18.10.2024
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Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.

Dokument-Nr. 23210

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Urteil20.01.2016Bundesarbeitsgericht8 AZR 194/14
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • NJW-Spezial 2016, 371Zeitschrift: NJW-Spezial, Jahrgang: 2016, Seite: 371
  • NZA 2016, 681Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht (NZA), Jahrgang: 2016, Seite: 681
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Vorinstanzen:
  • Arbeitsgericht Saarbrücken, Urteil09.08.2012, 2 Ca 258/11
  • Landesarbeitsgericht Saarland, Urteil08.01.2014, 1 Sa 61/12
ergänzende Informationen

Bundesarbeitsgericht Urteil20.01.2016

Kein Anspruch auf Entschädigung bei Nichteinladung eines schwer­be­hin­derten Bewerbers zum Vor­stellungs­gespräch aufgrund Überqua­li­fi­zierungFehlende Einladung zum Vor­stellungs­gespräch sowie fehlende Unterrichtung der Schwer­behinderten­vertretung sprechen für Diskriminierung

Wird ein schwer­be­hin­derter Bewerber nicht zum Vor­stellungs­gespräch eingeladen und wird zudem die Schwer­behinderten­vertretung nicht von der Bewerbung unterrichtet, so spricht dies zwar für eine Diskriminierung aufgrund der Behinderung. Diese Vermutung wird aber dann widerlegt, wenn die Nichteinladung zum Bewer­bungs­ge­spräch auf die Überqua­li­fi­zierung des schwer­be­hin­derten Bewerbers beruht. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundes­a­r­beits­ge­richts hervor.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein schwer­be­hin­derter Diplom-Kaufmann bewarb sich im August 2010 auf eine vom Land Saarland ausge­schriebenen Stelle. Im November 2010 wurde ihm mitgeteilt, dass ein anderer Bewerber die Stelle bekam. Da der schwer­be­hinderte Bewerber nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen wurde, vertrat er die Ansicht, dass er wegen seiner Behinderung diskriminiert worden sei. Er klagte daher auf Zahlung einer Entschädigung.

Arbeitsgericht und Landes­a­r­beits­gericht wiesen Entschä­di­gungsklage ab

Sowohl das Arbeitsgericht Saarbrücken als auch das Landes­a­r­beits­gericht Saarland wiesen die Entschä­di­gungsklage ab. Die Beweisaufnahme habe gezeigt, dass die Nicht­be­rück­sich­tigung des Klägers mit dessen Schwerbehinderung nichts zu tun gehabt habe, sondern mit dessen Überqualifizierung für die ausgeschriebene Stelle. Gegen diese Entscheidung legte der Kläger Revision ein.

Bundes­a­r­beits­gericht verneint ebenfalls Entschä­di­gungs­an­spruch

Das Bundes­a­r­beits­gericht bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz und wies daher die Revision des Klägers zurück. Ihm habe kein Anspruch auf eine Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 des Allgemeinen Gleich­be­hand­lungs­ge­setzes zugestanden.

Indizien sprechen für Diskriminierung aufgrund Schwer­be­hin­derung

Zwar sei der Kläger dadurch benachteiligt worden, so das Bundes­a­r­beits­gericht, dass er nicht zu einem Vorstel­lungs­ge­spräch eingeladen und damit vorab aus dem Auswahl­ver­fahren ausgeschieden wurde. Zudem sprechen einige Indizien dafür, dass der Kläger aufgrund seiner Schwer­be­hin­derung benachteiligt worden sei. So sei der Kläger entgegen § 82 Satz 2 SGB IX nicht zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen worden. Diese Pflicht­ver­letzung sei grundsätzlich geeignet, den Anschein zu erwecken, an der Beschäftigung schwer­be­hin­derter Menschen uninteressiert zu sein. Ein weiteres Indiz sei darin zu sehen gewesen, dass die Schwerbehindertenvertretung entgegen § 81 Abs. 1 Satz 4, § 95 Abs. 2 SGB IX nicht über die Bewerbung unterrichtet wurde. In diesem Zusammenhang sei es unerheblich, dass die fehlende Unterrichtung auf eine Vereinbarung zwischen der Schwer­be­hin­der­ten­ver­tretung und des Saarlandes beruht habe. Denn nur der schwer­be­hinderte Bewerber könne auf eine Beteiligung der Schwer­be­hin­der­ten­ver­tretung verzichten (vgl. § 81 Abs. 1 Satz 10 SGB IX).

Widerlegung der vermuteten Benachteiligung wegen Behinderung aufgrund Überqua­li­fi­zierung

Das Saarland habe jedoch, nach Auffassung des Bundes­a­r­beits­ge­richts, die vermutete Benachteiligung wegen der Behinderung widerlegen können. Denn das Saarland habe den Kläger ausschließlich aufgrund perso­na­l­po­li­tischer Erwägungen, die nicht die fachliche Eignung des Klägers betroffen haben, in dem Auswahl­ver­fahren nicht berücksichtigt. Das Saarland schließe nämlich überqua­li­fi­zierte Bewerber von vornherein von der Auswahl aus. Dadurch solle der Gefahr einer Frustration wegen mangelnder Auslastung des Bewerbers sowie der Gefahr von Rangord­nungs­kämpfen zwischen den Beschäftigten und einem besser qualifizierten Neuen vorgebeugt werden.

Quelle: Bundesarbeitsgericht, ra-online (vt/rb)

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