21.11.2024
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Amtsgericht München Urteil25.02.2013

Wohneigentümer hat keinen Anspruch auf Errichtung eines Außenaufzugs bei dadurch bedingtem erheblichen Wertverlust der WohnanlageInteresse am Schutz und Werterhalt des Eigentums hat Vorrang vor Interesse an behinderten­gerechter Nutzung des Eigentums

Ein Wohnungs­ei­gentümer kann einen behinderten­gerechten Zugang zu seiner Wohnung nur dann von den Miteigentümern verlangen, wenn nicht deren höherrangige Rechte, wie zum Beispiel der Schutz vor erheblichem Wertverlust, entgegenstehen. Dies entschied das Amtsgericht München.

Die Kläger des zugrunde liegenden Streitfalls möchten im Hof ihrer Wohnungs­ei­gen­tums­anlage in München Milbertshofen einen Außenlift anbringen. Die Kläger zu 1 und 2 sind Eigentümer und Bewohner des Dachgeschosses. Die Klägerin zu 2 ist außerdem Eigentümerin der beiden Wohnungen im 3. Obergeschoß. Der Kläger zu 3 ist Eigentümer einer Wohnung im 2. Obergeschoß. In der Wohnung des Klägers zu 3 leben seine Eltern als Nießbrauchs­be­rechtigte. Der Kläger zu 1 ist aufgrund eines Herzinfarktes mit Aorten­dis­sektion, einer Kniear­thro­skopie sowie einer Nabel­bruch­ope­ration zu 60 % schwerbehindert. Er darf krank­heits­bedingt nichts Schweres tragen und kann nur mit Mühe und erheblich verlangsamt die Treppen in das Dachgeschoß hochsteigen. Die 82-jährige Mutter des Klägers zu 3, die im zweiten Obergeschoß lebt, ist zu 100 Prozent schwerbehindert. Sie sitzt aufgrund einer Rückenoperation im Rollstuhl.

Eigen­tü­mer­ver­sammlung lehnt Antrag auf Errichtung eines Außenaufzugs ab

Der Einbau eines Treppenliftes ist im Haus technisch nicht möglich. Der Einbau eines Innenliftes wäre technisch möglich, jedoch müsste zusätzlich die Aufgangstreppe durch einen zusätzlichen Treppenlift oder eine Rampe ergänzt werden. Im Mai 2011 beantragten die drei Kläger in der Eigen­tü­mer­ver­sammlung, dass das Anbringen des Außenaufzugs genehmigt wird und alle Kosten dieser Maßnahme von den Klägern zu tragen sind. In der Eigen­tü­mer­ver­sammlung am 6. Dezember 2011 wurde der Antrag der Kläger abgelehnt.

Wohnungs­ei­gentümer klagen auf Zustimmung zur Errichtung des Außenaufzugs

Die Kläger erhoben daraufhin Klage vor dem Amtsgericht München mit dem Ziel, dass der Beschluss der Eigen­tü­mer­ver­sammlung für ungültig erklärt und die Miteigentümer verpflichtet werden, der Errichtung des Außenaufzugs zuzustimmen, wobei die Kläger alle Kosten für den Aufzug auch in Zukunft übernehmen würden.

Miteigentümer befürchten Wertverlust ihres Eigentums

Die Kläger tragen vor, dass der Kläger zu 1 und die Bewohnerin der Wohnung des Klägers zu 3 aufgrund ihrer gesund­heit­lichen Beein­träch­ti­gungen auf die Errichtung des Aufzuges angewiesen seien, damit sie auch in Zukunft ihre Wohnungen noch erreichen können und damit auch nutzen können. Die Beein­träch­tigung der übrigen Eigentümer durch den Bau des Aufzugs sei nicht erheblich. Die beklagten Miteigentümer sehen durch den Aufzug die Nutzbarkeit ihrer Garagen erheblich eingeschränkt und befürchten einen Wertverlust ihres Eigentums.

Erhebliche Wertminderungen der Anlage durch Errichtung des Außenaufzugs stellt keine unerhebliche Beein­träch­tigung dar

Das Amtsgericht München hat nach Erholung eines Sachver­stän­di­gen­gut­achtens die Klage abgewiesen. Der Bau des Außenaufzugs wurde zu Recht von den Miteigentümern abgelehnt. Die Errichtung eines Außenaufzugs ist eine bauliche Veränderung, die nur verlangt werden kann, wenn jeder Eigentümer, dessen Rechte durch die Maßnahme übermäßig beeinträchtigt werden, zustimmt. Das Gericht muss hier im Einzelfall eine Abwägung aller grundrechtlich geschützten Interessen vornehmen. Das Recht der Eigentümer, ihre Wohnungen behin­der­ten­gerecht nutzen zu können, wird von Artikel 3 Grundgesetz geschützt. Einem Behinderten darf der barrierefreie Zugang zu seiner Wohnung nicht vorenthalten oder unzumutbar erschwert werden. Optische oder akustische Beein­träch­ti­gungen durch eine barrierefreie Gestaltung des Eingangs­be­reiches oder des Treppenhauses können daher grundsätzlich von den übrigen Eigentümern hinzunehmen sein. Dem Interesse der Kläger auf behin­der­ten­ge­rechte Nutzung des Eigentums steht jedoch das Interesse der übrigen Eigentümer am Schutz ihres Eigentums gegenüber. Die Beein­träch­tigung der übrigen Eigentümer wird in der Regel dann nicht mehr als nur unerheblich anzusehen sein, wenn mit der barrierefreien Gestaltung des gemein­schaft­lichen Eigentums erhebliche Wertminderungen der Anlage oder einzelner Wohneinheiten einhergehen.

Barrierefreie Ausgestaltung des gemein­schaft­lichen Eigentums ist nur bei unerheblichen Beein­träch­ti­gungen der übrigen Miteigentümer hinzunehmen

Das Gericht kommt zu dem Ergebnis, dass im vorliegenden Fall das Interesse der übrigen Eigentümer am Werterhalt ihres Eigentums vorrangig ist. Jeder Eigentümer könne grundsätzlich auf den Bestand vertrauen. Auch das Bundes­ver­fas­sungs­gericht würde anerkennen, dass der Schutz des Bestandes sehr weit reichen würde. Die Kläger hätten bewusst eine Wohnung ohne Aufzug erworben. Die Möglichkeit der eingeschränkten Mobilität im Alter sei allgemein bekannt. Für den Erwerber einer Wohnung ohne Aufzug sei daher erkennbar, dass diese Wohnung eventuell im Alter nicht mehr uneingeschränkt nutzbar sein könnte. Andererseits fordere das Grundgesetz die barrierefreie Ausgestaltung als verfas­sungs­rechtliche Vorgabe wegen des Verbotes der Benachteiligung Behinderter. Die barrierefreie Ausgestaltung des gemein­schaft­lichen Eigentums sei hinzunehmen, wenn sie nicht zu erheblichen Beein­träch­ti­gungen der übrigen Miteigentümer führe.

Bau des Außenaufzugs würde zu erheblichen Beein­träch­ti­gungen der Miteigentümer führen

Durch den Bau des Außenaufzugs würden im hier entschiedenen Fall die Miteigentümer erheblich beeinträchtigt. Die Nutzbarkeit der Garagen und damit der Wert der Garagen und auch Wohnungen würde erheblich beeinträchtigt. Der Sachverständige hat festgestellt, dass mit der Errichtung des Aufzuges das Einparken in die Garagen mit zusätzlichem Rangieraufwand verbunden wäre. Dies führe zu einer erheblichen Wertminderung. Für den Käufer einer Garage sei es von erheblicher Bedeutung, wie die Zufahrt zu der Garage möglich ist, ob das Befahren problemlos in einem Zug oder nur mit mehrmaligem Rangieren möglich sei. Je größer der Aufwand für das Ein- und Ausparken, desto geringer sei der Wert der Garage im Verhältnis zu problemlos befahrbaren Garagen. Diese Wertminderung würde auch auf den Wert der Wohnung durchschlagen. Auch sei davon auszugehen, dass bei zusätzlichem Rangieren im Hofbereich zusätzlicher Lärm und zusätzliche Abgase entstehen, die diejenigen Eigentümer beeinträchtigen, die Fenster zum Hofbereich haben.

Kläger werden teilweise in absehbarer Zeit ausziehen

Das Gericht führt weiter aus, dass im vorliegenden Fall das Schutzbedürfnis und die Interessen der Kläger etwas geringer zu bewerten seien als bei vergleichbaren Fällen, in denen die Bewohner auf einen behinderten gerechten Zugang angewiesen sind. Denn die Kläger zu 1 und 2 hätten noch einen weiteren Wohnsitz und die Bewohnerin der Wohnung des Klägers zu 3 würde in absehbarer Zeit ausziehen.

Quelle: Amtsgericht München/ra-online

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