Amtsgericht München Urteil27.12.2013
Krankenversicherung muss Kosten für augenärztliche Behandlung von Alterssichtigkeit nicht erstattenAlterssichtigkeit ist keine Krankheit
Das Amtsgericht München hat entschieden, dass die Kosten für die augenärztliche Behandlung von Alterssichtigkeit nicht von der Versicherung erstattet werden müssen.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der 54-Jährige Kläger aus dem Landkreis München ist privat krankenversichert. Er litt an Grauem Star, an Kurzsichtigkeit in Kombination mit einer Stabsichtigkeit (Hornhautverkrümmung) und an der sogenannten Alterssichtigkeit. Deshalb begab er sich Anfang 2012 in München in augenärztliche Behandlung. Am 27. Juni 2012 und am 3. Juli 2012 ließ er an beiden Augen einen operativen Eingriff vornehmen. Dabei wurde in beide Augen jeweils eine torische Multifokallinse zum Preis von je 963 Euro eingesetzt. Durch die Behandlung wurde die Fehlsichtigkeit des Klägers vollständig geheilt. Die Krankenversicherung erstattete jedoch nur die Kosten für sogenannte Einstärkenlinsen in Höhe von jeweils 200 Euro. Sie behauptet, die darüber hinausgehende Behandlung sei medizinisch nicht notwendig gewesen. Einstärkenlinsen oder Monofokale Linsen können einen einfachen Sehfehler ohne Hornhautverkrümmung ausgleichen.
Kläger verlangt Kostenerstattung durch Krankenversicherung
Der Kläger erhob Klage vor dem Amtsgericht München gegen seine Krankenversicherung unter anderem mit dem Ziel, die Kosten für die torischen Multifokallinsen erstattet zu bekommen. Mit torischen Multifokallinsen kann nicht nur ein sphärischer und astigmatischer Sehfehler korrigiert werden, sondern zusätzlich auch die durch das Altern entstandene Leseschwäche ausgeglichen werden.
Amtsgericht spricht Kläger Teilbetrag für torische Intraokularlinsen zu
Das Amtsgericht München hat Beweis erhoben durch ein Sachverständigengutachten und dem Kläger einen Teilbetrag in Höhe von 338 Euro für torische Intraokularlinsen zugesprochen. Diese Linsen können neben dem sphärischen Refraktionsdefizit auch noch eine Hornhautverkrümmung ausgleichen.
Versicherungsvertrages sieht Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen nur für medizinisch notwendige Heilbehandlung wegen Krankheit vor
Das Gericht stellte fest, dass aufgrund des Versicherungsvertrages der Kläger nur einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen für eine medizinisch notwendige Heilbehandlung wegen Krankheit hat. Eine Heilbehandlungsmaßnahme ist dann medizinisch notwendig, wenn sie nach den medizinischen Befunden im Zeitpunkt der Behandlung vertretbar ist. Dies ist dann der Fall, wenn eine wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethode zur Verfügung steht, die die Krankheit heilen, bessern oder lindern kann. Sie muss nicht sicher zum Erfolg führen.
Alterssichtigkeit ist physiologische und damit nicht krankhafte Veränderung des menschlichen Auges
Eine Krankheit liegt nach dem Versicherungsvertrag vor, wenn nach ärztlichem Urteil ein anormaler, regelwidriger Körper- oder Geisteszustand besteht. Auf der Grundlage des Sachverständigengutachtens stellt das Gericht fest, dass die Alterssichtigkeit keinesfalls ein regelwidriger Zustand ist. Vielmehr gehöre die Entwicklung einer Alterssichtigkeit zum natürlichen Alterungsprozess des Menschen, die erstmals im 4. Lebensjahrzehnt auftrete und mit dem Ende des 5. Lebensjahrzehnts ihre maximale Ausprägung erreiche. Somit ist die Alterssichtigkeit eine physiologische und damit nicht krankhafte Veränderung des menschlichen Auges.
Torische Intraokularlinsen zur Behandlung des grauen Stars und des Refraktionsdefizits erstattungsfähig
Erstattungsfähig nach dem Gerichtsurteil waren daher allein torische Intraokularlinsen, da deren Implantation die Krankheit des grauen Stars und des Refraktionsdefizits beheben konnte. Und damit medizinisch notwendig war. Eine Implantation einer Monofokallinse, wie es von der Versicherung als ausreichend angesehen wurde, in Kombination mit einer Brille wäre nach Überzeugung des Gerichts nicht ausreichend gewesen, da hierdurch die Krankheit nicht geheilt worden wäre.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 24.11.2014
Quelle: Amtsgericht München/ra-online