18.10.2024
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Dokument-Nr. 25591

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Urteil01.03.2018Bundesgerichtshof4 StR 399/17
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • NJW 2018, 1621Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2018, Seite: 1621
  • NJW-Spezial 2018, 280Zeitschrift: NJW-Spezial, Jahrgang: 2018, Seite: 280
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Vorinstanz:
  • Landgericht Berlin, Urteil27.02.2017, (535 Ks) 251 Js 52/16 (8/16)
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil01.03.2018

Illegales Autorennen auf dem Kurfürstendamm: BGH hebt Verurteilung wegen Mordes aufVom Landgericht festgestellter Gesche­hens­ablauf hält Annahme eines vorsätzlichen Tötungsdelikts nicht stand

Der Bundes­ge­richtshof hat das Urteil des Landgerichts Berlin, das zwei Autofahrer wegen mittä­ter­schaftlich begangenen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt hatte, insgesamt aufgehoben. Die Verurteilung wegen Mordes konnte keinen Bestand haben, weil sie auf einer in mehrfacher Hinsicht rechts­feh­ler­haften Grundlage ergangen ist.

Das Landgericht Berlin hatte zwei Angeklagte (unter anderem) wegen mittä­ter­schaftlich begangenen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Nach den Feststellungen der Schwur­ge­richts­kammer des Landgerichts führten die damals 24 und 26 Jahre alten Angeklagten am 1. Februar 2016 gegen .30 Uhr in Berlin entlang des Kurfürstendamms und der Tauent­zi­en­straße ein spontanes Autorennen durch. In dessen Verlauf fuhren sie nahezu nebeneinander bei Rotlicht zeigender Ampel und mit Geschwin­dig­keiten von 139 bis 149 km/h bzw. 160 bis 170 km/h in den Bereich der Kreuzung Tauent­zi­en­straße/Nürnberger Straße ein. Im Kreuzungs­bereich kollidierte der auf der rechten Fahrbahn fahrende Angeklagte mit einem Pkw, der bei grünem Ampellicht aus der Nürnberger Straße von rechts kommend in die Kreuzung eingefahren war. Dessen Fahrer erlag noch am Unfallort seinen schweren Verletzungen. Durch die Wucht des Aufpralls wurde das Fahrzeug dieses Angeklagten zudem auf das neben ihm fahrende Fahrzeug des Mitangeklagten geschleudert, in welchem die Nebenklägerin auf dem Beifahrersitz saß. Diese wurde bei dem Unfall erheblich, die Angeklagten wurden leicht verletzt.

BGH hebt Urteil des Landgerichts auf

Auf die Revisionen der Angeklagten hat der Bundes­ge­richtshof das Urteil des Landgerichts insgesamt aufgehoben. Die Verurteilung wegen Mordes konnte keinen Bestand haben, weil sie auf einer in mehrfacher Hinsicht rechts­feh­ler­haften Grundlage ergangen ist. Der vom Landgericht Berlin festgestellte Gesche­hens­ablauf trägt schon nicht die Annahme eines vorsätzlichen Tötungsdelikts. Nach den Urteils­fest­stel­lungen, an die der Gerichtshof gebunden ist, hatten die Angeklagten die Möglichkeit eines für einen anderen Verkehrs­teil­nehmer tödlichen Ausgangs ihres Rennens erst erkannt und billigend in Kauf genommen, als sie in die Unfallkreuzung einfuhren. Genau für diesen Zeitpunkt hat das Landgericht allerdings auch festgestellt, dass die Angeklagten keine Möglichkeit mehr hatten, den Unfall zu verhindern; sie seien "absolut unfähig gewesen, noch zu reagieren". Nach diesen Feststellungen war das zu dem tödlichen Unfall führende Geschehen bereits unumkehrbar in Gang gesetzt, bevor die für die Annahme eines Tötungs­vor­satzes erforderliche Vorstellung bei den Angeklagten entstanden war. Ein für den Unfall und den Tod unfall­be­tei­ligter Verkehrs­teil­nehmer ursächliches Verhalten der Angeklagten, das von einem Tötungsvorsatz getragen war, gab es nach diesen eindeutigen Urteils­fest­stel­lungen nicht.

Beweiswürdigung des Landgerichts mangelhaft

Davon abgesehen leidet auch die Beweiswürdigung der Strafkammer zur subjektiven Seite der Tat unter durchgreifenden rechtlichen Mängeln. Diese betreffen die Ausführungen zu der Frage, ob eine etwaige Eigengefährdung der Angeklagten im Falle eines Unfalls gegen das Vorliegen eines Tötungs­vor­satzes sprechen könnte. Dies hat das Landgericht mit der Begründung verneint, dass die Angeklagten sich in ihren Fahrzeugen absolut sicher gefühlt und eine Eigengefährdung ausgeblendet hätten. Mit dieser Erwägung ist aber nicht ohne Weiteres in Einklang zu bringen, dass die Angeklagten, wie das Landgericht weiter angenommen hat, bezüglich der tatsächlich verletzten Beifahrerin des einen von ihnen schwere und sogar tödliche Verletzungen als Folge eines Unfalls in Kauf genommen haben. Schon diesen Widerspruch in der Gefähr­dungs­ein­schätzung der Angeklagten zu Personen, die sich in demselben Fahrzeug befanden, hat die Schwur­ge­richts­kammer nicht aufgelöst. Hinzu kommt, dass sie auch die Annahme, die Angeklagten hätten sich in ihren Fahrzeugen absolut sicher gefühlt, nicht in der erforderlichen Weise belegt hat. Sie hat diese Annahme darauf gestützt, dass mit den Angeklagten vergleichbare Fahrer sich in ihren tonnenschweren, stark beschleu­ni­genden und mit umfassender Sicher­heits­technik ausgestatteten Fahrzeugen regelmäßig sicher fühlten "wie in einem Panzer oder in einer Burg". Einen Erfahrungssatz dieses Inhalts gibt es aber nicht.

Verurteilung wegen mittä­ter­schaftlich begangenen Mordes nicht haltbar

Ein weiterer Rechtsfehler betrifft die Verurteilung des Angeklagten, dessen Fahrzeug nicht mit dem des Unfallopfers kollidiert ist. Seine Verurteilung wegen mittä­ter­schaftlich begangenen Mordes könnte - selbst wenn die Strafkammer die Annahme eines Tötungs­vor­satzes bei Begehung der Tathandlungen rechts­feh­lerfrei begründet hätte - keinen Bestand haben. Aus den Urteils­fest­stel­lungen ergibt sich nämlich nicht, dass die Angeklagten ein Tötungsdelikt als Mittäter begangen haben. Dafür wäre erforderlich, dass die Angeklagten einen auf die Tötung eines anderen Menschen gerichteten gemeinsamen Tatentschluss gefasst und diesen gemein­schaftlich (arbeitsteilig) ausgeführt hätten. Die Verabredung, gemeinsam ein illegales Straßenrennen auszutragen, auf die das Landgericht abgestellt hat, hat einen anderen Inhalt und reicht für die Annahme eines mittä­ter­schaft­lichen Tötungsdelikts nicht aus.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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