14.11.2024
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Arbeitsgericht Halle Urteil24.06.2015

Dringender Verdacht einer schwerwiegenden Vertrags­pflicht­verletzung kann außer­or­dentliche Kündigung rechtfertigenEntgegennahme unberechtigter Vorteile am Arbeitsplatz zerstört regelmäßig Vertrauen in Zuverlässigkeit und Redlichkeit

Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann auch der dringende Verdacht einer schwerwiegenden Vertrags­pflicht­verletzung einen wichtigen Grund für eine außer­or­dentliche Kündigung darstellen, wenn der Verdacht dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeits­verhältnisses unzumutbar macht. Ein solcher wichtiger Grund kann auch dann vorliegen, wenn ein Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes Vorteile im privaten Bereich entgegen nimmt, die unter Bezug auf sein Arbeits­ver­hältnis geleistet werden. Unabhängig von einer eventuellen Strafbarkeit verletzt er dadurch seine vertragliche Pflicht, auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen (§ 241 Abs. 2 BGB). Der wichtige Grund kann in der zu Tage getretenen Einstellung des Arbeitnehmers, bei Erfüllung seiner Aufgaben unberechtigte Vorteile entgegen zu nehmen, liegen. Hierdurch zerstört er regelmäßig das Vertrauen in seine Zuverlässigkeit und Redlichkeit. Dies geht aus einer Entscheidung des Arbeitsgerichts Halle hervor.

Die Klägerin des zugrunde liegenden Streitfalls ist seit April 1991 bei der beklagten Bundesagentur für Arbeit als Angestellte, seit Januar 2011 als Geschäfts­führerin des Jobcenters Halle, tätig.

Klägerin wird Amt der Geschäfts­führerin aufgrund des Verdachts der Vorteilsnahme entzogen

Die Bundesagentur für Arbeit hegte aufgrund einer Strafanzeige gegenüber der Klägerin den Verdacht der Vorteilsnahme im Amt. Sie behauptete, die Klägerin habe aus einer im Jahr 2012 in der Neuen Residenz in Halle durchgeführten Ausstellung Gegenstände durch einen Ein-Euro-Jobber auf ihr Grundstück verbringen und dort aufbauen lassen. Die Bundesagentur für Arbeit beschloss am 26. September 2014, die Klägerin vorübergehend als Geschäfts­führerin abzuberufen und sie an die Regio­na­l­di­rektion Sachsen-Anhalt/Thüringen abzuordnen.

Bundesagentur für Arbeit kündigt Arbeits­ver­hältnis fristlos

Die Bundesagentur für Arbeit hielt die Einlassungen der Klägerin zu den Vorgängen um die Neue Residenz in Halle nicht für geeignet, den dringenden Verdacht der Vorteilsnahme im Amt auszuräumen und kündigte außerdem das Arbeits­ver­hältnis nach Anhörung des Haupt­per­so­nalrats mit Schreiben vom 14. November 2014 fristlos, hilfsweise fristgemäß. Die Bundesagentur für Arbeit sieht wegen der Vorgänge um die Neue Residenz den dringenden Verdacht der Vorteilsnahme im Amt für gegeben. Deshalb sei das Vertrauensverhältnis zur Klägerin unwie­der­bringlich zerstört.

Von der Klägerin gespendeter Betrag entspricht nicht dem Wert der erbrachten Leistungen

Nach den Einlassungen des Maßnahmeträgers habe die Klägerin einen Betrag von 600 Euro übergeben, der dann für einen gemeinnützigen Zweck gespendet worden sei. Aber selbst dann, wenn 600 Euro für die Ausstel­lungs­ge­gen­stände und die Werkleistungen von der Klägerin aufgrund eines Kaufvertrages gezahlt (und nicht nur gespendet) worden seien, entspreche dieser Betrag bei weitem nicht dem Wert der erbrachten Leistungen.

Klägerin hält Kündigung des Arbeits­ver­hält­nisses für rechtsunwirksam

Mit ihrer Klage wehrt sich die Frau gegen ihre Abberufung als Geschäfts­führerin, ihre Abordnung zur Regio­na­l­di­rektion Sachsen-Anhalt/Thüringen und gegen die fristlose, hilfsweise fristgemäße Kündigung des Arbeits­ver­hält­nisses. Sie war der Auffassung, dass die Abberufung von den Aufgaben der Geschäfts­führerin, ihre Abordnung und die fristlose, hilfsweise fristgemäße Kündigung des Arbeits­ver­hält­nisses rechtsunwirksam seien.

Klägerin wusste laut eigener Aussagen nichts vom Einsatz der Ein-Euro-Jobber

Die aus der Neuen Residenz stammenden Ausstel­lungs­ge­gen­stände habe sie vom Maßnahmeträger aufgrund eines mündlichen Vertrages käuflich erworben. Auch den Werklohn für das Aufstellen der Gegenstände habe sie bezahlt. Mit dem Maßnahmeträger sei die Zahlung von 600 Euro vereinbart gewesen. Sie habe nicht gewusst, dass der Maßnahmeträger Ein-Euro-Jobber auf ihrem Grundstück einsetze.

Arbeitsgericht erklärte streit­ge­gen­ständliche Kündigung für unwirksam

Das Arbeitsgericht Halle erklärte die streit­ge­gen­ständliche fristlose, hilfsweise Kündigung für unwirksam. Die beklagte Bundesagentur habe einen wichtigen Grund nicht bewiesen. Nachdem die Klägerin im Einzelnen zum Zustandekommen des Vertrages, zum Vertragsinhalt und zur Höhe des Kaufpreises/Werklohnes vorgetragen habe, hätte die Beklagte die von ihr unter Bezugnahme auf die Ermitt­lungs­er­gebnisse der Staats­an­walt­schaft behaupteten ausreichenden Indiztatsachen beweisen müssen. Sie habe jedoch keine geeigneten Beweise angeboten. Darüber hinaus hätte sie nach den vorprozessualen Einlassungen der Klägerin den Sachverhalt weiter aufklären müssen. Daher bestehe das Arbeits­ver­hältnis fort.

Abberufung als Geschäfts­führerin und Versetzung zur Regio­na­l­di­rektion gerechtfertigt

Die weitergehende Klage hat das Arbeitsgericht abgewiesen. Die Abberufung der Klägerin von ihrer Funktion als Geschäfts­leiterin des Jobcenters Halle und ihre Abordnung von der Agentur für Arbeit in Halle zur Regio­na­l­di­rektion Sachsen-Anhalt-Thüringen seien wirksam erfolgt.

Quelle: Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt/ra-online

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