21.11.2024
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Dokument-Nr. 29573

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Urteil08.12.2020Bundesarbeitsgericht3 AZR 64/19
Vorinstanz:
  • Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil07.05.2019, 3 Sa 102/17
ergänzende Informationen

Bundesarbeitsgericht Urteil08.12.2020

Keine Anpassung von Versorgungs­regelungen wegen Störung der Geschäfts­grundlageÄnderung von bilanz­recht­lichen Bestimmungen rechtfertigt nicht die Anpassung von Versorgungs­regelungen wegen Störung der Geschäfts­grundlage

Das BAG hat entschieden, dass die Änderung von bilanz­recht­lichen Bestimmungen nicht die Anpassung von Versorgungs­regelungen wegen Störung der Geschäfts­grundlage rechtfertigt.

Der verstorbene Ehemann der Klägerin war bei der Beklagten in leitender Position beschäftigt. Ihm war im Jahr 1976 eine Ruhege­halts­zusage erteilt worden, die auch eine Hinter­blie­be­nen­ver­sorgung umfasste. Diese enthielt eine Anpassungsregel, nach der die Versorgungs-bezüge entsprechend der Entwicklung der maßgeblichen Tarifgehälter anzupassen sind. Die Beklagte gab die jeweiligen tariflichen Gehalt­s­er­hö­hungen bis 2016 an die Klägerin als Bezieherin einer Witwenrente verein­ba­rungsgemäß weiter.

Beklagte setzt Anpassungsregel aus

Im Juli 2016 teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie berufe sich auf die Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB und werde die Anpas­sungs­ver­pflichtung aus der Ruhege­halts­zusage künftig nicht mehr wie bisher erfüllen. Erhöhungen der Witwenrente würden nur noch nach § 16 BetrAVG vorgenommen werden. Grund für die Störung der Geschäfts­grundlage seien erheblich erhöhte Rückstellungen, die sie nach Inkrafttreten des Bilanz­rechts­mo­der­ni­sie­rungs­ge­setzes 2010 (BilMoG) in ihrer Handelsbilanz aufgrund erheblich gestiegener Barwerte der Versor­gungs­zusagen - auch der streit­ge­gen­ständ­lichen Zusage - einzustellen habe.

Klage auf Zahlung der Diffe­renz­beträge erfolgreich

Die Klägerin meint, die Beklagte sei weiterhin uneingeschränkt an die Anpas­sungs­re­gelung in der Ruhegeldzusage gebunden und verlangt von der Beklagten die Zahlung der Diffe­renz­beträge für den Zeitraum Juli 2016 bis März 2017. Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landes­a­r­beits­gericht hat auf die Berufung der Beklagten die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerin hatte vor dem Bundes­a­r­beits­gericht Erfolg.

BAG: Störung der Geschäfts­grundlage hier nicht gegeben

Zwar ist es grundsätzlich möglich, die Anpassung von Versor­gungs­re­ge­lungen auf die Störung der Geschäfts­grundlage (§ 313 BGB) zu stützen. Vorliegend waren die Voraussetzungen hierfür jedoch nicht erfüllt. Geschäfts­grundlage sind die nicht zum eigentlichen Vertragsinhalt erhobenen, bei Vertragsschluss aber zutage getretenen gemeinsamen Vorstellungen beider Vertrags­parteien vom Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt gewisser Umstände, wenn der Geschäftswille der Parteien auf diesen Vorstellungen aufbaut. Dem steht die Vorstellung einer der Parteien gleich, sofern sie für die andere Partei erkennbar war und nicht von ihr beanstandet wurde.

Keine Berechtigung zur Änderung einer Anpas­sungs­re­gelung wegen schlechteren wirtschaft­lichen Verlauf des Geschäftsjahrs

Die Beklagte hat sich nicht auf solche Vorstellungen berufen, sondern die vermeintliche Verteuerung der Witwenrente auf Umstände gestützt, die - unverändert - Inhalt der Versorgungszusage sind. Soweit die Beklagte den Anstieg ihrer bilanziellen Rückstellungen aufgrund angeblich wegen der Änderung des Bilanzrechts gestiegener Barwerte angeführt hat, konnte sie damit ebenfalls nicht durchdringen. Nach der handels­recht­lichen Konzeption handelt es sich bei Rückstellungen im Wesentlichen um ein Instrument der Innen­fi­nan­zierung. Dies hat zwar Auswirkungen auf den bilanziellen Gewinn bzw. Verlust eines Unternehmens. Allerdings berechtigt ein schlechterer wirtschaft­licher Verlauf des Geschäftsjahrs nicht zum Widerruf von laufenden Betriebsrenten und somit auch nicht zur Änderung einer Anpas­sungs­re­gelung.

Wirtschaftliche Notlage berechtigt nicht zum Widerruf von Versor­gungs­zusagen

Denn nicht einmal eine wirtschaftliche Notlage kann nach den gesetzlichen Wertungen des Betrie­bs­ren­ten­ge­setzes einen Widerruf von Versor­gungs­zusagen begründen. In so einem Fall eine Störung der Geschäfts­grundlage anzunehmen, wider-spräche der gesetzlichen Risiko­ver­teilung.

Quelle: Bundesarbeitsgericht, ra-online (pm/ab)

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