18.10.2024
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Sie sehen ein Justizia-Figur und im Hintergrund einen Mann am Telefon.

Dokument-Nr. 31842

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Bundesarbeitsgericht Urteil02.06.2022

Bundes­arbeits­gericht zur Darle­gungs­pflicht für eine Entschädigung gemäß dem Allgemeinen Gleich­behandlungs­gesetz (AGG)Kein Anspruch auf Entschädigung nach AGG

Der Verstoß des Arbeitgebers gegen Vorschriften, die Verfahrens- und/oder Förderpflichten zugunsten schwer­be­hin­derter Menschen enthalten, kann die - vom Arbeitgeber widerlegbare - Vermutung iSv. § 22 AGG begründen, dass die Benachteiligung, die der schwer­be­hinderte Mensch erfahren hat, wegen der Schwer­be­hin­derung erfolgte. Zu diesen Vorschriften gehört § 168 SGB IX, wonach die Kündigung des Arbeits­verhältnisses eines schwer­be­hin­derten Menschen durch den Arbeitgeber der vorherigen Zustimmung des Integra­ti­o­nsamts bedarf. Dies hat das Bundes­arbeits­gericht entschieden.

Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG wegen einer Benachteiligung wegen der (Schwer)Behinderung zu zahlen. Der Kläger war bei dem Beklagten als Hausmeister beschäftigt. Er wurde auf der Grundlage eines zwischen dem Beklagten und der Stadt L. geschlossenen "Vertrags über eine Perso­nal­ge­stellung" mit Hausmeis­ter­leis­tungen an einer Grundschule beschäftigt. Seit dem 11. Februar 2018 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Hierüber wurden Mitarbeiter des Beklagten am 12. Februar 2018 durch die spätere vorläufige Betreuerin des Klägers telefonisch in Kenntnis gesetzt. Mit Schreiben vom 14. Februar 2018 kündigte die Stadt L. den o.g. "Vertrag über eine Perso­nal­ge­stellung". Ende März/Anfang April 2018 kündigte der Beklagte das mit dem Kläger bestehende Arbeits­ver­hältnis unter Hinweis darauf, dass der Vertrag zwischen ihm und der Stadt L. ende. Der Kläger wandte sich mit einer Kündi­gungs­schutzklage gegen die Kündigung seines Arbeits­ver­hält­nisses; das Verfahren wurde durch einen Vergleich vor dem Arbeitsgericht erledigt.

Entschädigung wegen offenkundiger Schwer­be­hin­derung zum Zeitpunkt der Kündigung begehrt

Seine auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG gerichtete Klage stützt der Kläger darauf, der Beklagte habe ihn wegen seiner (Schwer)Behinderung benachteiligt. Dies ergebe sich u.a. daraus, dass der Beklagte bei der Kündigung des Arbeits­ver­hält­nisses gegen Vorschriften verstoßen habe, die Verfahrens- bzw. Förderpflichten zugunsten schwer­be­hin­derter Menschen enthielten. Insbesondere habe er nicht ohne vorherige Zustimmung des Integra­ti­o­nsamts kündigen dürfen. Zwar habe zum Kündi­gungs­zeitpunkt noch kein Nachweis seiner Schwerbehinderung durch eine behördliche Feststellung vorgelegen, auch sei ein Antrag auf Anerkennung als schwer­be­hin­derter Mensch noch nicht gestellt gewesen, allerdings sei seine Schwer­be­hin­derung zum Zeitpunkt der Kündigung offenkundig gewesen. Er habe am 11. Februar 2018 einen Schlaganfall erlitten und mit halbseitiger Lähmung auf der Intensivstation gelegen. Dies sei dem Beklagten am 12. Februar 2018 mitgeteilt worden. Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.

Im Zeitpunkt der Kündigung Schwer­be­hin­derung nicht offenkundig

Die Revision des Klägers hatte vor dem Bundes­a­r­beits­gericht keinen Erfolg. Der Kläger hat - wie das Landes­a­r­beits­gericht zutreffend angenommen hat - keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG. Der Kläger, der durch die Kündigung seines Arbeits­ver­hält­nisses eine unmittelbare Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 1 AGG erfahren hat, hat nicht dargelegt, dass die Benachteiligung wegen seiner (Schwer)Behinderung erfolgte. Zwar kann der Verstoß des Arbeitgebers gegen § 168 SGB IX im Einzelfall die - vom Arbeitgeber widerlegbare - Vermutung iSv. § 22 AGG begründen, dass die Schwer­be­hin­derung (mit)ursächlich für die Benachteiligung war. Allerdings hat der Kläger einen Verstoß des Beklagten gegen diese Bestimmung nicht schlüssig dargetan. Selbst wenn es zutreffen sollte, dass der Kläger am 11. Februar 2018 einen Schlaganfall erlitten und noch am 12. Februar 2018 mit halbseitiger Lähmung auf der Intensivstation behandelt wurde, lägen keine Umstände vor, nach denen im Zeitpunkt der Kündigung durch den Beklagten von einer offenkundigen Schwer­be­hin­derung auszugehen war. Auch die Annahme des Landes­a­r­beits­ge­richts, dass der Kläger auch keine anderen Indizien iSv. § 22 AGG für eine Benachteiligung wegen der (Schwer)Behinderung dargetan hat, ist revisi­ons­rechtlich nicht zu beanstanden.

Quelle: Bundesarbeitsgericht, ra-online (pm/ab)

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