18.10.2024
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Dokument-Nr. 31739

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Urteil03.05.2022Bundesarbeitsgericht3 AZR 408/21
Vorinstanz:
  • Landesarbeitsgericht Hessen, Urteil17.02.2021, 6 Sa 480/20
ergänzende Informationen

Bundesarbeitsgericht Urteil03.05.2022

BAG zur Betriebs­renten­anpassung: Kein Verstoß gegen Unions- oder Verfas­sungsrechtRegelungen in § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG und § 30 c Abs. 1a BetrAVG nicht zu beanstanden

Wird die betriebliche Alters­ver­sorgung u.a. über eine Pensionskasse im Sinne von § 1 b Abs. 3 Betriebs­renten­gesetz (BetrAVG) durchgeführt und ist nach den Regelungen der Pensionskasse sichergestellt, dass ab Rentenbeginn sämtliche auf den Rentenbestand entfallenden Überschüsse zur Erhöhung der laufenden Leistungen verwendet werden, entfällt nach § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG die Verpflichtung des die Versorgung zusagenden Arbeitgebers zur Anpas­sungs­prüfung und -entscheidung nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG. Durch das Gesetz zur Umsetzung der EU-Mobilitäts-Richtlinie vom 21. Dezember 2015 (BGBl. I S. 2553) fiel ab dem 31. Dezember 2015 die weitere Voraussetzung in § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG weg, wonach zur Berechnung der garantierten Leistung der nach § 65 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a des Versicherungs­aufsichts­gesetzes festgesetzte Höchstzinssatz zur Berechnung der Deckung­srückstellung nicht überschritten werden darf. Dies ist mit Unionsrecht vereinbar. Die durch § 30 c Abs. 1a BetrAVG angeordnete Geltung der am 31. Dezember 2015 in Kraft getretenen Änderung auch für Anpas­sungs­zeiträume, die vor dem 1. Januar 2016 liegen, stellt keine verfassungs­rechtlich unzulässige Rückwirkung dar.

Die Klägerin war bei der Beklagten bzw. deren Rechts­vor­gängern langjährig als Angestellte beschäftigt. Seit 1. Oktober 2011 bezieht sie Leistungen der betrieblichen Alters­ver­sorgung. Die Beklagte führt diese über den BVV Versi­che­rungs­verein des Bankgewerbes aG (BVV) durch. Bei diesem handelt es sich um eine regulierte Pensionskasse unter der Aufsicht der Bundesanstalt für Finanz­dienst­leis­tungs­aufsicht (BaFin). Seit dem Rentenbeginn wurde die Betriebsrente der Klägerin nicht mehr erhöht.

Anpassung der Betriebsrente geltend gemacht

Mit ihrer Klage macht die Klägerin u.a. eine Anpassung des auf Beiträgen der Arbeitgeberin beruhenden Teils ihrer Betriebsrente nach § 16 Abs. 1 BetrAVG zum Stichtag 1. Oktober 2014 geltend und verlangt daraus folgend für die Zeit ab dem Anpas­sungs­stichtag monatlich eine weitere Betriebsrente iHv. 37,72 Euro brutto. Sie hat die Auffassung vertreten, die Beklagte könne sich nicht auf § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG berufen. Sie sei auf den streit­ge­gen­ständ­lichen Anpas­sungs­stichtag im Jahr 2014 nicht anwendbar. Die Änderung der Tatbe­stands­vor­aus­set­zungen des § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG sei mit Unionsrecht nicht vereinbar. Die Überg­angs­be­stimmung in § 30 c Abs. 1a BetrAVG verstoße gegen das verfas­sungs­rechtliche Rückwir­kungs­verbot. Jedenfalls seien die tatbe­stand­lichen Voraussetzungen des § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG nicht erfüllt.

LAG gibt Klage teilweise statt

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Das Bundes­a­r­beits­gericht hatte mit Urteil vom 10. Dezember 2019 (- 3 AZR 122/18 -) das Berufungsurteil teilweise aufgehoben und die Sache insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landes­a­r­beits­gericht zurückverwiesen. Das Landes­a­r­beits­gericht hat der Klage iHv. 16,92 Euro brutto monatlich stattgegeben und im Übrigen abgewiesen. Es hat hinsichtlich des von ihm abgewiesenen Teils der Klage iHv. 5,04 Euro brutto monatlich die Auffassung der Beklagten bestätigt, sie sei gemäß § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG nicht zur Prüfung einer Anpassung verpflichtet. Die dagegen von der Klägerin neuerlich geführte Revision hatte vor dem Dritten Senat des Bundes­a­r­beits­ge­richts keinen Erfolg. Die bei der Pensionskasse für den Tarif DA geltenden Regelungen erfüllen die Voraussetzungen des § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG in seiner seit dem 31. Dezember 2015 geltenden Fassung.

Weder Unionsrechts- noch Verfas­sungs­verstoß durch Vorschriften des BetrAVG

Die Neufassung des § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG zum 31. Dezember 2015 verstößt nicht gegen das Verschlech­te­rungs­verbot aus Art. 7 Abs. 2 Richtlinie 2014/50/EU (sog. Mobilitäts-Richtlinie). Dieses soll verhindern, dass die Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht zur Absenkung des bestehenden Schutzes genutzt wird. Vorliegend hat der Gesetzgeber jedoch - lediglich - zeitgleich mit und bei Gelegenheit der Umsetzung eine außerhalb des Regelungs­be­reichs der Richtlinie bestehende Rechtsprechung des Senats korrigiert. Die Überg­angs­vor­schrift des § 30 c Abs. 1a BetrAVG ist nicht wegen unzulässiger Rückwirkung verfas­sungs­widrig. Die Betriebsrentner der Beklagten mussten bereits ursprünglich davon ausgehen, dass eine Anpas­sungs­prü­fungs­pflicht nicht unverändert bestehen bleiben würde. Die vom Gesetzgeber gewählte Stich­tags­re­gelung orientiert sich am Sachverhalt und ist vertretbar.

Quelle: Bundesarbeitsgericht, ra-online (pm/cc)

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