21.11.2024
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Bundesarbeitsgericht Urteil26.04.2022

BAG zur unerlaubten Arbeitnehmer­überlassung mit AuslandsbezugUnerlaubte Arbeitnehmer­überlassung durch Leihfirma aus dem EU-Ausland führt nicht zu einer Übernah­me­pflicht des deutschen Entleihbetriebs

Wird ein Leiha­r­beit­nehmer aus dem Ausland unerlaubt iSv. § 1 AÜG aF ins Inland überlassen, führt die Verletzung der Erlaub­nis­pflicht nicht zur Unwirksamkeit des Leiha­r­beits­vertrags nach § 9 Nr. 1 AÜG aF, wenn das Leih­arbeits­verhältnis dem Recht eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union unterliegt. Die Voraussetzungen eines Arbeit­ge­ber­wechsels nach § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG aF sind in diesem Fall nicht erfüllt.

Die Klägerin ist französische Staats­an­ge­hörige und hat ihren Wohnsitz in Frankreich. Sie wurde von einer Gesellschaft, die ihren Sitz in Frankreich hat, zum 1 . Oktober 2014 als Fachberaterin/Ingenieurin eingestellt. Das Arbeits­ver­hältnis unterliegt kraft Rechtswahl französischem Recht. Vom 1. Oktober 2014 bis zum 30. April 2016 wurde die Klägerin von ihrer Arbeitgeberin, die nicht im Besitz einer Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung nach § 1 AÜG aF war, im Betrieb der Beklagten in Karlsruhe als Technikerin/Beraterin eingesetzt. Nachdem die Klägerin anschließend bei anderen Kunden der Arbeitgeberin tätig war, kündigte diese das Arbeits­ver­hältnis. In einem gerichtlichen Verfahren in Frankreich macht die Klägerin den Fortbestand des Arbeits­ver­hält­nisses geltend.

Fortbestand des Arbeits­ver­hält­nisses mit deutschen Unternehmen begehrt

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin festzustellen, dass sie zur Beklagten seit dem 1. Oktober 2014 in einem Arbeits­ver­hältnis steht, und verlangt außerdem Differenz- , Überstunden- und Annah­me­ver­zugs­ver­gütung. Sie hat im Wesentlichen die Auffassung vertreten, zwischen den Parteien sei gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG aF zum 1. Oktober 2014 ein unbefristetes Arbeits­ver­hältnis zustande gekommen. Sie sei der Beklagten zur Arbeitsleistung überlassen worden. Der Arbeitsvertrag mit ihrer Arbeitgeberin sei, obwohl für das Arbeits­ver­hältnis französisches Recht gelte, in Deutschland infolge der unerlaubten Überlassung nach § 9 Nr. 1 AÜG aF unwirksam. Bei der Bestimmung handele es sich um eine Eingriffsnorm iSv. Art. 9 Abs. 1 der Rom I - VO, die unabhängig von der von den Arbeits­ver­trags­parteien getroffenen Rechtswahl gelte. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landes­a­r­beits­gericht hat der Klage über- wiegend stattgegeben. D

Kein Vorrang des § 9 Nr. 1 AÜG bei Anwendung des Rechts anderer EU-Mitgliedstaaten

Die Revision der Beklagten hatte vor dem Neunten Senat des Bundes­a­r­beits­ge­richts Erfolg. Die Feststellungs- und Zahlungsklage ist unbegründet, weil zwischen den Parteien kein Arbeits­ver­hältnis zustande gekommen ist . Die Voraussetzungen von § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG aF sind nicht erfüllt, selbst wenn die Klägerin der Beklagten als Leiha­r­beit­nehmerin überlassen worden sein sollte. Die Begründung eines Arbeits­ver­hält­nisses zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher kraft Gesetzes gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG aF setzt voraus, dass der zwischen Verleiher und Leiha­r­beit­nehmer geschlossene Leiha­r­beits­vertrag infolge einer iSv. § 1 AÜG aF unerlaubten Arbeit­neh­mer­über­lassung nach § 9 Nr. 1 AÜG aF unwirksam ist. Unterliegt das Leiha­r­beits­ver­hältnis dem Recht eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union, ordnen weder § 2 Nr. 4 AEntG aF noch das AÜG an, dass § 9 Nr. 1 AÜG aF gegenüber diesem Recht vorrangig gelten soll.

§ 2 Nr. 4 AEntG betrifft nicht den Bestand des Leiha­r­beits­ver­hält­nisses

Soweit § 2 Nr. 4 AEntG aF - in Umsetzung von Art. 3 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 96/71/EG aF - regelt, dass die "Bedingungen für die Überlassung von Arbeitskräften, insbesondere durch Leiha­r­beits­un­ter­nehmen" zwischen einem im Ausland ansässigen Arbeitgeber und seinen im Inland beschäftigten Arbeitnehmern und Arbeit­neh­me­rinnen zwingend anzuwenden sind, bezieht sich dies auf Rechts - und Verwal­tungs­vor­schriften des nationalen Rechts, die Arbeits- und Beschäf­ti­gungs­be­din­gungen von Leiha­r­beit­nehmern regeln, sowie auf die im Inland geltenden gewerbe- , vermittlungs- und erlaub­nis­recht­lichen Voraussetzungen der Arbeit­neh­mer­über­lassung. § 2 Nr. 4 AEntG aF ordnet nicht die Geltung von Bestimmungen an, die - wie § 9 Nr. 1 und § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG aF - den Bestand des Leiha­r­beits­ver­hält­nisses betreffen.

§ 9 Nr. 1 AÜG aF auch keine Eingriffsnorm

§ 9 Nr. 1 AÜG aF ist auch keine Eingriffsnorm iSv. Art. 9 Abs. 1 Rom I - VO. Das Arbeit­neh­mer­über­las­sungs­gesetz gewährt Leiha­r­beit­nehmern, die von ihren Arbeitgebern aus einem anderen Mitgliedstaat der europäischen Union ins Inland überlassen werden, keinen Schutz, der über den hinausgeht, der durch § 2 AEntG aF gewährleistet wird. Das öffentliche Interesse an der Einhaltung von § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG aF wird gesichert, indem § 16 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 AÜG aF die Verletzung der Erlaubnispflicht als Ordnungs­wid­rigkeit ahnden .

Quelle: Bundesarbeitsgericht, ra-online (pm/cc)

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