21.11.2024
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Bundesarbeitsgericht Urteil20.02.2019

Kündigung des Chefarztes eines katholischen Krankenhauses wegen Wieder­ver­hei­ratung unwirksamWieder­ver­hei­ratung verletzt weder wirksam vereinbarte Loyali­täts­pflicht noch berechtigte Loyali­täts­er­wartung des Krankenhauses

Ein der römisch-katholischen Kirche verbundenes Krankenhaus darf seine Beschäftigten in leitender Stellung bei der Anforderung, sich loyal und aufrichtig im Sinne des katholischen Selbst­verständnisses zu verhalten, nur dann nach ihrer Religions­zu­gehörigkeit unterschiedlich behandeln, wenn dies im Hinblick auf die Art der betreffenden beruflichen Tätigkeiten oder die Umstände ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundes­arbeits­gerichts hervor.

Die Beklagte des zugrunde liegenden Falls ist Trägerin von Krankenhäusern und institutionell mit der katholischen Kirche verbunden. Der katholische Kläger war bei ihr als Chefarzt beschäftigt. Den Dienstvertrag schlossen die Parteien unter Zugrundelegung der vom Erzbischof von Köln erlassenen Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeits­ver­hältnisse vom 23. September 1993 (GrO 1993). Nach deren Art. 5 Abs. 2 GrO 1993 handelte es sich u.a. beim Abschluss einer nach dem Glaubens­ver­ständnis und der Rechtsordnung der Kirche ungültigen Ehe um einen schwerwiegenden Loyali­täts­verstoß, der eine Kündigung rechtfertigen konnte. Der Kläger war nach katholischem Ritus verheiratet. Nach der Scheidung von seiner ersten Ehefrau heiratete er im Jahr 2008 ein zweites Mal standesamtlich. Nachdem die Beklagte hiervon Kenntnis erlangt hatte, kündigte sie das Arbeits­ver­hältnis ordentlich zum 30. September 2009. Hiergegen wandte sich der Kläger mit der vorliegenden Kündi­gungs­schutzklage.

Vorab­ent­scheidung des EuGH

Arbeitsgericht und Landes­a­r­beits­gericht gaben der Klage statt. Über ein in diesem Verfahren ergangenes Vorab­ent­schei­dungs­er­suchen des Bundes­a­r­beits­ge­richts zum Inhalt und zur Auslegung des Unionsrechts hat der Gerichtshof der Europäischen Union mit Urteil vom 11. September 2018 entschieden.

Kläger gegenüber nicht der katholischen Kirche angehörenden leitenden Mitarbeitern wegen seiner Religi­o­ns­zu­ge­hö­rigkeit benachteiligt

Die Revision hatte vor dem Bundes­a­r­beits­gericht keinen Erfolg. Die Kündigung ist nicht durch Gründe im Verhalten oder in der Person des Klägers sozial gerechtfertigt (§ 1 Abs. 2 KSchG). Mit seiner Wieder­ver­hei­ratung verletzte dieser weder eine wirksam vereinbarte Loyali­täts­pflicht noch eine berechtigte Loyali­täts­er­wartung der Beklagten. Die Vereinbarung im Dienstvertrag der Parteien, mit der die GrO 1993 in Bezug genommen wurde, ist gemäß § 7 Abs. 2 AGG unwirksam, soweit dadurch das Leben in kirchlich ungültiger Ehe als schwerwiegender Loyali­täts­verstoß bestimmt ist. Diese Regelung benachteiligte den Kläger gegenüber nicht der katholischen Kirche angehörenden leitenden Mitarbeitern wegen seiner Religionszugehörigkeit und damit wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, ohne dass dies nach § 9 Abs. 2 AGG gerechtfertigt ist. Dies folgt aus einer unions­rechts­kon­formen Auslegung von § 9 Abs. 2 AGG, jedenfalls aber aus dem Anwen­dungs­vorrang des Unionsrechts. Die Loyali­täts­pflicht, keine nach dem Glaubens­ver­ständnis und der Rechtsordnung der katholischen Kirche ungültige Ehe zu schließen, war im Hinblick auf die Art der Tätigkeiten des Klägers und die Umstände ihrer Ausübung keine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung.

Unionsrecht darf Voraussetzungen für mögliche Ungleich­be­hand­lungen wegen der Religion näher ausgestalten

Nationales Verfas­sungsrecht (vgl. Bundes­ver­fas­sungs­gericht, Beschluss v. 22.10.2014 - 2 BvR 661/12 -) steht dem nicht entgegen. Das Unionsrecht darf die Voraussetzungen, unter denen die der Kirche zugeordneten Einrichtungen ihre Beschäftigten wegen der Religion ungleich behandeln dürfen, näher ausgestalten. Der Europäische Gerichtshof hat mit seiner Auslegung der Richtlinie 2000/78/EG seine Kompetenz nicht überschritten. Es handelt sich nicht um einen "Ultra-Vires-Akt" oder einen solchen, durch den die Verfas­sungs­i­dentität des Grundgesetzes berührt wird.

Quelle: Bundesarbeitsgericht/ra-online (pm)

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