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Dokument-Nr. 20982

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Urteil20.01.2015Amtsgericht Nienburg4 Ds 520 Js 39473/14 (155/14)
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • DAR 2015, 280Zeitschrift: Deutsches Autorecht (DAR), Jahrgang: 2015, Seite: 280
  • ZD 2015, 341Zeitschrift für Datenschutz (ZD), Jahrgang: 2015, Seite: 341
Für Details Fundstelle bitte Anklicken!
ergänzende Informationen

Amtsgericht Nienburg Urteil20.01.2015

Verwertung einer vom Opfer einer Straftat angefertigten anlassbezogenen Dashcam-Aufnahme im Rahmen des Strafprozesses zulässigInteresse an der effektiven Strafverfolgung überwiegt Interesse an Geheimschutz

Nimmt ein Autofahrer zur Beweissicherung mit Hilfe einer Dashcam das Fahrverhalten eines anderen Fahrzeugführers auf, so können die dadurch entstandenen Aufnahmen im Rahmen eines Strafprozesses verwertet werden. Denn insoweit überwiegt das Interesse an der effektiven Strafverfolgung das Interesse am Geheimschutz. Dies hat das Amtsgericht Nienburg entschieden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Juli 2007 bremste ein Autofahrer einen anderen Fahrzeugführer wegen eines angeblich vorangegangen verkehrs­wi­drigen Verhaltes aus. Um einen Auffahrunfall zu vermeiden, wechselte der Fahrzeugführer auf die linke Spur und überholte den anderen Pkw. Als sich beide Fahrzeuge auf gleicher Höhe befanden, näherte sich der Pkw des Autofahrers dem Fahrzeug des Fahrzeugführers, so dass der Seitenabstand bei einer Geschwindigkeit von 100 km/h nur noch ungefähr 5 cm betrug. Gegen den Autofahrer wurde deshalb Anklage wegen Nötigung und fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs erhoben. Im anschließenden Strafprozess kam es unter anderem darauf an, ob der vom Fahrzeugführer mit Hilfe einer Dashcam aufgenommene Film verwertet werden durfte. Die Dashcam hatte der Fahrzeugführer anlässlich des Geschehens zum Zwecke der Beweissicherung aktiviert.

Zulässigkeit der Anfertigung der Dashcam-Aufnahmen

Das Amtsgericht Nienburg bejahte eine Verwertbarkeit der Dashcam-Aufnahmen. Denn die Anfertigung der Aufnahmen sei nach § 4 Abs. 2 in Verbindung mit § 28 Abs. 1 Nr. 1 BDSG zulässig gewesen.

Interesse an Beweissicherung wiegte schwerer als Interesse an informationelle Selbst­be­stimmung

Die Zulässigkeit der Aufnahmen habe sich nach Ansicht des Amtsgerichts daraus ergeben, dass das Interesse des Tatopfers an der Anfertigung der Aufzeichnung zum Zwecke der Beweissicherung das Interesse des Angeklagten an der Unver­letz­lichkeit des Rechts auf informationelle Selbst­be­stimmung überwog (andere Ansicht: AG München, Hinweisbeschl. v. 13.08.2014 - 345 C 5551/14 - und VG Ansbach, Urt. v. 12.08.2014 - AN 4 K 13.01634 -). Es sei zu beachten, dass die kurze, anlassbezogene Aufzeichnung nur die Fahrzeuge, jedoch nicht die Insassen abbildete. Es seien nur Vorgänge erfasst worden, die sich im öffentlichen Straßenverkehr ereigneten. Der Eingriff in das Recht des Angeklagten sei daher nur gering gewesen. Das Interesse des Tatopfers an einem effektiven Rechtsschutz sei demgegenüber hoch gewesen. Insofern sei zu berücksichtigen gewesen, dass die Aufklärung von Verkehr­s­un­fällen schwierig ist. So seien Zeugenaussagen oft ungenau und subjektiv geprägt. Sachver­stän­di­gen­gut­achten seien kostspielig und häufig unergiebig.

Späterer Missbrauch der Aufzeichnung unerheblich

Soweit befürchtet werde, dass die Aufzeichnung später unzulässig im Internet veröffentlicht wird oder anderweitig missbraucht wird, hielt das Amtsgericht dies für unbeachtlich. Denn die Gefahr des Missbrauchs von ursprünglich zulässigen Beweismitteln bestehe immer. Die Furcht vor einer allge­gen­wärtigen Datenerhebung und einem "Orwell'schen Überwa­chungsstaat" dürfe nicht dazu führen, dass dem Bürger sachgerechte technische Hilfsmittel zur effektiven Rechts­ver­folgung und -verteidigung kategorisch vorenthalten werden.

Zulässigkeit der Verwertung der Dashcam-Aufzeichnung

Die zulässig angefertigte Dachcam-Aufzeichnung habe im Strafprozess verwertet werden dürfen, so das Amtsgericht. Zunächst sei zu beachten, dass der absolute Kernbereich der persönlichen Lebensführung des Angeklagten nicht betroffen war. Denn die Aufnahmen haben Vorgänge aus dem öffentlichen Straßenverkehr abgebildet. Insofern sei es auf eine Abwägung des öffentlichen Interesses an der effektiven Starverfolgung mit dem aus dem allgemeinen Persön­lich­keitsrecht herrührenden Geheim­schut­z­in­teresse des Angeklagten angekommen.

Interesse an effektiver Strafverfolgung überwiegte Geheim­schut­z­in­teresse

Nach Auffassung des Amtsgerichts sei das öffentliche Interesse an einer effektiven Strafverfolgung höher zu bewerten gewesen als das Geheim­schut­z­in­teresse des Angeklagten. Die Verwertung der Aufzeichnung sei nämlich zunächst erforderlich gewesen, da sonst keine anderen Beweismittel vorhanden gewesen seien. Die Verwertung sei zudem verhältnismäßig gewesen, da der Angeklagte selbst nicht abgebildet gewesen sei, sondern nur sein Fahrzeug, und eine Verurteilung zu einer empfindlichen Freiheitsstrafe sowie der Entzug der Fahrerlaubnis im Raum gestanden habe. Diese Maßnahmen sollen dem Interesse aller Bürger an der Sicherheit des Straßenverkehrs dienen. Das Interesse des Angeklagten habe dagegen zurückstehen müssen.

Kein Vorliegen einer unzulässigen Überwachung durch Dritte

Das Amtsgericht verwies ferner darauf, dass hier kein Fall einer unzulässigen Überwachung durch Dritte vorgelegen habe. Dies könne gegebenenfalls dann angenommen werden, wenn Personen aus eigener Macht­voll­kom­menheit zielgerichtet mittels Dashcam-Aufzeichnungen Daten für Strafverfahren erheben und sich so zu selbsternannten Hilfssheriffs aufschwingen. Verfolgt der Betreiber der Dashcam aber den zulässigen Zweck der Beweissicherung für den konkreten Haftungsfall, so bestehen dann keine Bedenken gegen die Verwertung der Aufnahmen, wenn der Betreiber auch Verletzter einer vom Betroffenen verwirklichten Straftat ist. So habe der Fall hier gelegen.

Quelle: Amtsgericht Nienburg, ra-online (vt/rb)

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