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Amtsgericht München Urteil14.06.2021
Reuebekundungen verlieren durch Wiederholung an WirkungAG München verurteilt Mann wegen wiederholtem Raubüberfall
Das Amtsgericht München hat einen 39jährigen aus Deggendorf wegen Raubes in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren ohne Bewährung verurteilt.
Der Angeklagte räumte vor Gericht ein, dass er am 12.03.2021 gegen 15.20 Uhr auf einem Platz in Neuhausen die Handtasche der von ihm verfolgten 87jährigen Geschädigten mit Einkäufen und deren Geldbeutel mit mindestens 95 Euro Bargeld sowie diversen Dokumenten zunächst von hinten wegzureißen versucht hatte. Der Geschädigten gelang es jedoch, die Tasche festzuhalten, woraufhin der Angeklagte so kräftig an der Tasche zog, dass er die Geschädigte zu Fall brachte und einige Meter mitzog, bis er die Tasche dem Griff der Geschädigten schließlich entreißen konnte. Die Geschädigte erlitt dabei eine Hautabschürfung, eine Prellung am linken Knie sowie an der Hüfte. Der noch am Tattag in Untersuchungshaft genommene Angeklagte erklärte vor Gericht: "So was hab' ich noch nie gemacht. Ich stand unter Alkoholeinfluss. Was passiert ist kann ich mich nicht so genau erinnern. Ich habe drei kleine Kinder, die kleinste hat heute Geburtstag. Ich schäme mich, ich schäme mich so sehr. Ja, ich bin von Deggendorf nach München gefahren, um spazieren zu gehen. In Deggendorf war alles zu. Ich bin nach München gekommen, hab' eingekauft. Mein Kind wollte auch mitkommen aber meine Frau hat das Kind nicht mitgegeben. Sie hat Probleme mit dem Herzen. Auch die Tochter ist herzkrank." Im Rahmen seines letzten Wortes erklärte er: "Natürlich bin ich vorbestraft. Ich war unter Alkoholeinfluss. Ich habe drei kleine Kinder. Ich will sterben. Das letzte Mal, ich möchte Bewährung haben. Ich flehe sie an. Ich werde nicht mehr Alkohol trinken. Ich werde mich an alles halten, an alle Vorschriften. Geben sie mir die letzte Chance. Ich werde nie mehr was tun."
Raubüberfall ohne schwerere Verletzungen
Die 87jährige verwitwete Rentnerin erklärte in ihrer Zeugenaussage: "Der Täter ist offenbar hinter mir hergeschlichen, weil ich war beim Einkaufen und von da aus hat er mich offenbar verfolgt. Direkt beim Hauseingang hab' ich meinen Schlüssel gesucht, ich war abgelenkt. Auf einmal werde ich gepackt von rückwärts unter den Achseln und mir wurde meine Handtasche entrissen. Ich hab' die festgehalten und ich bin hingefallen. Dann bin ich gestürzt und zum Glück ist die Frau (N.N.) dazu gekommen. Die wollte gerade rausgehen und hat das mitgekriegt. Meine Tasche war weg. Frau (N.N.) hat mich aufgehoben. Ich bin auf das linke Knie gestürzt. Wenn sie nicht gekommen wäre, wäre ich liegen geblieben. Der hat richtig gezogen. Eine Prellung hab' ich gehabt. Es hat nicht lang weh getan, ein paar Stunden. Heute ist wieder alles ok. Nein, ich hab' Gott sei Dank keine Angst. Einen leichten Schock hab' ich gehabt, aber prinzipiell bin ich ziemlich stabil. Es hängt mir nicht nach."
Übertriebene, nicht glaubhafte Entschuldigung bei der Geschädigten
Nach Auffassung des AG ist eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren tat- und schuldangemessen. Hierbei war insbesondere zu Gunsten des Angeklagten dessen vollumfängliches Geständnis zu berücksichtigen sowie der Umstand, dass die geraubten Gegenstände der Geschädigten zurückgegeben werden konnten. Auch befindet sich der Angeklagte in dieser Sache seit drei Monaten in Untersuchungshaft. Strafmildernd war weiter zu werten, dass sich der Angeklagte bei der Geschädigten entschuldigt hat und Reue für sein Verhalten zeigte, auch wenn der Angeklagte diesbezüglich ein derartig übertriebenes Schauspiel ablieferte, dass das Gericht Zweifel an der Ernsthaftigkeit dieser Darbietung nicht zu überwinden vermochte. Schließlich war auch zu Gunsten des Angeklagten zu berücksichtigen, dass er alkoholbedingt enthemmt gewesen ist, wenngleich die Schwelle des § 21 StGB nicht erreicht war. Zu Lasten des Angeklagten musste insbesondere gesehen werden, dass er strafrechtlich bereits erheblich und einschlägig in Erscheinung getreten ist."
Täter wiederholt Reuebekundung fast wortgleich
Der Angeklagte war wegen fünf Trickdiebstählen im Sommer 2018 schlussendlich zu einer Gesamtfreiheitstrafe von elf Monaten und wegen einer neuerlich versuchten Tat vom 30.5.2020 zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt worden. Aus dieser Haft war er erst am 5.2.2021 entlassen worden. In den drei vorangegangenen Verhandlungen hatte er jeweils nahezu wortgleich seine Reue bekundet und Besserung gelobt. "Auch die Wiederholungsgeschwindigkeit seit der letzten Haftentlassung des Angeklagten ist beachtlich. Darüber hinaus hat der Angeklagte zwei Delikte tateinheitlich begangen. Strafschärfend war weiter zu werten, dass es sich bei dem Opfer um eine 87-jährige gebrechliche Dame handelt, die vom Angeklagten mit erheblicher Brutalität behandelt wurde. Es ist nur einem glücklichen Zufall zu verdanken, dass es nicht zu schwereren Verletzungen kam. Es wäre für die auf die Unverbrüchlichkeit der Rechtsordnung vertrauende Bevölkerung schlechthin unverständlich, wenn auf einen "klassischen Straßenraub" zum Nachteil einer 87-jährigen gebrechlichen Dame nicht mit einer Vollzugsstrafe reagiert werden würde. Das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung ist in ganz besonderem Maße bedroht, wenn ein Täter ein ihm unbekanntes Opfer auf offener Straße zu Boden reißt und beraubt."
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 30.06.2021
Quelle: Amtsgericht München, ra-online (pm/aw)
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