Bundesarbeitsgericht Urteil08.03.1995
BAG: Arbeitszeugnisse sind beim Arbeitgeber abzuholenEhemaliger Arbeitnehmer scheitert mit Klage auf Zusendung des Arbeitszeugnisses
Ein Arbeitszeugnis ist grundsätzlich beim Arbeitgeber abzuholen. Denn die Zeugnisschuld ist eine Holschuld. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts hervor.
In dem zu Grunde liegenden Fall verlangte eine ausgeschiedene Mitarbeiterin von ihrem ehemaligen Arbeitgeber die Zusendung ihres Arbeitszeugnisses. Dieser teilte jedoch lediglich mit, dass es angefertigt sei und zur Abholung bereit stehe. Die Mitarbeiterin erhob daraufhin Klage auf Übersendung eines qualifizierten Zeugnisses. Ihrer Meinung nach, sei ihr die Abholung nicht zuzumuten. Das Arbeitsgericht Kassel wies die Klage ab. Auf Berufung der Mitarbeiterin gab das Landesarbeitsgericht Hessen die Klage statt. Dagegen richtete sich die Revision des ehemaligen Arbeitgebers.
Anspruch auf Übersendung des Arbeitszeugnisses bestand nicht
Aus Sicht des Bundesarbeitsgerichts sei der ehemalige Arbeitgeber nicht dazu verpflichtet gewesen, dass erstellte Arbeitszeugnis an die Klägerin zu senden. Denn grundsätzlich seien Arbeitszeugnisse vom Arbeitnehmer abzuholen. Sei weder ein Ort für die Leistung bestimmt noch aus den Umständen ersichtlich, so habe die Leistung am Wohnsitz bzw. an der Niederlassung des Schuldners zu erfolgen (§ 269 BGB). Die Zeugnisschuld sei daher eine Holschuld.
Übersendungspflicht nur ausnahmsweise
Es könne aber durchaus aus Gründen der nachwirkenden Fürsorge eine Pflicht des Arbeitgebers bestehen, so das Bundesarbeitsgericht weiter, das Arbeitszeugnis dem Arbeitnehmer zuzuschicken. So etwa, wenn die Abholung mit unverhältnismäßigen Kosten oder besonderen Mühen verbunden sei, weil zum Beispiel der Arbeitnehmer seinen Wohnsitz an einen weit entfernten Ort verlegt habe.
Abholung war hier nicht unzumutbar
Nach Auffassung der Bundesrichter sei es der Klägerin hier nicht unzumutbar gewesen, das Arbeitszeugnis bei ihrem ehemaligen Arbeitgeber abzuholen oder von einem Bevollmächtigten abholen zu lassen. Für sie sei der Vorgang nicht mit unverhältnismäßigen Aufwand oder Kosten verbunden gewesen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 27.03.2013
Quelle: Bundesarbeitsgericht, ra-online (vt/rb)