18.10.2024
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Dokument-Nr. 25983

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Urteil13.12.2016Bundesarbeitsgericht9 AZR 574/15
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • DB 2017, 735Zeitschrift: Der Betrieb (DB), Jahrgang: 2017, Seite: 735
  • MDR 2017, 406Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2017, Seite: 406
  • NJW-Spezial 2017, 210Zeitschrift: NJW-Spezial, Jahrgang: 2017, Seite: 210
  • NZA 2017, 459Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht (NZA), Jahrgang: 2017, Seite: 459
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Bundesarbeitsgericht Urteil13.12.2016

BAG: Ausschluss der Vergütung von Umkleidezeiten durch TarifvertragVergü­tungs­an­spruch trotz tarif­ver­trag­lichen Ausschlusses bei Vorliegen einer Ungleich­be­handlung

Zwar gehört die Zeit für das vom Arbeitgeber angeordnete Umkleiden im Betrieb grundsätzlich zur Arbeitszeit. Jedoch kann durch eine Regelung im Tarifvertrag die Vergütung für die Umkleidezeiten ausgeschlossen werden. Wird die Umkleidezeit aber dennoch für manche Arbeitnehmer vergütet, kann sich daraus ein Verstoß gegen den arbeits­recht­lichen Gleich­behandlungs­grundsatz ergeben, mit der Folge, dass die Vergü­tungs­pflicht für alle von der Umkleide betroffenen Arbeitnehmer gilt. Dies hat das Bundes­arbeits­gericht entschieden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein Unternehmen der Metall- und Elektro­in­dustrie ordnete für Mitarbeiter im Bereich des Warm- und Kaltwalzens von Aluminium das Tragen spezieller Schutz­aus­rüstung an. Die Arbeitskleidung musste vor Aufsuchen des Arbeitsplatzes in einer Umkleide auf dem Betriebsgelände angelegt werden. Mittels einer tarif­ver­trag­lichen Regelung war die Vergütung für die zum An- und Ablegen der Arbeitskleidung erforderliche Zeit sowie die damit verbundenen inner­be­trieb­lichen Wegezeiten ausgeschlossen. Trotz dieser tarif­ver­trag­lichen Regelung vergütete das Unternehmen die Umkleide- und Wegezeiten für die Mitarbeiter, die ihre Arbeit regelmäßig in privater Kleidung verrichten dürfen und nur dann die Schutz­aus­rüstung anlegen mussten, wenn sie einen entsprechenden Arbeitsbereich aufsuchen mussten. Ein Arbeitnehmer, dessen Umkleide- und Wegezeiten nicht vergütet wurden, hielt dies für ungerecht und klagte gegen seine Arbeitgeberin auf Vergütung der Zeiten.

Arbeitsgericht wies Klage ab, Landes­a­r­beits­gericht gab ihr statt

Während das Arbeitsgericht Hamburg die Klage abwies, gab ihr das Landes­a­r­beits­gericht Hamburg statt. Die Regelung des Tarifvertrags, wonach die Vergütung der Umkleidezeit ausgeschlossen ist, sei wegen des Verstoßes gegen § 3 Abs. 3 des Arbeits­schutz­ge­setzes (ArbSchG) unwirksam. Gegen diese Entscheidung richtete sich die Revision der Arbeitgeberin.

Bundes­a­r­beits­gericht bejaht Anspruch auf Vergütung der Umkleidezeiten

Das Bundes­a­r­beits­gericht bestätigte die Entscheidung des Landes­a­r­beits­ge­richts und wies daher die Revision der Arbeitgeberin zurück. Dem Arbeitnehmer stehe ein Anspruch auf Vergütung der Umkleide- und Wegezeiten zu. Zwar sei die Vergütung der als Arbeitszeit zu quali­fi­zie­renden Umkleide- und Wegezeiten durch den Tarifvertrag wirksam ausgeschlossen. Jedoch sei die Arbeitgeberin aus Gründen der Gleich­be­handlung verpflichtet, die Zeiten, die der Arbeitnehmer für das An- und Ablegen der Schutz­aus­rüstung benötige, einschließlich der Wegezeiten zu vergüten.

Vergü­tungs­an­spruch aufgrund Verstoßes gegen Gleich­be­hand­lungs­grundsatz

Indem die Arbeitgeberin Arbeitnehmern, die sich während einer Schicht umkleiden, nicht aber Arbeitnehmern, die sich vor Antritt oder nach Beendigung der Schicht umkleiden, die Umkleidezeiten vergütet, verstoße sie nach Auffassung des Bundes­a­r­beits­ge­richts gegen den arbeits­recht­lichen Gleich­be­hand­lungs­rundsatz. Dies habe zur Folge, dass der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Vergütung der Umkleide- und Wegezeiten habe.

Keine Rechtfertigung der Ungleich­be­handlung

Die Ungleichbehandlung sei auch nicht gerechtfertigt, so das Bundes­a­r­beits­gericht. Soweit die Arbeitnehmerin darauf hinwies, Arbeitnehmer, die sich während der Schicht umkleiden, müssten sonst während der Schicht am Zeiter­fas­sungs­terminal aus- und einstempeln, sei nicht ersichtlich, aus welchen Gründen damit ein organi­sa­to­risches Problem oder eine erhebliche Belastung der betroffenen Arbeitnehmer einhergehen solle.

Keine Unwirksamkeit der tarif­ver­trag­lichen Regelung wegen Verstoßes gegen Arbeits­schutz­gesetz

Die vom Landes­a­r­beits­gericht angenommene Unwirksamkeit der tarif­ver­trag­lichen Regelung wegen des Verstoßes gegen § 3 Abs. 2 ArbSchG sei nach Ansicht des Bundes­a­r­beits­ge­richts unzutreffend. Selbst wenn das An- und Ablegen der Schutz­aus­rüstung zum Arbeitsschutz gehöre, führe die Regelung des Tarifvertrags nicht zu Kosten, die die Arbeitgeberin den Arbeitnehmern auferlege. Denn Auferlegen könne der Arbeitgeber nur Kosten, die ihm zuvor entstanden seien. Dies sei bei Zeiten, die der Arbeitnehmer zum Umkleiden aufwende, aber nicht der Fall.

Quelle: Bundesarbeitsgericht, ra-online (vt/rb)

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