21.11.2024
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Dokument-Nr. 6134

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Urteil30.05.2008Bundesgerichtshof1 StR 166/07
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • NJW-Spezial 2008, 440Zeitschrift: NJW-Spezial, Jahrgang: 2008, Seite: 440
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Vorinstanz:
  • Landgericht Mannheim, Urteil14.06.2006, 22 KLs 605 Js 27831/04
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Bundesgerichtshof Urteil30.05.2008

BGH entscheidet zur Strafbarkeit falscher Gewinn­mit­tei­lungen und Geschen­k­ver­sprechen im Versandhandel

Der Bundes­ge­richtshofs hat seine Rechtsprechung zu diesem Straftatbestand "Strafbare Werbung" (§ 16 UWG) präzisiert. Er hat erstmals entschieden, dass auch dann ein einheitliches Gesamtangebot vorliegt, wenn die Entscheidung der Empfänger für die Warenbestellung von den Gewinn­mit­tei­lungen unter wirtschaft­lichen Gesichtspunkten beeinflusst werden soll (wirtschaft­licher Zusammenhang).

Mit Urteil vom 14. Juni 2006 hat das Landgericht Mannheim drei Angeklagte wegen strafbarer Werbung (§ 16 Abs. 1 UWG) zu Freiheits­s­trafen verurteilt und den Verfall von Wertersatz gegen sie und zwei nebenbeteiligte Gesellschaften angeordnet. Bei zwei anderen neben­be­tei­ligten Gesellschaften hat es von Verfa­ll­s­a­n­ord­nungen abgesehen.

Sachverhalt

Nach den Urteils­fest­stel­lungen waren die Angeklagten für im Versandhandel tätige Unternehmen verantwortlich. Über ein System ausländischer Domizil­ge­sell­schaften veranlassten und organisierten sie die Versendung standa­r­di­sierter Werbesendungen an Verbraucher, die mittels Adress­da­ten­banken personalisiert wurden und daher als persönliche Schreiben gestaltet waren. Die Sendungen, denen jeweils Warenkataloge beigefügt waren, enthielten unwahre und irreführende Gewinnmitteilungen und Geschen­k­ver­sprechen. Die in den Sendungen bezeichneten Gewinne und Geschenke wurden nicht ausgekehrt. Denn die zugesagten Gewinne wurden nicht ausgezahlt; es fanden überhaupt keine Gewinnspiele statt. Die übersandten Geschenke waren nur "wertloser Plunder". Den Angeklagten kam es darauf an, mit den Werbemaßnahmen den Absatz der in den Katalogen angebotenen Waren zu fördern; der Kundenstamm bestand vorwiegend aus älteren Personen mit geringem Bildungsniveau.

Das Urteil war mit Revisionen sowohl der Angeklagten und zweier neben­be­tei­ligter Gesellschaften als auch der Staats­an­walt­schaft angegriffen worden.

BGH entwickelt Rechtsprechung zu § 16 UWG weiter

Der 1. Strafsenat des Bundes­ge­richtshofs hat die Verurteilung wegen strafbarer Werbung bestätigt und die Rechtsprechung zu diesem Straftatbestand präzisiert. Er hat dabei auch die Beurteilung des Landgerichts als zutreffend erachtet, dass die Angeklagten in der "Absicht" handelten, "den Anschein eines besonders günstigen Angebots hervorzurufen". Dieses subjektive Tatbe­stands­merkmal war gegeben, auch wenn sich die unwahren und irreführenden Angaben nicht unmittelbar auf die Katalogwaren, sondern auf die Gewinn­mit­tei­lungen und Geschen­k­ver­sprechen bezogen. Denn diese geldwerten Vorteile und die Katalogwaren stellten nach dem – für die rechtliche Bewertung maßgeblichen – Gesamteindruck der Werbesendungen insgesamt ein einheitliches "Angebot" im Sinne von § 16 Abs. 1 UWG dar: Die Geschenke sollte der Empfänger nur erhalten können, wenn er Waren im Mindestwert von 15, € bestellte (rechtlicher Zusammenhang). Der Bundes­ge­richtshof hat insoweit ein vertraglich vereinbartes oder gesetzliches Rückgaberecht für bedeutungslos gehalten. Hinsichtlich der Gewinn­mit­tei­lungen fehlte ein solcher rechtlicher Zusammenhang. Der Bundes­ge­richtshof hat allerdings erstmals entschieden, dass auch dann ein einheitliches Gesamtangebot vorliegt, wenn die Entscheidung der Empfänger für die Warenbestellung von den Gewinn­mit­tei­lungen unter wirtschaft­lichen Gesichtspunkten beeinflusst werden soll (wirtschaft­licher Zusammenhang). Dies war hier nach den Gesamtumständen der Fall. Insbesondere erfolgte die Gestaltung der Werbesendungen in der Weise, dass für den Empfänger der Eindruck entstehen sollte, durch einen Gewinn schon begünstigt worden zu sein; vor diesem Hintergrund erschien auch die Ware günstiger, weil der Kunde für sein Geld vermeintlich mehr erhielt als nur diese.

Der Bundes­ge­richtshof hat den Ausspruch über den Verfall teilweise aufgehoben und teilweise bestätigt. Mit ihren Revisionen beanstandete die Staats­an­walt­schaft insbesondere zu Recht, dass sich das Landgericht – unter unzutreffender Berufung auf ein Urteil des 5. Strafsenats des Bundes­ge­richtshofs vom 2. Dezember 2005 – gehindert sah, in Fallge­stal­tungen der hier gegebenen Art den Verfall über den (Netto)Gewinn hinaus auf den (Brutto)Erlös zu erstrecken. Eine nebenbeteiligte Gesellschaft hatte mit ihrer Revision insoweit Erfolg, als das Landgericht nicht geprüft hatte, ob Kunden Ansprüche aus unerlaubter Handlung gegen die Gesellschaft hatten, die der Anordnung des Verfalls vorgehen.

Auszug aus dem Gesetz:

§ 16 UWG. Strafbare Werbung.

(1) Wer in der Absicht, den Anschein eines besonders günstigen Angebots hervorzurufen, in öffentlichen Bekannt­ma­chungen oder in Mitteilungen, die für einen größeren Kreis von Personen bestimmt sind, durch unwahre Angaben irreführend wirbt, wird mit Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 103/08 des BGH vom 30.05.2008

der Leitsatz

UWG § 16 Abs. 1 nF, § 4 Abs. 1 aF

StGB § 73 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3

StGB § 73 Abs. 1 Satz 2, BGB § 823 Abs. 2

1. Zum Zusammenhang zwischen Werbeaussage und beworbener Ware oder Leistung als Voraussetzung strafbarer Werbung.

2. Werden Kunden mittels strafbarer Werbung zu Waren­be­stel­lungen veranlasst, sind die Kaufpreis­zah­lungen, welche die Kunden dafür an den Täter oder Dritt­be­güns­tigten leisten, von diesem aus den Taten erlangt und unterliegen – unbeschadet vorrangiger Ansprüche von Verletzten – in vollem Umfang dem Verfall.

3. Infolge der strafbaren Werbung können den Bestellern Schaden­s­er­satz­ansprüche aus unerlaubter Handlung jeweils in Höhe des gezahlten Kaufpreises zustehen, die den Verfallsbetrag vermindern.

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