18.10.2024
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Sie sehen eine stilisierte Weltkarte mit der Illustration eines Laptops, auf dem ein Paragraphenzeichen prangt.

Dokument-Nr. 14207

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Beschluss19.04.2012BundesgerichtshofI ZB 80/11
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • CR 2012, 600Zeitschrift: Computer und Recht (CR), Jahrgang: 2012, Seite: 600
  • GRUR 2012, 1026Zeitschrift: Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (GRUR), Jahrgang: 2012, Seite: 1026
  • JZ 2012, 1020Zeitschrift: JuristenZeitung (JZ), Jahrgang: 2012, Seite: 1020
  • MDR 2012, 1112Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2012, Seite: 1112
  • MMR 2012, 689Zeitschrift: Multimedia und Recht (MMR), Jahrgang: 2012, Seite: 689
  • NJW 2012, 2958Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2012, Seite: 2958
Für Details Fundstelle bitte Anklicken!
Vorinstanzen:
  • Landgericht Köln, Beschluss29.09.2011, 213 O 337/11
  • Oberlandesgericht Köln, Beschluss02.11.2011, 6 W 237/11
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Beschluss19.04.2012

"Filesharing": Auskunfts­an­spruch gegen Dritten setzt keine Rechts­ver­letzung im gewerblichen Ausmaß vorausInternet-Provider muss bei illegalen Downloads dem Rechteinhaber Auskunft über Kundendaten zu einer IP-Adresse erteilen / BGH stärkt Position der Rechteinhaber

Der in Fällen offen­sicht­licher Rechts­ver­letzung bestehende Anspruch auf Auskunft aus § 101 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UrhG gegen eine Person, die in gewerblichem Ausmaß für rechts­ver­letzende Tätigkeiten genutzte Dienst­leis­tungen erbrachte, setzt nicht voraus, dass die rechts­ver­letzende Tätigkeiten das Urheberrecht oder ein anderes nach dem Urheber­rechts­gesetz geschütztes Recht in gewerblichem Ausmaß verletzt haben. Dies hat der Bundes­ge­richtshof entschieden.

Im zugrunde liegenden Fall besaß ein Musik­ver­trie­bs­un­ter­nehmen die Rechte an der Verwertung des Musiktitels "Bitte hör nicht auf zu träumen" von Xavier Naidoo. Das Unternehmen verlangte von der Deutschen Telekom AG Auskunft über den Namen und Anschrift derjenigen Nutzer, die über eine Online-Tauschbörse anderen Nutzern diesen Titel zum Herunterladen angeboten hatten. Die jeweiligen IP-Adressen waren den Nutzern von der Telekom zugewiesen worden.

Merkmal des gewerblichen Ausmaßes nicht erforderlich

Der Bundes­ge­richtshof entschied, dass der Auskunftsanspruch aus § 101 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UrhG nicht voraus setzt, dass die rechts­ver­let­zenden Tätigkeiten das Urheberrecht oder ein anderes nach dem Urheber­rechts­gesetz geschütztes Recht in gewerblichen Ausmaß verletzt haben.

Keine Stütze im Wortlaut

Nach Auffassung des BGH gibt der Wortlaut der Norm keinen hinreichenden Anlass dafür, dass der Anspruch auf Auskunft gegen die Person, die in gewerblichen Ausmaß für rechts­ver­letzende Tätigkeiten genutzte Dienst­leis­tungen erbrachte, nur unter der einschränkende Voraussetzung besteht, dass die rechts­ver­let­zenden Tätigkeiten gleichfalls ein gewerbliches Ausmaß hatten. Der Begriff "in gewerblichem Ausmaß" in § 101 Abs. 2 Satz 1 UrhG bezieht sich nicht auf das am Anfang dieses Satzes stehende Wort "Rechts­ver­letzung", sondern nur auf den bei Nummer 3 des Satzes verwendeten Begriff des Erbringens von Dienst­leis­tungen. Die Formulierung des § 101 Abs. 2 Satz 1 UrhG "in Fällen offen­sicht­licher Rechts­ver­letzung oder in Fällen, in denen der Verletzte gegen den Verletzter Klage erhoben hat" und der Begriff "rechts­ver­letzende Tätigkeiten" in § 101 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UrhG verweisen zur Bestimmung der Art der Rechts­ver­letzung ersichtlich auf § 101 Abs. 1 Satz 1 UrhG. Dem ist entnehmen, dass damit eine Verletzung des Urheberrechts oder eines anderen nach dem Urheber­rechts­gesetz geschützten Rechts gemeint ist. Der Begriff der Rechts­ver­letzung im Sinne des § 101 UrhG umfasst dagegen nicht allein Rechts­ver­let­zungen in gewerblichem Ausmaß.

Weiter führt er aus, dass die Formulierung "der Anspruch" in § 101 Abs. 2 Satz 1 UrhG sich zur Bestimmung des Anspruchs­inhalts, nicht aber zur Bestimmung der Anspruchs­vor­aus­set­zungen auf § 101 Abs. 1 UrhG bezieht. Damit, dass der Anspruch aus § 101 Abs. 2 UrhG "unbeschadet von Absatz 1" besteht, ist nicht gemeint, dass ein Auskunfts­an­spruch gegen Dritte aus § 101 Abs. 2 UrhG nur begründet ist, wenn zugleich die Voraussetzungen eines Auskunfts­an­spruches gegen den Verletzten aus § 101 Abs. 1 UrhG erfüllt sind. Die Formulierung "unbeschadet von Absatz 1" bringt allein zum Ausdruck, dass die in Absatz 2 genannten Personen auch gemäß Absatz 1 in Anspruch genommen werden können.

Systematik des Gesetzes spricht gegen Erfordernis des gewerblichen Ausmaßes

In den anderen Gesetzen des geistigen Eigentums sind ebenfalls Auskunfts­ansprüche geschaffen worden, die dem des § 101 UrhG entsprechen. Diese Auskunfts­ansprüche sind zwar nur begründet, wenn eine Rechts­ver­letzung in gewerblichem Ausmaß vorliegt. Das folgt allerdings nicht aus den Wortlaut dieser Regelungen, sondern aus den Umstand, dass sich die Wirkungen dieser Schutzrechte von vornherein nicht auf Handlungen erstrecken, die im privaten Bereich zu nicht­ge­werb­lichen Zwecken vorgenommen werden oder nur Handlungen erfassen, die im geschäftlichen Verkehr erfolgen. Nach Auffassung des BGH ist die Schutzwirkung des Urheberrechts und der anderen nach dem Urhebergesetz geschützten Rechte jedoch nicht auf Handlungen zu geschäftlichen oder gewerblichen Zwecken beschränkt, sondern erfasst auch Handlungen im privaten Bereich.

Zweck des Gesetzes erfordert keine Rechts­ver­letzung in gewerblichem Ausmaß

Der Auskunfts­an­spruch gegen Dritte nach § 101 Abs. 2 UrhG dient, nach Auffassung des BGH, nicht lediglich der Durchsetzung des Auskunfts­an­spruchs gegen den Verletzer nach § 101 Abs. 1 UrhG und ist daher auch nicht an dessen Voraussetzungen geknüpft. Der Auskunfts­an­spruch gegen Dritte ist kein Hilfsanspruch zur Vorbereitung des Auskunfts­an­spruches gegen den Verletzer, sondern ein Hilfsanspruch zur Vorbereitung von Unter­las­sungs­er­klä­rungen und Schaden­er­satz­ansprüchen gegen ihn. Diese Ansprüche setzen keine Rechts­ver­letzung in gewerblichem Ausmaß voraus, sondern bestehen bei jeder Rechts­ver­letzung. Der Auskunfts­an­spruch aus § 101 Abs. 2 UrhG hat daher ein anderes Ziel und einen anderen Inhalt als der Auskunfts­an­spruch aus § 101 Abs. 1 UrhG. Wäre ein Auskunfts­an­spruch gegen Dritte nur bei einer Rechts­ver­letzung in gewerblichem Ausmaß gegeben, könnten die Hauptansprüche auf Unterlassung und Schadenersatz auch nur bei einer Rechts­ver­letzung in gewerblichem Ausmaß durchgesetzt werden. Der Rechtsinhaber wäre dann faktisch schutzlos gestellt, dies widerspräche dem Ziel des Gesetzes, Rechts­ver­let­zungen im Internet wirksam zu bekämpfen.

Kein Verstoß gegen die Richtlinie

Zu beachten sei weiterhin, dass die Richtlinie 2004/48/EG vom 29. April 2004, auf die § 101 UrhG beruht, einer Ablehnung des Merkmals "in gewerblichem Ausmaß" nicht entgegenstehe. Soweit die Regelung des § 101 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UrhG einen Auskunfts­an­spruch auch in Fällen offen­sicht­licher Rechts­ver­letzung vorsieht, geht sie zwar über die Vorgaben der Richtlinie hinaus. Jedoch handelt es sich dabei um eine zulässige andere gesetzliche Bestimmung. Ein solcher weitergehender Auskunfts­an­spruch darf auch für Fälle vorgesehen werden, in denen die Rechts­ver­letzung kein gewerbliches Ausmaß annimmt.

Begründung des Regie­rungs­ent­wurfes unbeachtlich

Aus der Begründung des Regie­rungs­ent­wurfes zum § 101 UrhG geht zwar hervor, dass die Verfasser des Entwurfes der Ansicht waren, der Auskunfts­an­spruch gegen Dritte setze eine Rechts­ver­letzung in gewerblichem Ausmaß voraus. Darauf kommt es für die Auslegung des § 101 Abs. 2 UrhG nach Ansicht des BGH jedoch nicht entscheidend an. Denn diese Auffassung hat im Gesetz keinen hinreichenden Niederschlag gefunden. Die vorrangig am objektiven Sinn und Zweck des Gesetzes zu orientierende Auslegung kann nicht durch Motive gebunden werden, die im Gesetz­ge­bungs­ver­fahren dargelegt wurden, im Geset­zes­wortlaut aber keinen Ausdruck gefunden haben.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (vt/rb)

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