Bundesgerichtshof Beschluss05.04.2022
Fall der notwendigen Verteidigung gebietet für sich genommen keine PflichtverteidigerbestellungErforderlichkeit der Pflichtverteidigerbestellung wegen Unmöglichkeit der Verteidigung richtet sich nach individueller Schutzbedürftigkeit des Beschuldigten
Ein Fall der notwendigen Verteidigung nach § 140 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 StPO gebietet für sich genommen keine Pflichtverteidigerbestellung nach § 141 Abs. 2 Nr. 3 StPO. Die Erforderlichkeit der Pflichtverteidigerbestellung bei Unmöglichkeit des Beschuldigten zur Eigenverteidigung richtet sich nach seiner individuellen Schutzbedürftigkeit. Dies hat der Bundesgerichtshof entschieden.
In dem zugrunde liegenden Fall hatte der Bundesgerichtshof in einem Fall aus dem Jahr 2022 unter anderem darüber zu entscheiden, ob es zulässig war, einem Beschuldigten für eine polizeiliche Vernehmung keinen Pflichtverteidiger zu bestellen. Der Beschuldigte war der deutschen Sprache nicht mächtig. Ihm wurde Beihilfe zu einem Kriegsverbrechen, Beihilfe zum Mord und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen.
Unterlassene Pflichtverteidigerbestellung nicht zu beanstanden
Der Bundesgerichtshof beanstandete die unterlassene Pflichtverteidigerbestellung nicht. Ein Fall der notwendigen Verteidigung im Sinne des § 140 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StPO gebiete für sich genommen nicht eine Pflichtverteidigerbestellung nach § 141 Abs. 2 Nr. 3 StPO. Für die Frage, ob die sofortige Bestellung eines Pflichtverteidigers erforderlich ist, weil ersichtlich ist, dass der Beschuldigte sich selbst nicht verteidigen kann, sei maßgeblich auf dessen individuelle Schutzbedürftigkeit abzustellen.
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Individuelle Schutzbedürftigkeit Maßstab für Notwendigkeit der Pflichtverteidigerbestellung
Fehlende Sprachkenntnisse begründen für sich genommen nicht die Notwendigkeit einer Verteidigerbestellung, so der Bundesgerichtshof. Denn ein der deutschen Sprache nicht mächtiger Beschuldigter könne gemäß § 187 Abs. 1 Satz 2 GVG für das gesamte Strafverfahren die kostenlose Hinzuziehung eines Dolmetschers oder Übersetzers beanspruchen. Auch aus der Bedeutung einer Beschuldigtenvernehmung für das weitere Verfahren ergebe sich im Allgemeinen nicht die Unfähigkeit zur eigenen Verteidigung. Ebenso unerheblich sei grundsätzlich die Schwere der Tatvorwürfe oder Schwierigkeiten bei der Beweiswürdigung.
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Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (vt/rb)