Bundesarbeitsgericht Urteil13.06.1996
BAG: Arbeitnehmerin nicht zur Mitteilung ihrer Schwangerschaft gegenüber Arbeitgeber verpflichtet§ 15 Abs. 1 des Mutterschutzgesetzes beinhaltet keine Offenbarungspflicht
Eine Arbeitnehmerin ist nicht verpflichtet ihren Arbeitgeber über ihre Schwangerschaft zu informieren. Die Vorschrift des § 15 Abs. 1 des Mutterschutzgesetzes (MuSchG) beinhaltet keine Offenbarungspflicht. Sie spricht vielmehr eine Empfehlung aus. Dies hat das Bundesarbeitsgericht entschieden.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Eine Arbeitnehmerin ging am 1. August 1994 auf Hochzeitsreise. Am nächsten Tag ließ ihre Arbeitgeberin eine Kündigung in den Briefkasten der Arbeitnehmerin reinwerfen. Nachdem die Arbeitnehmerin 14 Tage später aus dem Urlaub zurückkam, erfuhr sie von der Kündigung. Da sie zu diesem Zeitpunkt bereits in der 12. Woche schwanger war, zeigte sie ihrer Arbeitgeberin die Schwangerschaft einige Tage später an. Die Arbeitnehmerin hielt die Kündigung nunmehr für unwirksam und erhob Kündigungsschutzklage.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht gaben Kündigungsschutzklage statt
Sowohl das Arbeitsgericht Stuttgart als auch das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg gaben der Kündigungsschutzklage statt. Dagegen richtete sich die Revision der Arbeitgeberin. Sie führte an, dass die Arbeitnehmerin nicht innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung die Schwangerschaft mitgeteilt habe. Auf eine unverschuldete Fristversäumnis im Sinne von § 9 Abs. 1 MuSchG (neu: § 17 Abs. 1 MuSchG) habe sie sich nicht berufen dürfen, dass sie bereits vor Urlaubsantritt von ihrer Schwangerschaft wusste und diese somit hätte offenbaren können.
Bundesarbeitsgericht bejaht ebenfalls Unwirksamkeit der Kündigung
Das Bundesarbeitsgericht bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz und wies daher die Revision der Arbeitgeberin zurück. Die Kündigung sei gemäß § 9 Abs. 1 MuSchG (neu: § 17 Abs. 1 MuSchG) unzulässig. Zwar habe die Arbeitnehmerin nicht innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung Mitteilung von ihrer Schwangerschaft gemacht. Dies sei aber unschädlich, da die geringfügige Fristüberschreitung auf einem von der Arbeitnehmerin nicht zu vertretenen Grund beruht und die Arbeitnehmerin die Mitteilung unverzüglich nachgeholt habe. Im Fall einer längeren Urlaubsreise sei eine Arbeitnehmerin nicht gehalten, dem Arbeitgeber vorsorglich vor Urlaubsantritt Mitteilung von einer bevorstehenden Schwangerschaft zu machen.
Unverschuldete Fristversäumnis trotz Kenntnis der Schwangerschaft
Die von der Arbeitgeberin vertretene Meinung, dass eine unverschuldete Fristversäumnis nur vorliegen könne, wenn die Arbeitnehmerin bei Zugang der Kündigung keine Kenntnis von ihrer Schwangerschaft hat, sei nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts unzutreffend. Die Kenntnis oder Unkenntnis der Arbeitnehmerin von ihrer Schwangerschaft spiele keine Rolle. Es mache keinen Unterschied, ob die Arbeitnehmerin erst während der Zwei-Wochen-Frist von ihrer Schwangerschaft erfährt und aufgrund dessen schuldlos an der rechtzeitigen Mitteilung gehindert war, oder ob sie zwar von Anfang an Kenntnis von ihrer Schwangerschaft hat, an der Einhaltung der Zwei-Wochen-Frist aber dadurch gehindert war, dass ihr das Kündigungsschreiben während einer Urlaubsreise oder Krankheit an ihrem Wohnort zugeht und sie erst nach Ablauf der Zwei-Wochen-Frist Kenntnis von der Kündigung erlangt.
Keine Pflicht zur Mitteilung der Schwangerschaft
Kein anderes Ergebnis rechtfertige § 5 Abs. 1 MuSchG (neu: § 15 Abs. 1 MuSchG), so das Bundesarbeitsgericht, wonach werdende Mütter dem Arbeitgeber ihre Schwangerschaft mitteilen sollen. Die Vorschrift enthalte keine gesetzlich verbindliche Pflicht der Arbeitnehmerin zur Offenbarung ihres Zustandes. Die Fassung als Sollvorschrift bedeute vielmehr leidglich eine nachdrückliche Empfehlung an die Frau, im eigenen Interesse dem Arbeitgeber ihren Zustand zu offenbaren, sobald sie ihn kennt.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 24.01.2018
Quelle: Bundesarbeitsgericht, ra-online (vt/rb)