18.10.2024
18.10.2024  
Sie sehen die Ausrüstung eines Polizisten.

Dokument-Nr. 8310

Drucken
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil14.08.2009

Al-Qaida-Urteil des BGH: Nur straff organisierte Gruppen sind terroristischStrikte Vorgaben für Terrorismus-Urteile

Nur straff organisierte Gruppen dürfen als "terroristische Vereinigung" im eingestuft werden. Dies hat der Bundes­ge­richtshof entschieden. Eine allein in der Bundesrepublik ausgeübte Tätigkeit für eine ausländische Vereinigung, selbst wenn sie äußerst intensiv ist, vermag eine Mitgliedschaft noch nicht zu begründen.

Das Oberlan­des­gericht Düsseldorf hatte zwei Angeklagte wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung (Al Qaida) und den dritten Angeklagten wegen Unterstützung dieser Vereinigung, jeweils begangen in Tateinheit mit versuchtem Betrug, zu Freiheits­s­trafen von sieben Jahren, sechs Jahren sowie drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Der für Staats­schutz­straf­sachen zuständige 3. Strafsenat des Bundes­ge­richtshofs hat die Revisionen der Angeklagten im Ergebnis weitgehend verworfen.

Sachverhalt

Nach den Feststellungen des Oberlan­des­ge­richts bemühten sich die Angeklagten ab Sommer 2004 um den Abschluss von Lebens­ver­si­che­rungs­ver­trägen, bei denen einer von ihnen die versicherte Person, der andere der Begünstigte sein sollte. Dies geschah in der Absicht, nach kurzer Zeit den Unfalltod des Versicherten in Ägypten vorzutäuschen, sodann durch die anderen Angeklagten die Versi­che­rungs­summen von insgesamt 4.325.958 € geltend zu machen und einen Teil davon dem bewaffneten Kampf der Al Qaida zukommen zu lassen. Entsprechend der Tatplanung kam es in neun Fällen zum Abschluss eines Versi­che­rungs­ver­trages. In 19 Fällen wurden die Anträge abgelehnt bzw. nach der Festnahme der Angeklagten nicht mehr weiter bearbeitet.

Erkenntnisse aus Wohnrau­m­über­wachung dürfen verwendet werden

Die Angeklagten haben sich ohne Erfolg gegen die Verwertung der Erkenntnisse aus der Wohnraumüberwachung gewandt, die zur Aufklärung der Taten geführt hatten. Zwar entsprach das Rheinland-Pfälzische Polizei- und Ordnungs­be­hör­den­gesetz, auf dessen Grundlage die Überwachung im Sommer 2004 angeordnet worden war, nicht in vollem Umfang den Anforderungen, die das Bundes­ver­fas­sungs­gericht in seiner im März 2004 ergangenen Entscheidung zur Wohnrau­m­über­wachung nach der Straf­pro­zess­ordnung aufgestellt hatte; es enthielt insbesondere keine Regelung zum Schutz des Kernbereichs privater Lebens­ge­staltung. Die gewonnenen Erkenntnisse konnten aufgrund einer Gesamtabwägung gleichwohl für das Verfahren verwendet werden.

Verurteilung aufgrund Unterstützung ausländischer terroristischer Vereinigung

Im Ergebnis hat der Bundes­ge­richtshof auch die Wertung des Oberlan­des­ge­richts bestätigt, dass es sich bei Al Qaida um eine ausländische terroristische Vereinigung handelt, die auch nach der Intervention der USA und ihrer Verbündeten in Afghanistan - wenn auch mit veränderten Strukturen - fortbestanden hat. Dieser gehörte der Angeklagte K. als Mitglied an. Hingegen hat der Senat die Ansicht, auch der Angeklagte Y. A. S. habe sich mitglied­s­chaftlich an der Vereinigung beteiligt, nicht gebilligt. Eine allein in der Bundesrepublik ausgeübte Tätigkeit für die ausländische Vereinigung, selbst wenn sie äußerst intensiv ist, vermag eine Mitgliedschaft nicht zu begründen. Die erforderliche Aufnahme durch die Vereinigung hat das Oberlan­des­gericht nicht festgestellt. Da der Angeklagte aber durch seine Tätigkeit Al Qaida unterstützte, hat der Senat den Schuldspruch geändert, so dass der Angeklagte jetzt - ebenso wie sein mitangeklagter Bruder - wegen Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung verurteilt ist.

BGH sieht Tatbestand des Einge­hungs­betrugs erfüllt

Auch hinsichtlich der Betrugstaten sind die Revisionen der Angeklagten im Wesentlichen erfolglos geblieben. Anders als das Oberlan­des­gericht, das in allen Fällen nur von Betrugs­ver­suchen ausgegangen war, hat der Bundes­ge­richtshof in dem Abschluss der Lebens­ver­si­che­rungs­verträge jeweils einen vollendeten Einge­hungs­betrug gesehen. Bereits mit dem Vertrags­ab­schluss ist den Versicherern ein Schaden entstanden, weil die Angeklagten geplant hatten, alsbald den Versi­che­rungsfall zu fingieren sowie die Versi­che­rungs­summen zu beanspruchen. In den Fällen, in denen es nicht zum Abschluss eines Vertrags gekommen war, haben sich die Angeklagten des versuchten Betrugs schuldig gemacht.

Der Bundes­ge­richtshof hat die Schuldsprüche korrigiert und die Revisionen der Angeklagten K. und I. A. S. im Übrigen verworfen. Lediglich hinsichtlich des Angeklagten Y. A. S. muss auf der Grundlage des geänderten Schuldspruchs vom Oberlan­des­gericht Düsseldorf erneut über die Strafe entschieden werden.

Quelle: ra-online, BGH

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil8310

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI