21.11.2024
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Dokument-Nr. 15480

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Beschluss08.03.2013Amtsgericht Schöneberg24 F 172/12 und 24 F 250/12
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • NJW 2013, 1840Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2013, Seite: 1840
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Amtsgericht Schöneberg Beschluss08.03.2013

AG Schöneberg: Verbot der gemein­schaft­lichen Adoption eines Kindes durch beide Partner einer eingetragenen Lebens­ge­mein­schaft verfas­sungs­widrigAG Schöneberg ruft BVerfG an / Lesbisches Paar in eingetragener Partnerschaft möchte jetzt volljähriges (ehemaliges) Pflegekind adoptieren

Das Amtsgericht Schöneberg hat in zwei Familiensachen, bei denen es um die Adoption von jetzt volljährigen bisherigen Pflegekindern durch die Partner einer eingetragenen Lebens­ge­mein­schaft geht, das Verfahren ausgesetzt und die Verfahren nach Art. 100 des Grundgesetzes dem Bundes­ver­fas­sungs­gericht zur Entscheidung vorgelegt. Die gegenwärtigen rechtlichen Regelungen, nach denen die gemein­schaftliche Adoption durch Lebenspartner abweichend von der Regelung für Ehegatten verboten sei, seien mit dem Gleich­be­hand­lungs­grundsatz des Art. 3 GG unvereinbar und damit verfas­sungs­widrig, so das Amtsgericht in den beiden gleichlautenden Beschlüssen. Ein genereller Vorrang verschie­den­ge­schlecht­licher Elternschaft gegenüber gleich­ge­schlecht­licher Elternschaft sei nicht begründbar.

Der Entscheidung zum Az. 24 F 172/12 liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Annehmenden (die adoptieren möchten) und die Anzunehmende (die adoptiert werden möchte) sind sämtlichst deutsche Staats­an­ge­hörige. Die Annehmenden haben am 26.04.2002 die Leben­s­part­ner­schaft miteinander geschlossen. Die Anzunehmende war bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres Pflegekind der Annehmenden. Das Pflege­kind­s­chafts­ver­hältnis bestand jeweils zu beiden Annehmenden. Das Pflege­kind­s­chafts­ver­hältnis hinsichtlich der Anzunehmenden bestand seit dem Jahr 2002. Die Anzunehmende hat während des Bestehens des Pflege­kind­s­chafts­ver­hält­nisses im gemeinsamen Haushalt der Annehmenden gelebt und lebt dort auch weiterhin.

Antrag auf Annahme der Anzunehmenden als gemeinsames Kind beider Annehmenden

Die Beteiligten haben am 18.06.2012 einen Antrag auf Annahme der Anzunehmenden als gemeinsames Kind beider Annehmenden gestellt. Die Annehmenden und die Anzunehmende haben jeweils beantragt, beim Ausspruch der Annahme zu bestimmen, dass sich die Wirkungen der jeweiligen Annahme nach den Vorschriften über die Annahme eines Minderjährigen richten.

Zur Begründung machen die Antrag­stel­le­rinnen geltend, es sei zwischen ihnen im Laufe der Zeit eine Beziehung entstanden, die in jeder Hinsicht einem Eltern-Kind-Verhältnis entspricht. Die Annahme als Kind durch lediglich eine der beiden Annehmenden würde dem zwischen diesen und der Anzunehmenden jeweils bestehenden Eltern-Kind-Verhältnis nicht gerecht werden.

Amtsgericht ruft Bundes­ver­fas­sungs­gericht an - Richtervorlage gem. Art. 100 GG

Das Gericht führte aus, zur Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG i.V.m. §§ 13 Nr. 11, 80 ff BverfGG verpflichtet zu sein, weil es das aus §§ 1767 Abs. 2, 1741 Abs. 2 BGB und §) Abs. 6 und 7 LPartG folgende Verbot der gemeinsamen Adoption durch Lebenspartner unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG halte.

Rechtsgrundlage für das Begehren der Annehmenden und der Anzunehmenden sei § 1767 i.V.m. § 1772 BGB. Nach § 1767 Abs. 1 BGB könne ein Volljähriger als Kind angenommen werden, wenn die Annahme sittlich gerechtfertigt sei. Dies sei insbesondere anzunehmen, wenn zwischen dem Annehmenden und dem Anzunehmenden ein Eltern-Kind-Verhältnis bereits entstanden sei. Diese Voraussetzungen seien hier vorliegend erfüllt, führte das Gericht aus.

Adoption soll sich hier im Fall nach den Vorschriften über die Annahme eines Minderjährigen richten

Nach § 1772 Abs. 1b BGB könne das Familiengericht beim Ausspruch der Annahme eines Volljährigen auf Antrag des Annehmenden und des Anzunehmenden bestimmen, dass sich die Wirkungen der Annahme nach den Vorschriften über die Annahme eines Minderjährigen richten, wenn der Anzunehmende bereits als Minderjähriger in die Familie des Annehmenden aufgenommen worden sei. Auch diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

§ 1741 Abs. 2 Satz 1 BGB steht Adoption entgegen - Lesbisches Paar ist nicht verheiratet, sondern verpartnert

Dem Begehren auf Annahme als gemein­schaft­liches Kind der Annehmenden zu 1.) und 2.) stehe jedoch die über § 1767 Abs. 2 Satz 1 in Bezug genommene Regelung des § 1741 Abs. 2 Satz 1 BGB entgegen. Nach dieser Vorschrift könne, wer nicht verheiratet ist, ein Kind nur allein annehmen. Nach dem eindeutigen Wortlaut dieser Regelung sei eine gemein­schaftliche Adoption der Anzunehmenden durch die Annehmenden zu 1.) und 2.) ausgeschlossen. Denn diese seien nicht miteinander verheiratet.

Amtsgericht hält § 1741 Abs. 2 Satz 1 BGB und § 9 Abs. 6 und 7 LPartG für verfas­sungs­widrig

Das Gericht hält § 1741 Abs. 2 Satz 1 BGB und § 9 Abs. 6 und 7 LPartG jedoch für mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar, wenn wie im vorliegenden Fall die Annehmenden in eingetragener Leben­s­part­ner­schaft miteinander leben. Die Frage sie hier im Fall erheblich, weil das Gericht im Falle der Unvereinbarkeit des § 1741 Abs. 2 Satz 1 BGB und der Regelungen in § 9 Abs. 6 und 7 LPartG dem Antrag auf Annahme der Anzunehmenden als gemein­schaft­liches Kind der Annehmenden zu 1.) und 2.) stattgeben würde. Das Gericht sei daher zur Vorlage an das BVerfG gem. Art. 100 Abs. 1 GG verpflichtet (§ 80 BVerfGG). Insbesondere handele es sich sowohl bei § 1741 Abs. 2 Satz 1 BGB in der Fassung der Bekanntmachung vom 02.01.2002, als auch bei § 9 Abs. 6 und 7 LPartG in der Fassung des Gesetzes zur Überarbeitung des Leben­s­part­ner­schafts­rechts vom 15.12.2004 jeweils um nachkons­ti­ti­onelle Gesetze.

Amtsgericht Schöneberg sieht Verstoß gegen Gleich­be­hand­lungs­grundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG

Nach der Übersetzung des Gerichts verstößt das aus § 1741 Abs. 2 Satz 1 BGB und aus § 9 Abs. 6 und 7 LPartG folgende Verbot der gemein­schaft­lichen Adoption durch Lebenspartner angesichts dessen, dass die gemein­schaftliche Adoption durch Ehegatten nach § 1741 Abs. 2 BGB zugelassen und sogar als Regelfall der Annahme durch verheiratete Annehmende vorgesehen ist, gegen den Gleich­be­hand­lungs­grundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG. Dieser verbietet, wesentlich Gleiches ohne sachlich gerecht­fer­tigten Grund ungleich zu behandeln.

Amtsgericht verweist auf ständige Rechtsprechung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts

Es entspreche ständiger Rechtsprechung des BVerfG, dass eine Norm den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verletze, wenn sie eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten verschieden behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten. Zur Begründung einer Ungleichbehandlung von Personengruppen reiche es nicht aus, dass der Normgeber ein seiner Art nach geeignetes Unter­schei­dungs­merkmal berücksichtigt hat. Vielmehr muss auch für das Maß der Differenzierung ein innerer Zusammenhang zwischen den vorgefundenen Verschie­den­heiten und der diffe­ren­zie­renden Regelung bestehen, der sich als sachlich vertretbarer Unter­schei­dungs­ge­sichtspunkt von hinreichendem Gewicht anführen lässt (vgl. BVferG, Beschluss v. 07.07.2009 - 1 BvR 1164/07 -

Strenger Prüfungsmaßstab bezüglich einer Ungleich­be­handlung aufgrund sexueller Orientierung

Insbesondere habe das BVerfG festgestellt, dass die Ungleich­be­handlung zwischen Personen, die verheiratet sind, und solchen, die in einer eingetragenen Leben­s­part­ner­schaft leben, einer strengen Prüfung unterliege, da sie das perso­nen­be­zogene Merkmal der sexuellen Orientierung betreffe und somit erhebliche Unterschiede vorliegen müssten, um eine konkrete Ungleich­be­handlung rechtfertigen zu können (vgl. BVferG, Beschluss v. 07.07.2009 - 1 BvR 1164/07 -).

Ungleich­be­handlung von Ehe und eingetragener Leben­s­part­ner­schaft bei der gemein­schaft­lichen Adoption nicht gerechtfertigt

Gemessen an diesen Anforderungen sei die Ungleich­be­handlung von Ehe und eingetragener Leben­s­part­ner­schaft bei der gemein­schaft­lichen Adoption nicht gerechtfertigt. Das BVerfG habe bereits festgestellt, dass ein genereller Vorgang verschie­den­ge­schlecht­licher Elternschaft gegenüber gleich­ge­schlecht­licher Elternschaft nicht begründbar sei und insbesondere eine diesbezügliche Ungleich­be­handlung von Ehe und eingetragener Leben­s­part­ner­schaft nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG zu vereinbaren sei.

Generell spreche nichts gegen zwei gleich­ge­schlechtliche Elternteile

Auch der Gesetzgeber sei offenbar der Auffassung, dass nichts generell dagegen spreche, dass Menschen zwei gleich­ge­schlechtliche Elternteile haben können und/ oder Kinder in einer gleich­ge­schlichen Partnerschaft aufwachsen. Dies ergebe sich bereits daraus, dass die gemeinsame Pflege­el­tern­schaft - wie gerade der vorliegende Fall zeige- zweier Lebenspartner zulässig sei, ferner aus der Ermöglichung der Stief­kin­da­d­option durch § 9 Abs. 7 LPartG sowie daraus, dass die Einzeladoption durch Lebenspartner gem. § 1741 Abs. 2 Satz 1 BGB i.V.m. 9 Abs. 6 LPartG zulässig sei.

Quelle: ra-online, AG Schöneberg (vt/pt)

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