Im zugrunde liegenden Fall beschlagnahmte die Polizei am 30.11.2011 im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens vier geschäftlich genutzte Festplatten, die sich bei einem (Host)-Provider befanden. Der Beschuldigte wehrte sich gegen die Beschlagnahme, indem er am 2.12.2011 Beschwerde einlegte.
Das Amtsgericht Reutlingen half der Beschwerde teilweise ab. Es führte aus, dass Datenträger jeder Art, sofern sie nicht freiwillig herausgegeben werden, beschlagnahmt werden könnten, um der gespeicherten Daten, dem eigentlichen Beweisgegenstand, habhaft zu werden.
Handele es sich dabei um (fest eingebaute) Festplatten o.ä. (Massespeicher), kann die ansonsten erforderliche Beschlagnahme des gesamten Computers bzw. Computersystems in der Weise durch den Beschuldigten abgewendet werden, dass er sich mit der Anfertigung einer Kopie der entsprechenden Dateien oder des gesamten Datenträgers ("Image") vor Ort auf externe Datenträger einverstanden erklärt. Sofern diese forensische Datensicherung aus tatsächlichen Gründen vor Ort nicht möglich sei, ist eine Mitnahme von Datenträgern unter strenger Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes möglich, führte das Amtsgericht aus.
Die Herstellung von 1:1 Kopien, die beweissichere Anfertigung eines Datenträgerabbilds (forensische Duplikation) nur mittels anerkannter forensisch-technischer Verfahren und entsprechender Software und "Toolkits" (vgl. nur: BSI-Leitfaden zur IT-Forensik, S. 26 ff. m.w.N.), habe unverzüglich zu geschehen.
Vorliegend sei - einzig und alleine - die Fortdauer der Beschlagnahme mit diesen Grundsätzen zeitlich nicht mehr vereinbar. Die Festplatten bzw. die Festplatte (mitgeteilt sind lediglich 750 GB) befinden sich seit mehr als drei Werktagen in behördlichem Gewahrsam. Der Beschuldigte habe unwiderlegt anwaltlich vortragen lassen, dass die Festplatten, offenbar Teil eines "Dedicated-to-customer"-Servers bei der Fa. technisch gesehen nicht nur seiner Datenverarbeitung dienten, sondern dass von ihm vorgehaltene "Server"- und Datenspeicherkapazitäten und wohl auch Rechenleistung, insbesondere für Datenbankanwendungen, Dritten gewerblich überlassen wurden.
Damit sei zwar keineswegs ausgeschlossen, dass sich auf dem sichergestellten Speichermedium auch die gesuchten Beweisgegenstände befinden, z.B. als eigenständige Datenbank, Teil eines File-Systems oder eines Mailservers. Das werde auch eingeräumt. Der tatsächliche (physikalische) Zugriff auf solche Server-Hardware sei wegen der möglichen Betroffenheit Dritter unbedingt auf ein Minimum zu beschränken, soweit durch den tatsächlichen Zugriff auf die Festplatten und andere Hardware die Funktion des Servers beeinträchtigt oder unterbunden wird.
Auch wenn nicht nachvollziehbar sei, warum der Beschuldigte, als "EDV-Berater", offensichtlich in grob fahrlässiger Weise die gebotenen Datensicherungsmaßnahmen (vgl. BSI IT-Grundschutz Empfehlungen, M 6.32, G 5.22 etc.) unterlassen hat, möglicherweise aus Kostengründen, sei die Beschlagnahme angesichts der eher geringen Datenmenge mit Ablauf von drei Werktagen, nach Anhörung des Finanzamtes Reutlingen, zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit aufzuheben.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 09.08.2012
Quelle: ra-online, Amtsgericht Reutlingen (vt/pt)