21.11.2024
21.11.2024  
Sie sehen ein Flugzeug am Himmel.
ergänzende Informationen

Amtsgericht München Urteil27.10.2020

Kein kostenfreier Rücktritt von Kreuzfahrt wegen Unwohl- und AngstgefühlenReise­ver­an­stalter hat hier Anspruch auf vereinbarte Stornogebühr

Das AG München hat entschieden, dass eine Reisende, die wegen der Corona-Pandemie von einer gebuchten Kreuzfahrt, zurückgetreten ist, die vereinbarte Stornogebühr zahlen muss, wenn zu diesem Zeitpunkt noch nicht absehbar war, ob die Kreuzfahrt coronabedingt ausfällt.

Die Klägerin aus dem Sauerland buchte am 24.01.2020 für sich, ihren Ehemann und ihre zwei Kinder bei der Beklagten eine Kreuzfahrt zu einem Gesamtpreis von 1.996 Euro und schloss eine Reise­rück­tritts­ver­si­cherung für 168 Euro ab. Die Kreuzfahrt sollte vom 28.06. bis 05.07.2020 von Warnemünde mit Stopps in Stockholm, Tallinn, St. Petersburg und Kopenhagen stattfinden. Die Klägerin zahlte 568 Euro an: 400 Euro auf den Reisepreis und 168 Euro für die Versicherung. Sie trat am 01.04.2020 von dem Pauscha­l­rei­se­vertrag zurück und klagt nun auf Rückerstattung ihrer Anzahlung.

Klägerin: Ausfall der Kreuzfahrt wegen Corona bei Rücktritt bereits absehbar

Die Klägerin meint, dass bei ihrem Rücktritt bereits absehbar gewesen sei, dass die Kreuzfahrt auf Grund der Corona-Pandemie nicht stattfinden werde. Dies auch, weil die Beklagte nachfolgend am 29.04.2020 ihren Flottenbetrieb bis zum 10.07.2020 eingestellt und die Kreuzfahrt letztendlich nicht stattgefunden habe. Mit Stand 28.03.2020 sei die Einreise nach Russland und Dänemark nicht möglich gewesen. Es habe zudem eine weltweite Reisewarnung des Auswärtigen Amtes bestanden. Die Beklagte erhebt Anspruch auf die vereinbarten Stornogebühren in Höhe von 20 % des Reisepreises. Zum Zeitpunkt des Rücktritts sei eben nicht absehbar gewesen, dass die Reise nicht stattfinden könne. Die Reisewarnung habe vorerst nur bis Mitte Juni gegolten.

AG bejahrt Anspruch auf Entschädigung wegen Rücktritt

Das AG München gab der Beklagten Recht und hat die Klage bis auf einen Kleinbetrag von ,80 Euro abgewiesen. Folge des Rücktritts des Reisenden vor Reisebeginn ist, dass der Reiseveranstalter seinen Anspruch auf den vereinbarten Reisepreis verliert. Gemäß § 651 h Abs. 1 Satz 3 BGB kann der Reise­ver­an­stalter dann jedoch eine angemessene Entschädigung verlangen. Dies gilt nach § 651 h Abs. 3 BGB aber nicht, wenn am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbare, außer­ge­wöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen.

Höhe des Anspruchs muss zum Zeitpunkt des Rücktritts feststehen

Die Covid-19-Pandemie kann grundsätzlich als (...solch ein, Anm.d.Verf.) Umstand zu bewerten sein. Allein die Tatsache der Pandemie reicht nach Auffassung des Gerichts jedoch nicht aus, um jeglichen Rücktritt von allen Pauschalreisen zu jedem Zeitpunkt ohne Anfall von Entschä­di­gungs­zah­lungen zuzulassen. Es ist zu prüfen, inwieweit die konkrete Reise aus einer exante Betrachtung heraus erheblich beeinträchtigt sein wird. Spätere Ereignisse können die exante Beurteilung nicht nachträglich ändern. Die Höhe des Anspruchs muss im Zeitpunkt des Rücktritts feststehen. Nach § 651 h Abs. 5 BGB ist der Reise­ver­an­stalter verpflichtet innerhalb von 14 Tagen den Reisepreis zurück­zu­er­statten. Käme es auf die zukünftige Entwicklung an, könnte ein zunächst nicht begründeter Anspruch im Laufe der Zeit begründet werden. Das kann nicht richtig sein."

Durchführung der Kreuzfahrt bei Rücktritt nicht ausgeschlossen

Es komme angesichts der Dynamik der Pandemie auf die Umstände des Einzelfalls an. Sowohl die Reisewarnung des Auswärtigen Amtes wie die Einreiseverbote nach Dänemark und Russland seien zunächst befristet gewesen. "Damit lag im Zeitpunkt des Rücktritts für den Reisezeitraum vom 28.06.2020 bis 05.07.2020 noch keine Reisewarnung vor. Zwar lagen zu dieser Zeit bereits erste Erfahrungen mit Corona-Ausbrüchen auf Kreuz­fahrt­schiffen vor. Dennoch war Anfang April 2020 nach Auffassung des Gerichts nicht ausgeschlossen, dass drei Monate später mit einem Hygienekonzept und Testungen der Passagiere die Durchführung der Kreuzfahrt möglich gewesen wäre.

Bloße Unwohl- und Angstgefühle reichen für kostenlose Stornierung nicht aus

Unter Berück­sich­tigung dieser Gesichtspunkte geht das Gericht davon aus, das bei der exante Betrachtung am 01.04.2020 nicht mit der erforderlichen Sicherheit davon ausgegangen werden konnte, dass im Reisezeitraum Umstände vorliegen werden, die die Reise erheblich beeinträchtigen. Der frühzeitige Rücktritt der Klägerin spricht vielmehr dafür, dass ihr bereits zu diesem Zeitpunkt klar war, dass sie die Kreuzfahrt unter keinen Umständen wahrnehmen möchte. Dies sind aber primär bloße Unwohl- und Angstgefühle, die für eine kostenlose Stornierung gerade nicht ausreichen." Somit war die Klage nur in Höhe, der die Stornogebühr übersteigenden 80 Cent begründet.

Quelle: Amtsgericht München, ra-online (pm/ab)

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil29460

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI