23.11.2024
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Dokument-Nr. 32601

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Bundesarbeitsgericht Urteil01.01.2023

Verjährung bei der Urlaub­s­ab­geltungBAG bestätigt Verjäh­rungsfrist von drei Jahren bei Urlaub­s­ab­geltung

Der gesetzliche Anspruch eines Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, nicht genommenen Urlaub nach der Beendigung des Arbeits­verhältnisses abzugelten, unterliegt der Verjährung. Die dreijährige Verjäh­rungsfrist beginnt in der Regel mit dem Ende des Jahres, in dem der Arbeitnehmer aus dem Arbeits­ver­hältnis ausscheidet. Endete das Arbeits­ver­hältnis vor der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 6. November 2018* und war es dem Arbeitnehmer nicht zumutbar, Klage auf Abgeltung zu erheben, konnte die Verjäh­rungsfrist nicht vor dem Ende des Jahres 2018 beginnen.

Die Beklagte betreibt eine Flugschule. Sie beschäftigte den Kläger seit dem 9. Juni 2010 als Ausbil­dungs­leiter, ohne ihm seinen jährlichen Urlaub von 30 Arbeitstagen zu gewähren. Unter dem 19. Oktober 2015 verständigten sich die Parteien darauf, dass der Kläger in der Folgezeit als selbstständiger Dienstnehmer für die Beklagte tätig werden sollte. Mit der im August 2019 erhobenen Klage verlangte der Kläger u.a. Abgeltung von Urlaub aus seiner Beschäf­ti­gungszeit vor der Vertrag­s­än­derung. Die Beklagte erhob die Einrede der Verjährung. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.

BAG verweist auf Mitwir­kungs­ob­lie­gen­heiten des Arbeitgebers

Die Revision des Klägers hatte insoweit Erfolg, als er die Beklagte auf Abgeltung von Urlaub aus den Jahren 2010 bis 2014 in Höhe von 37.416,50 Euro in Anspruch nimmt. Bezogen auf Urlaubsabgeltung für das Jahr 2015 blieb sie erfolglos. Der Senat hat am 20. Dezember 2022 entschieden, dass Urlaubs­ansprüche verjähren können, die dreijährige Verjährungsfrist jedoch erst am Ende des Kalenderjahres beginnt, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch informiert und ihn im Hinblick auf Verfallfristen aufgefordert hat, den Urlaub tatsächlich zu nehmen. Hat der Arbeitgeber diesen Mitwir­kungs­ob­lie­gen­heiten nicht entsprochen, kann der nicht erfüllte gesetzliche Urlaub aus möglicherweise mehreren Jahren im laufenden Arbeits­ver­hältnis weder nach § 7 Abs. 3 BUrlG verfallen noch nach § 195 BGB verjähren und ist bei Beendigung des Arbeits­ver­hält­nisses nach § 7 Abs. 4 BUrlG abzugelten.

Urlaub­s­ab­gel­tungs­an­spruch unterliegt der Verjährung

Der Urlaub­s­ab­gel­tungs­an­spruch unterliegt seinerseits der Verjährung. Die dreijährige Verjäh­rungsfrist für den Abgel­tungs­an­spruch beginnt in der Regel am Ende des Jahres, in dem das Arbeits­ver­hältnis endet, ohne dass es auf die Erfüllung der Mitwir­kungs­ob­lie­gen­heiten ankommt. Die rechtliche Beendigung des Arbeits­ver­hält­nisses bildet eine Zäsur. Der Urlaub­s­ab­gel­tungs­an­spruch ist anders als der Urlaubsanspruch nicht auf Freistellung von der Arbeits­ver­pflichtung zu Erholungs­zwecken unter Fortzahlung der Vergütung gerichtet, sondern auf dessen finanzielle Kompensation beschränkt. Die strukturell schwächere Stellung des Arbeitnehmers, aus der der EuGH die Schutz­be­dürf­tigkeit des Arbeitnehmers bei der Inanspruchnahme von Urlaub ableitet, endet mit der Beendigung des Arbeits­ver­hält­nisses.

Durchsetzung des Anspruchs auf Abgeltung muss zumutbar sein

Bei einer verfassungs- und unions­rechts­kon­formen Anwendung der Verjäh­rungs­re­ge­lungen kann die Verjäh­rungsfrist nicht beginnen, solange eine Klageerhebung aufgrund einer gegenteiligen höchst­rich­ter­lichen Rechtsprechung nicht zumutbar ist. Von dem Kläger konnte bei Beendigung des Arbeits­ver­hält­nisses am 19. Oktober 2015 nicht erwartet werden, seinen Anspruch auf Abgeltung des bis dahin nicht gewährten Urlaubs aus den Jahren 2010 bis 2014 gerichtlich durchzusetzen. Der Senat ging zu diesem Zeitpunkt noch davon aus, dass Urlaubs­ansprüche mit Ablauf des Urlaubsjahres oder eines zulässigen Übertra­gungs­zeitraums unabhängig von der Erfüllung von Mitwir­kungs­ob­lie­gen­heiten automatisch verfielen. Erst nachdem der EuGH mit Urteil vom 6. November 2018* neue Regeln für den Verfall von Urlaub vorgegeben hatte, war der Kläger gehalten, Abgeltung für die Urlaubsjahre von 2010 bis 2014 gerichtlich geltend zu machen.

Abgel­tungs­an­spruch des Urlaub für 2015 verjährt

Demgegenüber ist der Anspruch des Klägers auf Abgeltung von Urlaub aus dem Jahr 2015 verjährt. Schon auf Grundlage der früheren Rechtsprechung musste der Kläger erkennen, dass die Beklagte Urlaub aus diesem Jahr, in dem das Arbeits­ver­hältnis der Parteien endete, abzugelten hatte. Die dreijährige Verjäh­rungsfrist begann deshalb Ende des Jahres 2015 und endete mit Ablauf des Jahres 2018. Der Kläger hat die Klage erst im Jahr 2019 erhoben.

Quelle: Bundesarbeitsgericht, ra-online (pm/ab)

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