15.11.2024
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Dokument-Nr. 23768

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Urteil26.01.2017Bundesarbeitsgericht6 AZR 442/16
Vorinstanz:
  • Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil31.10.2011, 17 Sa 761/11
ergänzende Informationen

Bundesarbeitsgericht Urteil26.01.2017

Arbeitnehmer in Elternzeit dürfen nicht vom Anwen­dungs­bereich des Massen­entlassungs­schutzes ausgenommen werdenBAG zur Benachteiligung von Personen in Elternzeit bei Massen­ent­las­sungen

Das Bundes­arbeits­gericht hat entschieden, dass Massen­ent­las­sungen innerhalb von 30 Kalendertagen nach Maßgabe von § 17 KSchG zu ihrer Wirksamkeit einer vorherigen ordnungsgemäßen Konsultation des Betriebsrats und einer vorherigen ordnungsgemäßen Anzeige an die Agentur für Arbeit bedürfen.

Der durch § 17 KSchG gewährleistete Schutz ist europarechtlich durch die Richtlinie 98/59/EG (Massen­ent­las­sungs­richtlinie) determiniert. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs vom 27. Januar 2005 (Az. C-188/03) ist unter "Entlassung" die Kündi­gungs­er­klärung zu verstehen.

BAG erklärt Kündigung einer Mutter nach Ablauf des 30-Tage-Zeitraums für zulässig

Hiervon ausgehend hielt das Bundes­a­r­beits­gericht die Kündigung gegenüber einer Arbeitnehmerin vom 10. März 2010 für wirksam, die sich zur Zeit der wegen einer Betrie­bs­s­till­legung durchgeführten Massenentlassungen in Elternzeit befand und deren Arbeits­ver­hältnis erst nach Ablauf des Zeitraums von 30 Kalendertagen gekündigt wurde, obwohl sich die Kündigungen der übrigen Arbeits­ver­hältnisse mangels einer ordnungsgemäßen Konsultation des Betriebsrats gemäß § 17 KSchG als unwirksam erwiesen hatten (BAG, Urteil vom 25. April 2013 - 6 AZR 49/12 -).

BVerfG rügt Benachteiligung wegen des Geschlechts und hebt BAG-Urteil auf

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hatte mit Beschluss vom 8. Juni 2016 (Az. 1 BvR 3634/13) dieses Urteil aufgehoben, weil es die Klägerin in ihren Grundrechten aus Art. 3 iVm. Art. 6 GG verletze. Die Klägerin werde unzulässig wegen der von ihr in Anspruch genommenen Elternzeit und wegen ihres Geschlechts benachteiligt, wenn ihr der Schutz vor Massen­ent­las­sungen versagt werde, weil das Abwarten der wegen der Elternzeit notwendigen behördlichen Zustimmung zur Kündigung dazu geführt habe, dass die Kündigung erst nach Ablauf des 30-Tage-Zeitraums erklärt wurde. In diesen Fällen gelte der 30-Tage-Zeitraum auch dann als gewahrt, wenn die Antragstellung auf Zustimmung der zuständigen Behörde zu der Kündigung innerhalb dieses Zeitraums erfolgt sei.

BAG: Arbeits­ver­hältnis wurde nicht durch Kündigung aufgelöst

An diese natio­na­l­rechtliche Erweiterung des Entlas­sungs­be­griffs bei Massen­ent­las­sungen durch das Bundes­ver­fas­sungs­gericht ist das Bundes­a­r­beits­gericht ungeachtet der Probleme gebunden, die unter anderem dann entstehen, wenn die behördliche Zustimmung erst außerhalb der 90-tägigen Freifrist des § 18 Abs. 4 KSchG erteilt wird oder wenn bei einer Arbeitnehmerin in Elternzeit die Kündigung als solche zugleich Teil einer zweiten, § 17 KSchG unterfallenden Welle von Kündigungen ist. Das Bundes­a­r­beits­gericht hat deshalb nun auf die Revision der Klägerin festgestellt, dass das Arbeits­ver­hältnis durch die Kündigung vom 10. März 2010 nicht aufgelöst worden ist.

Quelle: Bundesarbeitsgericht/ra-online

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