18.10.2024
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Amtsgericht München Urteil06.09.2018

Wohn­flächen­autonomie: Mietvertraglich geschuldete Wohnfläche kann von Vertrags­parteien festgelegt werdenMiet­vertrags­parteien können nach Grundsatz der Privatautonomie alle denkbaren Berech­nungs­maßstäbe für Wohn­flächen­berechnung vereinbaren

Das Amtsgericht München hat entschieden, dass Miet­vertrags­parteien vertraglich festlegen können, welche Räume zu Wohnzwecken dienen sollen. In einem solchen Fall können auch solche Räume bei der Bemessung der Wohnfläche zu berücksichtigen sein, die aus Gründen des öffentlichen Baurechts nicht zu Wohnzwecken geeignet sind.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ende 2010 mieteten die Beklagten für brutto 2.255 Euro monatlich ein Einfamilienhaus wobei im Mietvertrag vereinbart wurde:

"Zur Benutzung als Wohnraum wird das EFH [...] vermietet. [...]. Die Wohnfläche wird mit ca. 210m² vereinbart. [...]"

Im Internet war das Haus wie folgt beschrieben: "7 Zimmer, 210 m² Wohnfläche". Bei der "Objekt­be­schreibung" hieß es u.a.: "großräumiges ausgebautes Dachstudio mit Bad; großer Hobbyraum im Keller". Auch vom Studio und vom Hobbyraum im Keller waren Fotos beige-fügt.

Nachdem der Kläger im Januar 2017 von den Beklagten die Zustimmung zu einer Mieterhöhung verlangt hatte, antworteten die Beklagten, dass sie nun die Wohnfläche überprüft und dabei festgestellt hätten, dass diese nur bei 173,5 qm liege. Da sie somit bereits die ortsübliche Miete zahlen würden, lehnten sie eine Mieterhöhung ab und kürzten ab Juli 17 die Mietzahlung um je 700 Euro, so dass der Kläger ihnen nach vergeblicher Mahnung unter Kündi­gung­s­an­drohung zuletzt mit Schreiben vom 15. Dezember 2017 fristlos kündigte.

Dachgeschoss und beheizter Hobbyraum sind laut Vermieter als Wohnraum zu berücksichtigen

Der Kläger trug vor, dass der Wohnraum im Mietvertrag richtig mit etwa 210 qm angegeben sei. Sowohl bei der Vertrags­an­bahnung als auch bei der Besichtigung seien sich die Beklagten darüber im Klaren gewesen, dass das Haus über ein ausgebautes Dachgeschoss sowie über einen beheizten Hobbyraum mit Abböschungen verfügt. Diese Räumlichkeiten seien somit als Wohnraum mit zu berücksichtigen. Auch aus der Internetanzeige sei dies ersichtlich gewesen. Das Haus sei von den Beklagten vor Einzug besichtigt und es sei mit ihnen genau besprochen worden, was hier zur Wohnfläche zähle. Zudem habe der Beklagte, der laut Selbstauskunft Architekt sei, schon deswegen die Wohnfläche richtig einschätzen können.

Mieter berufen sich auf gesetzliche Vorschriften

Die Beklagte war der Auffassung, dass es nicht im Gutdünken des Vermieters stehe, festzulegen, was Wohnfläche ist und was nicht. Letztlich sei die vereinbarte Mietfläche zwischen den Parteien nicht abschließend definiert und vereinbart worden, so dass die gesetzlichen Vorschriften gelten würden, insbesondere die Wohnflä­chen­ver­ordnung und die Bayrische Bauordnung. Die tatsächliche Wohnfläche betrage danach lediglich 138 m² und sei somit um ca. 35 % kleiner als vereinbart. Der Kläger sei umgekehrt verpflichtet an die Beklagten 55.000 Euro an zu viel vereinnahmter Miete zurückzuzahlen.

Entscheidend für Beschaf­fen­heits­ver­ein­barung über Umfang der Wohnfläche ist mitvertragliche Einigung zwischen Vertrags­parteien

Das Amtsgericht München gab dem Kläger Recht. Für den Begriff der Wohnfläche gebe es keine allgemeine Definition. Nach dem Grundsatz der Privatautonomie seien die Parteien frei, alle denkbaren Berech­nungs­maßstäbe zu vereinbaren. Eine Vereinbarung betreffend die Methode der Wohnflä­chen­be­rechnung sei auch dann anzunehmen, wenn sich die Parteien darin einig seien, dass bestimmte Räume zu Wohnzwecken dienen sollen. In einem solchen Fall seien auch solche Räume bei der Bemessung der Wohnfläche zu berücksichtigen, die aus Gründen des öffentlichen Baurechts nicht zu Wohnzwecken geeignet seien. Entscheidend für eine Beschaffenheitsvereinbarung über den Umfang der Wohnfläche sei eine Einigung darüber, auf welche Flächen sich der beabsichtigte Nutzungszweck erstrecken solle, und nicht die Frage, ob der geplanten (und verwirklichten) Nutzung rechtliche Gründe entgegenstünden. Auch sei bereits - ohne besondere Fachkenntnis - auf den ersten Blick klar, dass sich bei bloßer Berück­sich­tigung der Wohnflächen im Erdgeschoss und im Obergeschoss nie eine Gesamt­wohn­fläche von 210 qm ergeben könne. Zwar könne von einem Mieter nicht verlangt werden, dass er die Wohnflächen bei Vertragsschluss nachmisst. Wenn aber so eklatante Größen­un­ter­schiede bestünden, dass es ins Auge springen müsse, dass Erdgeschoss und Obergeschoss allein bei weitem die angegebene Gesamtzahl nicht erreichen könnten, sei von einer konkludenten Vereinbarung dahingehend auszugehen, dass auch die entsprechenden Räume im Keller und im Dachgeschoss zu den Wohnräumen zählen sollen.

Quelle: Amtsgericht München/ra-online

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