21.11.2024
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Amtsgericht München Urteil27.06.2014

Zugführerin hat nach miterlebtem Suizidversuch Anspruch auf SchmerzensgeldPosttrau­ma­tische Belas­tungs­störung ist als Körper­ver­letzung anzusehen

Das Amtsgericht München hat entschieden, dass es bei einem Sprung vor einen einfahrenden Zug für den Täter in der Regel vorhersehbar ist, dass dieser Suizidversuch beim Zugführer einen psychischen Schaden verursacht. Der Zugführer hat daher Anspruch auf Schmerzensgeld gegen den Täter.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die 23-jährige beklagte Münchnerin beging am 14. Februar 2012 einen Suizidversuch. Sie warf sich gegen 23.11 Uhr im Bereich des Haltepunktes Bahnhof Karlsfeld vor die S-Bahn. Dadurch kam es zu einem Unfall, den die Münchnerin überlebte. Die Klägerin aus München war zum Unfallzeitpunkt die Trieb­wa­gen­führerin. Sie erlitt aufgrund dieses Erlebnisses einen erheblichen psychischen Schock und leidet seitdem an einer posttrau­ma­tischen Belas­tungs­störung. In der Zeit vom 14. Februar 2012 bis 16. März 2012 war sie arbeitsunfähig krank.

Zugführerin verlangt Schmerzensgeld

Die Klägerin verlangt nun von der Beklagten Schmerzensgeld. Die Beklagte, die unter Betreuung steht, zahlte nicht. Sie trägt vor, dass sie zum Zeitpunkt des Unfalls nicht in der Lage war, frei eine Willen­s­ent­scheidung zu treffen, da sie an einer krankhaften Störung der Geiste­s­tä­tigkeit gelitten habe. Daraufhin erhob die S-Bahn-Zugführerin Klage vor dem Amtsgericht München.

Verursachen eines psychischen Schadens beim Zugführer durch Suizidversuch für Täter vorhersehbar

Die zuständige Richterin am Amtsgericht München gab ihr Recht und verurteilte die Beklagte zur Zahlung von 1.500 Euro Schmerzensgeld. Das Gericht stellt fest, dass die Beklagte durch ihren Suizidversuch bei der Klägerin eine Körper­ver­letzung verursacht hat. Die psychische Fehlver­a­r­beitung des Unfalls durch die Zugführerin sei eine ganz typische Reaktion auf Unfälle dieser Art und durch das Ereignis ausgelöst. Für die Beklagte sei vorhersehbar und erkennbar gewesen, dass sie bei dem Sprung vor den einfahrenden Zug bei dem Zugführer einen psychischen Schaden verursacht.

Gericht geht von schuldhaftem Handeln der Beklagten aus

Die Beklagte hat gegenüber dem Gericht die von ihr behauptete Erkrankung nicht nachgewiesen. Die Beklagte legte dem Gericht ein Schreiben des behandelnden Arztes vom 14. März 2012 vor, wonach sie am 18. November 2011 in einer Klinikambulanz war und stationär vom 26. Januar 12 bis 2. Februar 2012 wegen selbst­ver­let­zender Verhal­tens­weisen (Ritzen) und einer Tablet­ten­in­to­xi­kation in einer Klinik behandelt wurde. Außerdem legte sie ein ärztliches Attest vom 14. Januar 2013 vor, wonach sie an einer emotional instabilen Persön­lich­keits­s­törung vom Borderlinetyp leidet. Obwohl sie vom Gericht darauf hingewiesen wurde, legte die Beklagte keine Nachweise dafür vor, dass sie zum Unfallzeitpunkt am 14. Februar 2012 so sehr erkrankt war, dass sie keinen freien Entschluss fassen konnte. Daher musste das Gericht davon ausgehen, dass die Beklagte schuldhaft gehandelt hat.

Quelle: Amtsgericht München/ra-online

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