18.10.2024
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Dokument-Nr. 16568

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Bundesfinanzhof Urteil22.04.2013

Verrechnungs­preis­dokumentation ist unions­rechts­konformEingriff in Grundfreiheiten im gemeinsamen Binnenmarkt durch zwingende Gründe des Allge­mein­in­teresses gerechtfertigt

Der Bundesfinanzhof hatte darüber zu entscheiden, ob die Pflicht zu einer so genannten Verrechnungs­preis­dokumentation, der Steuer­pflichtige bei bestimmten grenz­über­schreitenden Vorgängen unterworfen sind, in Einklang mit dem Unionsrecht steht. Er hat dies prinzipiell bejaht.

Nach § 90 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO) hat der Steuer­pflichtige bei Sachverhalten, die Vorgänge mit Auslandsbezug betreffen, über die Art und den Inhalt seiner Geschäfts­be­zie­hungen mit ihm nahestehenden Personen Aufzeichnungen zu erstellen und diese auf Verlangen der Finanzbehörde vorzulegen. Diese Pflichten beziehen sich insbesondere auf die mit den Nahestehenden vereinbarten so genannten Verrech­nungs­preisen. Einzelheiten der Dokumentation regelt die Finanz­ver­waltung in der "Gewin­n­ab­gren­zungs­auf­zeich­nungs­ver­ordnung". Kommt der Steuer­pflichtige den Dokumen­ta­ti­o­ns­pflichten nicht oder nur unvollständig nach, ermöglicht § 162 Abs. 3 AO eine Schätzung der Besteu­e­rungs­grundlagen zu seinem Nachteil. Außerdem erlaubt § 162 Abs. 4 AO für solche Fälle einen "Strafzuschlag" zur festgesetzten Steuer von mindestens 5.000 Euro, bei verspäteter Vorlage der Aufzeichnungen sogar bis zu 1 Mio. Euro. Sachverhalte ohne entsprechenden Auslandsbezug sind von diesen Pflichten, die für die Steuer­pflichtigen erheblichen Aufwand und erhebliche Kosten verursachen, nicht betroffen. Inlands­sach­verhalte und Auslands­sach­verhalte werden also "ungleich" behandelt.

Eingriff in Grundfreiheiten im gemeinsamen Binnenmarkt im Hinblick auf effektive Sachver­halts­auf­klä­rungen nicht verhältnismäßig

Der Bundesfinanzhof sah in dieser Ungleich­be­handlung dennoch keinen Verstoß gegen das Recht der Europäischen Union. Zwar werde in den Schutzbereich danach bestehender Grundfreiheiten im gemeinsamen Binnenmarkt eingegriffen. Doch sei dieser Eingriff durch zwingende Gründe des Allge­mein­in­teresses gerechtfertigt, insbesondere durch das Erfordernis einer wirksamen Steueraufsicht. Der Eingriff sei auch verhältnismäßig, weil ohne die Vorlage einer Verrech­nungs­preis­do­ku­men­tation eine effektive Sachver­halts­auf­klärung nicht möglich sei. Eine solche könne nicht allein mit den Mitteln der zwischen-staatlichen Amtshilfe gewährleistet werden.

Aufforderung zur Vorlage der Dokumentation rechtmäßig

In dem Fall, über den der Bundesfinanzhof konkret zu entscheiden hatte, verlangte das Finanzamt zur Durchführung einer Außenprüfung von einer GmbH die Vorlage einer so genannten Sachverhalts- und Angemes­sen­heits­do­ku­men­tation über die Geschäfts­be­zie­hungen mit einer der GmbH verbundenen luxemburgischen AG. Grund dafür waren Zweifel daran, ob die Geschäfts­be­zie­hungen dem entsprachen, was unter fremden Dritten üblich ist. Der Bundesfinanzhof hielt die Aufforderung zur Vorlage der Dokumentation für rechtmäßig, weil sich die Verrech­nungs­preise andernfalls nicht verlässlich überprüfen ließen.

Urteil auch im Hinblick auf "Steuerflucht" in so genannte Steueroasen von Bedeutung

Dem Urteil kommt nicht zuletzt vor dem Hintergrund der derzeitigen Diskussion im politischen Raum über die "Steuerflucht" in so genannte Steueroasen, auch solche innerhalb der Europäischen Union, beträchtliche Bedeutung zu. Allerdings lässt der Bundesfinanzhof ausdrücklich offen, ob einzelne Bestimmungen über die Dokumen­ta­ti­o­nstiefe in der Gewin­n­ab­gren­zungs­auf­zeich­nungs­ver­ordnung nicht doch über das hinausgehen, was zur Sachver­halts­auf­klärung erforderlich ist. Diese Fragen lassen sich nicht im Rahmen der Dokumen­ta­ti­o­ns­an­for­derung beantworten, sondern erst im Klageverfahren gegen einen nachfolgenden Steuerbescheid oder die nachfolgende Festsetzung eines "Strafzuschlags".

Quelle: Bundesfinanzhof/ra-online

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