen und stattdessen der Beklagten die Wahl der Werbepartner zu überlassen. Weiß der Verbraucher mangels Kenntnisnahme vom Inhalt der Liste und ohne Ausübung des Wahlrechts nicht, die Produkte oder Dienst­leis­tungen welcher Unternehmer die Einwilligung erfasst, liegt keine Einwilligung für den konkreten Fall vor. Aus diesen Gründen fehlt es auch an einer Einwilligung "für den bestimmten Fall", die insoweit keine Rechtsänderung herbeigeführt hat.

Unangemessene Benachteiligung des Nutzers durch Ankreuzkästchen

Hinsichtlich der Einwilligung in die Speicherung von Cookies steht dem Kläger gleichfalls ein Unter­las­sungs­an­spruch gemäß § 1 UKlaG in Verbindung mit § 307 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB zu. Die von der Beklagten in Form einer Allgemeinen Geschäfts­be­dingung vorgesehene Einwilligung des Nutzers, die den Abruf von auf seinem Endgerät gespeicherten Informationen mithilfe von Cookies im Wege eines vorein­ge­stellten Ankreuz­kästchens gestattet, stellt sowohl nach dem im Zeitpunkt der beanstandeten Handlung geltenden Recht als auch nach dem im Entschei­dungs­zeitpunkt geltenden Recht eine unangemessene Benachteiligung des Nutzers dar.

Vorein­ge­stelltes und vom Nutzer abzuwählendes Ankreuzkästchen ist keine wirksame Einwilligung

Der beanstandete Einsatz von Cookies durch die Beklagte als Diensteanbieter dient der Erstellung von Nutzerprofilen zum Zwecke der Werbung, indem das Verhalten des Nutzers im Internet erfasst und zur Zusendung darauf abgestimmter Werbung verwendet werden soll. Bei der im Streitfall in den Cookies gespeicherten zufalls­ge­ne­rierten Nummer (ID), die den Regis­trie­rungsdaten des Nutzers zugeordnet ist, handelt es sich um ein Pseudonym. Für den Einsatz von Cookies zur Erstellung von Nutzerprofilen für Zwecke der Werbung oder Marktforschung ist die Einwilligung des Nutzers erforderlich. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat auf Vorlage durch den Senat entschieden, dass keine wirksame Einwilligung vorliegt, wenn die Speicherung von Informationen oder der Zugriff auf Informationen, die bereits im Endgerät des Nutzers einer Website gespeichert sind, mittels Cookies durch ein vorein­ge­stelltes Ankreuzkästchen erlaubt wird, das der Nutzer zur Verweigerung seiner Einwilligung abwählen muss. Auf die Frage, ob es sich bei den Informationen um perso­nen­be­zogene Daten handelt, kommt es nach der Entscheidung des Gerichtshofs in diesem Zusammenhang nicht an. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat auf Vorlage durch den Senat auch mit Blick auf Art. 4 Nr. 11 der Verordnung (EU) 2016/679 entschieden, dass ein vom Nutzer abzuwählendes, vorein­ge­stelltes Ankreuzkästchen keine wirksame Einwilligung darstellt.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (pm/aw)

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil32091

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI