21.11.2024
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Dokument-Nr. 10375

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Urteil07.10.2010Bundesgerichtshof3 StR 168/10
Vorinstanz:
  • Landgericht Verden, Urteil13.11.2009, 241 Js 19402/09 1 Ks 16/09
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil07.10.2010

BGH: "Tötung auf Verlangen" bedarf der genauen ÜberprüfungAugen­blicks­s­timmung bei Äußerung zu Tötungs­ver­langen muss ausgeschlossen werden können

Bei einer Verurteilung wegen Tötung auf Verlangen ist das Gericht dazu angehalten, ein solches Tötungs­ver­langen ausreichend zu prüfen. Es muss grundsätzlich ausgeschlossen werden können, dass ein solcher Wunsch nicht in einer Augen­blicks­s­timmung geäußert wurde. Dies entschied der Bundes­ge­richtshof und hob damit ein Urteil des Landgerichts Verden auf, durch das ein Angeklagter, der seine Ehefrau erschossen hatte, wegen Tötung auf Verlangen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden war.

Im zugrunde liegenden Fall tötete der Angeklagte, ein damals 74-jähriger Geschäftsmann, am Morgen des 3. Juni 2009 seine 53-jährige Ehefrau in der gemeinsamen Wohnung durch einen Revolverschuss in den Kopf. Unmittelbar danach schoss er sich mit einer Pistole in die Brust, überlebte aber schwer verletzt. Das Landgericht ist der Darstellung des Angeklagten gefolgt, seine Ehefrau habe ihm kurz vor der Tat eröffnet, sie leide an einem bösartigen Unterleibstumor und könne die Schmerzen nicht mehr ertragen. Sie habe ihn deshalb gebeten, sie zu erschießen. Bei der Obduktion des Tatopfers fand sich lediglich ein gutartiges Myom, wenngleich von beträchtlicher Größe.

Erklärung des Angeklagten zum Tötungs­ver­langen durch Landgericht nur unzureichend geprüft

Der Bundes­ge­richtshof hat das Urteil schon deswegen aufgehoben, weil das Landgericht die Glaubhaftigkeit der erstmals am vierten Tag der Haupt­ver­handlung abgegebenen Erklärung des Angeklagten zum Tötungs­ver­langen seiner Ehefrau nur unzureichend geprüft hat und daher vorschnell davon ausgegangen ist, diese sei nicht zu widerlegen. Der Angeklagte hatte sich bereits im Ermitt­lungs­ver­fahren zu der Tat eingelassen, insbesondere anlässlich der psychiatrischen Untersuchung zur Frage seiner Schuldfähigkeit. Was er dort zum Tatgeschehen, namentlich zum Tatanlass angegeben hat, teilt das landge­richtliche Urteil indes nicht mit, sondern führt lediglich aus, das frühere Einlas­sungs­ver­halten des Angeklagten sei nicht geeignet, die Richtigkeit seiner Einlassung in der Haupt­ver­handlung zu widerlegen. Damit fehlt es aber an der entscheidenden Grundlage für die revisi­ons­rechtliche Prüfung, ob das Landgericht alle maßgeblichen Umstände hinreichend in seine Überzeu­gungs­bildung einbezogen hat, bevor es den Grundsatz "in dubio pro reo" angewendet und seinem Urteil die Erklärung des Angeklagten zugrunde gelegt hat.

Umstände sprechen gegen ernstliches Tötungs­ver­langen der Ehefrau

Hinzu kommt, dass das Landgericht das unmittelbare Tatvorgeschehen nur unzureichend dargestellt, insbesondere den Inhalt einer längeren Diskussion nicht mitgeteilt hat, die nach den Urteils­fest­stel­lungen nach dem Tötungs­ver­langen des Opfers zwischen diesem und dem Angeklagten entstanden war. Der Bundes­ge­richtshof hat sich deswegen nicht in der Lage gesehen zu prüfen, ob das vom Angeklagten behauptete Tötungs­ver­langen überhaupt ernstlich im Sinne der Vorschrift des § 216 Abs. 1 StGB war. An der erforderlichen Ernstlichkeit fehlt es jedenfalls dann, wenn das Tötungs­ver­langen erkennbar nur einer Augen­blicks­s­timmung entspringt und ihm daher keine tiefere Reflexion des Tatopfers über seinen Todeswunsch zugrunde liegt. Hier lagen Umstände vor, die gegen ein ernstliches Tötungs­ver­langen sprachen. So ist der Ehefrau des Angeklagten nach den Urteils­fest­stel­lungen jedenfalls geraume Zeit vor der Tat ihre Erkrankung bewusst geworden, was sie aber nicht gehindert hatte, Unternehmungen für den bevorstehenden Sommer zu planen sowie Vorbereitungen für die am Tattag beginnende Renovierung des gemeinsamen Hauses zu treffen. In der Nacht zuvor war sie bis etwa 01.00 Uhr zudem ihren gewohnten Freizeit­be­schäf­ti­gungen am Computer nachgegangen. Vor diesem Hintergrund kann die Ernstlichkeit ihres Todeswunsches nicht ohne Kenntnis des näheren Inhalts ihres Gesprächs mit dem Angeklagten vor der Tat festgestellt werden.

Sache muss vor dem Landgericht neu verhandelt werden

Die Sache muss daher nochmals verhandelt werden. Der Bundes­ge­richtshof hat das Verfahren hierzu an das Landgerichts zurückverwiesen.

§ 216 des Straf­ge­setzbuchs – Tötung auf Verlangen – lautet:

(1) Ist jemand durch das ausdrückliche und ernstliche Verlangen des Getöteten zur Tötung bestimmt worden, so ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(2) Der Versuch ist strafbar.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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