03.12.2024
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Dokument-Nr. 8899

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Bundesgerichtshof Urteil08.12.2009

BGH: Handel mit Grundstoff für "liquid ecstasy" zu Konsumzwecken nach Arznei­mit­tel­gesetz strafbarGamma-Butyrolacton ist als Arzneimittel im Sinne des Arznei­mit­tel­ge­setzes anzusehen

Wer mit der chemischen Substanz Gamma-Butyrolacton (GBL) – einem der Grundstoffe zur Herstellung von "liquid ecstasy" – handelt, macht sich wegen unerlaubten Inver­kehr­bringens bedenklicher Arzneimittel strafbar. Bei GBL handelt es sich – sowohl nach der alten als auch nach der neuen, seit dem 23. Juli 2009 geltenden Gesetzesfassung – um ein Arzneimittel im Sinne des Arznei­mit­tel­ge­setzes. Dies entschied der Bundes­ge­richtshof.

Nach den landge­richt­lichen Feststellungen wird GBL, von dem jährlich allein in Deutschland etwa 50.000 Tonnen industriell hergestellt werden, hauptsächlich in der chemischen Industrie verwendet, etwa als Ausgangsstoff für chemische Synthesen oder als Wirkstoff in Reinigungs- und Lösungsmitteln. GBL kann daneben aber auch als Droge konsumiert werden. In geringen Dosen führt es zu Rauschzuständen. Insoweit hat sich bereits ein gewisser Markt an Konsumenten gebildet. Bei Überdosierungen oder in Verbindung mit Alkohol kann die Einnahme von GBL zu schweren Gesund­heits­be­ein­träch­ti­gungen führen. So kann es zu Krämpfen, Brechreiz und komatösen Zuständen kommen, aber auch einen Atemstillstand oder sogar Herz- oder Kreis­lauf­versagen zur Folge haben. Nachdem GBL aus dem Anwen­dungs­bereich des BtMG herausgenommen worden war, hat sich die chemische Industrie wegen der Missbrauchs­ge­fahren einer freiwilligen Selbstkontrolle unterworfen, dem sog. Monitoring, mit der Folge, dass der Verkauf der Substanz an private Abnehmer erheblichen Beschränkungen unterliegt. Die Angeklagten, die das von ihnen über das Internet vertriebene GBL im Chemi­e­groß­handel erwarben, hielten sich nicht an diese Verkaufs­be­schrän­kungen. Nach den landge­richt­lichen Feststellungen wollten sie das GBL an Privatabnehmer verkaufen, die die Absicht hatten, das GBL als Droge zu verwenden. Auf ihren Internetseiten warben sie deshalb mit einem "Verkauf an Privat/kein Monitoring". Um den tatsächlichen Verwen­dungszweck des GBL als Droge zu verschleiern, boten die Angeklagten es als "wheel-cleaner" oder "glue-remover" an. Im Tatzeitraum von März 2005 bis Februar 2007 erhielten die Angeklagten insgesamt acht Lieferungen des Stoffes in einer Gesamtmenge von 5699 Litern, die sie bis auf wenige hundert Liter an ihre Kunden zum Konsum abgaben. Sie erzielten hierbei einen Erlös von etwa 564.000,- Euro. Durch die Einnahme des von den Angeklagten vertriebenen GBL kam es bei einigen Konsumenten, die zum Teil noch minderjährig waren, zu beträchtlichen Gesund­heits­be­ein­träch­ti­gungen wie Bewusst­seins­verlust, Schwin­del­ge­fühlen, Erbrechen oder schwerer Abhängigkeit.

LG: Durch subjektive Zweckbestimmung ist Gamma-Butyrolacton ausnahmsweise als Arzneimittel anzusehen

Das Landgericht ist bei seiner rechtlichen Bewertung davon ausgegangen, dass GBL zwar nach der Verkehrs­an­schauung wegen seiner hauptsächlichen Verwendung in der chemischen Industrie kein Arzneimittel darstelle. Im vorliegenden Fall sei aber ausnahmsweise auf die subjektive Zweckbestimmung durch die Angeklagten abzustellen, weil das Mittel für mehrere Verwen­dungs­zwecke geeignet sei und die Angeklagten es zu Konsumzwecken abgegeben hätten, so dass GBL vorliegend dennoch ein Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 5 AMG in der bis 22. Juli 2009 geltenden Fassung sei.

BGH: Gamma-Butyrolacton auch nach Verkehrs­an­schauung Arzneimittel nach dem Arznei­mit­tel­gesetz

Der Bundes­ge­richtshof hat diese Auffassung nur insoweit bestätigt, als es sich bei GBL um ein Arzneimittel im Sinne des Arznei­mit­tel­ge­setzes handelt. Der Auffassung des Landgerichts, wonach sich lediglich aus der subjektiven Zweckbestimmung durch die Angeklagten die Arznei­mit­te­lei­gen­schaft des Mittels ergebe, ist das Gericht dagegen nicht gefolgt. Ausschlaggebend hierfür war, dass aufgrund der Rechtsprechung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts zum Arznei­mit­tel­begriff die subjektive Zweckbestimmung eines Mittels nur zur Beschränkung, aber nicht zur Begründung einer Strafbarkeit herangezogen werden darf. In den Fällen, in denen nach der Verkehrs­an­schauung objektiv kein Arzneimittel vorliegt, kann die Arznei­mit­te­lei­gen­schaft daher auch nicht durch einen Rückgriff auf eine subjektive Zweckbestimmung durch den Hersteller oder denjenigen, der das Mittel in Verkehr gebracht hat, begründet werden. Die insoweit fehlerhafte Bewertung durch das Landgericht hat dennoch nicht zur Urteil­s­auf­hebung geführt. Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass es sich bei GBL auch nach der Verkehrs­an­schauung um ein Arzneimittel nach dem AMG handelt. Maßgeblich hierfür waren unter anderem die pharma­ko­lo­gische Wirkung von GBL sowie der Umstand, dass die Verwen­dungs­mög­lich­keiten als Droge – insbesondere aufgrund von Beiträgen im Internet – in der Öffentlichkeit bekannt sind und dass sich dementsprechend schon ein Markt an Konsumenten gebildet hat. Das Gericht hat in seiner Entscheidung zudem klargestellt, dass sich an dieser Rechtslage auch durch die Neufassung des Arznei­mit­tel­ge­setzes nichts geändert hat und die Abgabe von GBL zu Konsumzwecken auch weiterhin strafbar ist.

§ 2 AMG - Arznei­mit­tel­begriff (in der bis 22. Juli 2009 geltenden Fassung)

(1) Arzneimittel sind Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die dazu bestimmt sind, durch Anwendung am oder im menschlichen oder tierischen Körper (…)

5. die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktionen des Körpers oder seelische Zustände zu beeinflussen. (…)

§ 2 AMG - Arznei­mit­tel­begriff (in der seit 23. Juli 2009 geltenden Fassung)

(1) Arzneimittel sind Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, (…)

2. die im oder am menschlichen oder tierischen Körper angewendet oder einem Menschen oder einem Tier verabreicht werden können, um entweder

a) die physiologischen Funktionen durch eine pharma­ko­lo­gische, immunologische oder metabolische Wirkung wieder­her­zu­stellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen (…).

§ 5 AMG - Verbot bedenklicher Arzneimittel

(1) Es ist verboten, bedenkliche Arzneimittel in den Verkehr zu bringen oder bei einem anderen Menschen anzuwenden.

(2) Bedenklich sind Arzneimittel, bei denen nach dem jeweiligen Stand der wissen­schaft­lichen Erkenntnisse der begründete Verdacht besteht, dass sie bei bestim­mungs­gemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen haben, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen.

Quelle: ra-online, BGH

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