18.10.2024
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Bundesarbeitsgericht Urteil29.04.2021

Keine Einladung zum Vorstellungs­gespräch trotz Schwer­be­hin­derung wegen Nichterreichens einer Mindestnote in StellenprofilLAG muss konsequente Anwendung des Auswahl­kri­teriums prüfen

Das BAG hatte über den Anspruch eines schwer­be­hin­derten Stellen­be­werbers, der wegen Nichterreichens der geforderten Mindestnote im Stellenprofil nicht zu einem Vorstellungs­gespräch eingeladen worden war, auf Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleich­behandlungs­gesetz (AGG) wegen Benachteiligung aufgrund seiner Schwer­behinderten­eigenschaft zu entscheiden.

Im Sommer 2018 schrieb die Beklagte für eine Beschäftigung im Bundesamt für Verfassungs-schutz mehrere Stellen als Referenten/Referentinnen aus. In der Stelle­n­aus­schreibung heißt es u.a.: „Sie verfügen über ein wissen­schaft­liches Hochschul­studium ... der Politik-, Geschichts- oder Verwal­tungs­wis­sen­schaften … mit mindestens der Note ‚gut‘. Der Kläger, der sein Studium der Fächer Politik­wis­sen­schaften, Philosophie und Deutsche Philologie mit der Note „befriedigend“ abgeschlossen hat, bewarb sich innerhalb der Bewerbungsfrist unter Angabe seiner Schwerbehinderung. Er wurde nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen und erhielt mit E-Mail der Beklagten vom 17. Juli 2018 die Mitteilung, dass er nicht in die engere Auswahl einbezogen worden sei.

Formale Kriterien der Stelle­n­aus­schreibung nicht erfüllt

Auf seine außer­ge­richtliche Geltendmachung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG teilte die Beklagte dem Kläger mit, er erfülle, da er sein Studium mit der Note „befriedigend“ abgeschlossen habe, nicht die formalen Kriterien der Stelle­n­aus­schreibung und habe deshalb nach § 165 Satz 4 SGB IX nicht zum Vorstel­lungs­ge­spräch eingeladen werden müssen. Mit seiner Klage hat der Kläger seinen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung weiterverfolgt. Er hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe ihn den Vorgaben des SGB IX und des AGG zuwider wegen seiner Schwer­be­hin­derung benachteiligt. Dies folge daraus, dass die Beklagte ihn entgegen § 165 Satz 3 SGB IX nicht zu einem Vorstel­lungs­ge­spräch eingeladen habe.

Ausschluss­kri­terium nicht während des gesamten Auswahl­ver­fahrens beachtet

Er sei auch fachlich für die Stelle geeignet gewesen. Die in § 165 Satz 4 SGB IX zugelassene Ausnahme von der Einla­dungs­pflicht gegenüber schwer­be­hin­derten Stellen­be­werbern sei eng auszulegen. Damit sei es unvereinbar, die Abschlussnote eines Studiums als Ausschluss­kri­terium anzusehen. Die Beklagte habe dieses Kriterium auch nicht während des gesamten Auswahl­ver­fahrens beachtet. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.

BAG bejahrt fehlende Eignung

Die Revision des Klägers hatte vor dem Achten Senat des Bundes­a­r­beits­ge­richts Erfolg. Mit der vom Landes­a­r­beits­gericht gegebenen Begründung durfte die Klage nicht abgewiesen werden. Zwar hat das Landes­a­r­beits­gericht zutreffend angenommen, dass die Beklagte berechtigt war, in der Stelle­n­aus­schreibung für den von ihr geforderten Hochschul­ab­schluss die Mindestnote „gut“ als zwingendes Auswahlkriterium zu bestimmen und dass dem Kläger angesichts dessen die fachliche Eignung für die ausge­schriebenen Stellen offensichtlich fehlte.

Zurückweisung an Vorinstanz

Allerdings hat das Landes­a­r­beits­gericht nicht geprüft, ob die Beklagte auch niemand anderen, der das geforderte Hochschul­studium nicht mit der Mindestnote „gut“ abgeschlossen hatte, zum Vorstel­lungs­ge­spräch eingeladen bzw. eingestellt hat. Aufgrund der bislang vom Landes­a­r­beits­gericht getroffenen Feststellungen konnte der Senat nicht entscheiden, ob die Beklagte, die insoweit die Darlegungs- und Beweislast trifft, die Anforderung eines bestimmten, mit der Mindestnote „gut“ abgeschlossenen Hochschul­studiums im Auswahl-/Stellenbe-setzungs­ver­fahren konsequent angewendet hat. Dies führte zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurück­ver­weisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landes­a­r­beits­gericht.

Quelle: Bundesarbeitsgericht, ra-online (pm/ab)

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