23.11.2024
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Sie sehen ein Justizia-Figur und im Hintergrund einen Mann am Telefon.

Dokument-Nr. 16085

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Urteil26.09.2002Bundesarbeitsgericht2 AZR 392/01
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • DB 2003, 1448Zeitschrift: Der Betrieb (DB), Jahrgang: 2003, Seite: 1448
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Vorinstanzen:
  • Arbeitsgericht Regensburg, Urteil27.07.2000, 3 Ca 3749/99
  • Landesarbeitsgericht München, Urteil19.12.2000, 8 Sa 872/00
ergänzende Informationen

Bundesarbeitsgericht Urteil26.09.2002

BAG: Keine schuldhafte Versäumnis der Mittei­lungsfrist aufgrund unerwarteter SchwangerschaftSchwangerer Arbeitnehmerin steht Überle­gungs­zeitraum zu

Verpasst eine schwangere Arbeitnehmerin nach erfolgter Kündigung die gemäß § 17 Abs. 1 des Mutter­schutz­gesetzes (MuSchG) geltende 2-Wochen-Frist zur Mitteilung der Schwangerschaft an ihren Arbeitgeber, weil die Schwangerschaft für sie unerwartet war und sie darüber zunächst nachdenken musste, so liegt keine schuldhafte Fristversäumnis im Sinne von § 17 Abs. 1 Satz 2 MuSchG vor. Dies hat das Bundes­arbeits­gericht entschieden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im November 1999 wurde eine 20-jährige Zahna­rzt­helferin während ihrer Probezeit gekündigt. 13 Tage nach Zugang der Kündigung wurde bei ihr eine Schwangerschaft festgestellt. Diese kam für die Zahna­rzt­helferin so überraschend, dass sie in eine verzweifelte Lage geriet. Sie wusste nicht, wie sie ihrem Freund und ihrer Mutter von der Schwangerschaft berichten sollte. Nachdem sie sich darüber im Klaren war, teilte sie ihrem Arbeitgeber die Schwangerschaft mit und beanspruchte den besonderen Kündi­gungs­schutz für Schwangere. Da aber bereits die zweiwöchige Mitteilungsfrist abgelaufen war, hielt der Arbeitgeber an der Kündigung fest. Die Zahna­rzt­helferin sah sich dadurch gezwungen, Kündi­gungs­schutzklage zu erheben.

Arbeitsgericht gab Klage statt, Landes­a­r­beits­gericht wies sie ab

Während das Arbeitsgericht Regensburg der Kündi­gungs­schutzklage stattgab, wies sie das Landes­a­r­beits­gericht München ab. Seiner Ansicht nach verstoße die Kündigung nicht gegen das Mutter­schutz­gesetz und sei daher wirksam. Die Klägerin habe schuldhaft die Mittei­lungsfrist versäumt und damit den Beklagten zu spät von ihrer Schwangerschaft in Kenntnis gesetzt. Gegen diese Entscheidung legte die Klägerin Revision ein.

Bundes­a­r­beits­gericht hält Kündigung für unwirksam

Das Bundes­a­r­beits­gericht entschied zu Gunsten der Klägerin und hob daher die Entscheidung des Landes­a­r­beits­ge­richts auf. Die Kündigung habe gegen § 9 Abs. 1 MuSchG (neu: § 17 Abs. 1 MuSchG) verstoßen und sei daher unwirksam. Nach dieser Vorschrift sei eine Kündigung gegenüber einer schwangeren Frau unzulässig, wenn dem Arbeitgeber die Schwangerschaft bekannt war oder innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt wurde. Beides sei zwar hier nicht der Fall gewesen. Jedoch sei das Versäumnis der Mittei­lungsfrist unschädlich gewesen.

Unverschuldete Versäumnis der Mittei­lungsfrist

Das Versäumnis der Mittei­lungsfrist sei gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 MuSchG (neu: § 17 Abs. 1 Satz 2 MuSchG) unschädlich gewesen, so das Bundes­a­r­beits­gericht, weil es auf einem von der Klägerin nicht zu vertretenden Grund beruht habe und die Mitteilung unverzüglich nachgeholt worden sei. Im Hinblick auf das Ziel des MuSchG, wonach die werdende Mutter unter anderem von den psychischen Belastungen einer Kündigung geschützt werden soll, sei es angezeigt, der Schwangeren nach Kenntnis der Schwangerschaft eine zumindest kurze Überle­gungsfrist einzuräumen. Versäumt sie aufgrund der Überlegung die Mittei­lungsfrist, liege keine schuldhafte Fristversäumnis vor. Würde man dies anders beurteilen, müsste eine schwangere Arbeitnehmerin, die erst am letzten Tag der Mittei­lungsfrist von ihrer Schwangerschaft erfährt, ihren Arbeitgeber davon sofort in Kenntnis setzen. Damit werde die Überle­gungsfrist aber auf "Null" reduziert.

Quelle: Bundesarbeitsgericht, ra-online (vt/rb)

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