18.10.2024
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Amtsgericht München Urteil12.06.2013

Reis­erücktritts­versicherung: Leistungs­aus­schluss für psychische Erkrankungen zulässigVertragsklausel stellt keine unangemessene Benachteiligung für den Versi­che­rungs­nehmer dar

Das Amtsgericht München hat entschieden, dass ein Leistungs­aus­schluss für psychische Erkrankungen bei einer Reis­erücktritts­versicherung zulässig ist.

Im zugrunde liegenden Fall buchte ein Paar im April 2012 eine Pauschalreise nach Cancun, Mexiko zum Preis von 3.481 Euro. Die Reise war für die zweite Hälfte des Oktobers geplant. Um sich abzusichern, schlossen die Reisenden eine Reise­rück­tritts­ver­si­cherung ab. Die Versi­che­rungs­be­din­gungen enthielten einen Leistungs­aus­schluss für psychische Erkrankungen.

Kläger halten Vertragsklausel über Leistungs­aus­schluss für überraschend und daher unwirksam

Im Mai wurde bei dem Mann eine mittelgradige Depression diagnostiziert, die es ihm unmöglich machte, die Reise anzutreten. Daraufhin stornierte das Paar den Urlaub. Sie erhielten nur einen Teil des Reisepreises zurück. Die Erstattung der Stornokosten in Höhe von 2.161 Euro verlangten sie deshalb von der Reise­rück­tritts­ver­si­cherung. Diese verwies allerdings auf die Klausel in ihren Versi­che­rungs­be­din­gungen. Die Klausel sei überraschend und unwirksam, entgegneten die Reisenden und erhoben Klage vor dem Amtsgericht München.

Leistungs­an­spruch wurde wirksam ausgeschlossen

Die zuständige Richterin wies die Klage jedoch ab. Ein Leistungs­an­spruch aus der Reise­rück­tritts­ver­si­cherung bestünde nicht, denn psychische Erkrankungen seien wirksam ausgeschlossen worden. Die Ausschluss­klausel sei nicht überraschend.

Voraussetzungen für eine überraschende Klausel

Eine Klausel sei dann überraschend, wenn ihr Inhalt nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erschei­nungsbild des Vertrages, so ungewöhnlich sei, das mit dieser Regelung nicht gerechnet werden könnte. Dabei sei auf die Erkennt­nis­mög­lich­keiten eines Durch­schnitts­kunden abzustellen.

"Überrumpelungs- und Übertöl­pe­lungs­effekt" nicht gegeben

Ein entsprechender Leistungs­aus­schluss sei in anderen Versi­che­rungs­zweigen, so etwa der Unfall­ver­si­cherung, der Arbeits­un­fä­hig­keits­zu­satz­ver­si­cherung und der Kinde­r­in­va­li­di­täts­ver­si­cherung schon seit längerer Zeit anerkannt. Dies stelle ein starkes Indiz dafür dar, dass objektiv mit einer solchen Ausschluss­klausel gerechnet werden müsse. Auch erscheine die Ausschluss­klausel nicht etwa an leicht zu übersehender Stelle, sondern füge sich systematisch in das Klauselwerk ein. Auch ein "Überrumpelungs- und Übertöl­pe­lungs­effekt" sei nicht gegeben. Ein solcher Überra­schungs­effekt liege deswegen nicht vor, da generell bei Abschluss einer Reise­rück­tritts­ver­si­cherung nicht sämtliche denkbaren Ereignisse versichert seien. Zudem sei der Hinweis auf den Ausschluss deutlich, auch im Rahmen einer ausgehändigten Übersicht, erfolgt.

Regelung über Leistungs­aus­schluss klar und verständlich

Die Regelung sei auch klar und verständlich. Sie lasse keine Zweifel offen, dass die Versicherung im Falle einer psychischen Erkrankung nicht leiste. Der Begriff "psychische Erkrankung" sei im allgemeinen Sprachgebrauch gebräuchlich, es handele sich nicht um einen spezifischen Fachbegriff, der für den typischen Verwender nicht ohne weiteres zu verstehen sei.

Klare Auflistung der Leistungsfälle lässt keinen falschen Eindruck über Ausschluss entstehen

Die Klausel benachteilige den Versi­che­rungs­nehmer auch nicht unangemessen. Sofern eine Versicherung keine falschen Vorstellungen erwecke, sei sie in der Bestimmung des Umfangs der versicherten Ereignisse aufgrund ihrer unter­neh­me­rischen Entscheidung grundsätzlich frei. Eine Gefährdung des Vertragszwecks sei erst dann anzunehmen, wenn die Leistungs­ein­schränkung den Vertrag so weit aushöhle, dass er in Bezug auf das zu versichernde Risiko zwecklos werde. Dies sei hier nicht der Fall. Der Versi­che­rungs­schutz umfasse sämtliche im Übrigen versicherten Ereignisse, so u.a. physische Erkrankungen. Da mithin ein weitgespannter Versi­che­rungs­schutz bestehe, könne nicht von einer Gefährdung des Leistungszwecks gesprochen werden. Aufgrund der klaren Auflistung der Leistungsfälle werde diesbezüglich auch kein falscher Eindruck erweckt.

Im Übrigen sei eine Benachteiligung dann unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertrags­ge­staltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertrags­partners durchzusetzen versuche, ohne von vornherein auch dessen Belange ausreichend zu berücksichtigen.

Die

Ausschluss­klausel dient auch Interessen des Versi­che­rungs­nehmers

Ausschluss­klausel diene nicht lediglich den Interessen des Versicherers, sondern auch denjenigen der Versi­che­rungs­nehmer. Das Interesse des Versicherers, nur bei objektiv fassbaren, möglichst unproblematisch zu diagnos­ti­zie­renden Erkrankungen zu leisten, schlage sich in der, dem Versi­che­rungs­nehmer zu Gute kommenden Tarif­ka­l­ku­lation nieder und gewährleistet eine -mit vertretbarem Aufwand und zeitnah zu treffende- Entscheidung über die Versi­che­rungs­leis­tungen. Eine möglichst reibungslose, kostengünstige Vertrags­ab­wicklung sei gerade bei der Einbeziehung von psychischen Erkrankungen erheblich erschwert, denn diese Erkrankungen würden stark von den persönlichen Dispositionen eines Versi­che­rungs­nehmers abhängen. Als Auslöser komme praktisch jedwedes Geschehen in Betracht.

Quelle: Amtsgericht München/ra-online

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