15.11.2024
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Entscheidung04.02.2005Bundesverfassungsgericht2 BvR 308/04
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Bundesverfassungsgericht Entscheidung04.02.2005

Erfolgreiche Verfas­sungs­be­schwerde gegen Wohnungs­durch­suchung und Beschlagnahme eines MobiltelefonsBundes­ver­fas­sungs­gericht stärkt Rechte der Bürger bei Durchsuchungen

Die Verfas­sungs­be­schwerde (Vb) des Beschwer­de­führers (Bf), der sich gegen die Durchsuchung seiner Wohnung durch die Polizei und die anschließende Beschlagnahme seines Mobiltelefons wandte, war erfolgreich. Die 3. Kammer des Zweiten Senats hob die angegriffenen Beschlüsse des Amtsgerichts (AG) und Landgerichts (LG) auf und verwies die Sache an das LG zurück.

Sachverhalt:

Die Polizei ermittelte in einer Serie von Einbruch- und Autodiebstählen. Vor dem Haus, in dem der Bf eine von 15 Wohnungen bewohnte, wurde ein Fahrzeug aufgefunden, das mit einem gestohlenen Kennzeichen versehen war. Aufgrund des Hinweises eines Hausbewohners suchten Polizeibeamte gegen 17.00 Uhr den Bf in seiner Wohnung auf, der eine Verbindung zu dem Fahrzeug abstritt. Bei der Sicherstellung des Fahrzeugs stellte die Polizei fest, dass das Fahrzeug bei der Diebstahlsserie entwendet worden war. Gegen 19.00 Uhr suchten die Polizeibeamten den Bf erneut auf. Sie durchsuchten seine Wohnung und beschlagnahmten sein Mobiltelefon, um eventuell geführte Gespräche in der Zeit zwischen dem ersten und dem zweiten Aufsuchen zu ermitteln. Nach Auswertung der in dem Mobiltelefon und der SIM-Karte gespeicherten Daten gab die Polizei das Gerät dem Bf zurück. Der Tatverdacht bestätigte sich nicht.

Das AG erklärte die Durchsuchung und Beschlagnahme für rechtmäßig. Auf die Beschwerde des Bf hin bestätigte das LG die Rechtmäßigkeit der Durchsuchung. Zur Beschlagnahme stellte es fest, dass hierüber nachträglich nicht mehr entschieden werden könne, da mit der Herausgabe des Mobiltelefons das Rechts­schutz­be­dürfnis entfallen sei. Die Vb des Bf hatte Erfolg.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

Die angegriffenen Beschlüsse verletzen den Bf in seinem Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 und 2 GG (Unver­letz­lichkeit der Wohnung) und seinem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG (Gewährung effektiven Rechtsschutzes).

Wohnungs­durch­suchung:

Es bestehen keine Anhaltspunkte, dass die für eine Wohnungs­durch­suchung grundsätzlich erforderliche Anordnung durch einen Richter wegen Gefahr im Verzug entbehrlich gewesen sein könnte. In der Dokumentation der Polizeibeamten, die nicht einmal den Versuch unternommen haben, einen richterlichen Beschluss zu erwirken, finden sich keine Erwägungen zur besonderen Dringlichkeit der Durchsuchung. Auch die nach dem ersten Aufsuchen neu gewonnenen Erkenntnisse ließen die Dringlichkeit der Durchsuchung nicht offenkundig erscheinen. Im Gegenteil: Gerade wenn die Polizeibeamten den Bf nun einem organisierten Täterkreis zurechneten, hätte sich ihnen die Überlegung aufdrängen müssen, dass er auf das erste Aufsuchen gegen 17.00 Uhr reagieren und Beweismittel beiseite schaffen würde, so dass eine Durchsuchung als zwecklos und unver­hält­nismäßig erscheinen musste.

Beschlagnahme des Mobiltelefons: Um dem Bf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) zu gewähren, hätte das LG über die Frage der Rechtmäßigkeit der Beschlagnahme seines Mobiltelefons entscheiden müssen. Wegen des Gewichts des Eingriffs muss die Möglichkeit einer nachträglichen Kontrolle offen stehen.

Die von den Polizeibeamten vorgenommene Aufzeichnung der in dem Gerät gespeicherten Verbin­dungsdaten berührt den Schutzbereich des Fernmel­de­ge­heim­nisses (Art. 10 Abs. 1 GG). Eingriffe in dieses Grundrecht bedürfen einer gesetzlichen Grundlage (Art. 10 Abs. 2 GG). Eine solche findet sich in den §§ 100 g und 100h StPO, die die Kenntnisnahme von Telekom­mu­ni­ka­ti­o­ns­ver­bin­dungsdaten regeln. Danach können die geschäfts­mäßigen Telekom­mu­ni­ka­ti­o­ns­dienst­leister zur Auskunft über die Verbin­dungsdaten verpflichtet werden. Voraussetzung hierfür ist, dass es um die Ermittlung einer Straftat von erheblicher Bedeutung geht. Außerdem bedarf es eines richterlichen Beschlusses, der bei Gefahr im Verzug durch eine Anordnung der Staats­an­walt­schaft ersetzt werden kann.

Die in den §§ 100 g und 100h StPO geregelten Schranken dürfen nicht dadurch umgangen werden, dass in anderer Weise als durch ein an den Telekom­mu­ni­ka­ti­o­ns­dienst­leister gerichtetes Auskunfts­ver­langen auf Verbin­dungsdaten des Betroffenen zurückgegriffen wird. Auch dann gelten die Anforderungen der §§ 100 g und 100h StPO. Sind also beim Beschuldigten Verbin­dungsdaten aufgezeichnet oder gespeichert, etwa in Einzel­ver­bin­dungs­nach­weisen der Telefon­rech­nungen oder in elektronischen Speichern der Kommu­ni­ka­ti­o­ns­geräte, so darf die Beschlagnahme und Auswertung dieser Datenträger nur unter den Voraussetzungen der §§ 100 g und 100h StPO erfolgen. Die Beschlagnahme ist daher auf Ermitt­lungs­ver­fahren beschränkt, die sich auf Straftaten von erheblicher Bedeutung richten. Sie bedarf eines richterlichen Beschlusses, der bei Gefahr im Verzug durch eine Anordnung der Staats­an­walt­schaft, nicht aber der Polizei, ersetzt werden kann.

Quelle: Pressemitteilung Nr. 21/2005 des BVerfG vom 1. März 2005

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