21.11.2024
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Dokument-Nr. 31598

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Amtsgericht München Urteil14.05.2021

Mobil­funk­be­treiber muss auch Unternehmer auf erhöhte Auslands­ge­bühren hinweisenSchutzwirkung der EU Roaming-VO auch für Unternehmen anwendbar

Das Amtsgericht München verurteilte einen Münchner Verein zur Zahlung von Mobilfunkkosten in Höhe von 552,59 €. Im Übrigen wies es die Klage ab.

Der Beklagte hatte bei einem großen Mobil­funk­be­treiber einen Flatrate-Handy-Vertrag abgeschlossen. Die Kosten lagen bei monatlich 50,17 €. Das Mobiltelefon wurde dem Vorstand zur Nutzung überlassen. Dieser begab sich mit dem Mobiltelefon auf eine Fernreise nach Kanada. Das Handy wählte sich dort in das ausländische Netz ein und verursachte so im Zeitraum eines Monats Roaming-Kosten in Höhe von insgesamt 2464,39 €. Hiervon zahlte der Beklagte nur einen Teil, einen weiteren Teil in Höhe von 400 € erließ der Mobil­funk­be­treiber im Rahmen einer Kulanz­gut­schrift. Das Inkas­so­un­ter­nehmen, das sich die Forderung des Mobil­funk­be­treibers abtreten ließ, klagte sodann auf Zahlung von 1961,11 €. Der Beklagte trug vor, der Mobil­funk­be­treiber hätte ihn auf die stark ansteigenden Kosten hinweisen müssen. Da dies nicht geschehen sei, habe er seinerseits Schaden­er­satz­ansprüche gegen den Mobil­funk­be­treiber, welche er der Forderung entgegenhalte. Die Klägerin war der Ansicht, eine Infor­ma­ti­o­ns­pflicht seitens des Mobil­funk­be­treibers habe nicht bestanden. Entsprechende Infor­ma­ti­o­ns­pflichten gäbe es nur gegenüber Verbrauchern und nicht in Bezug auf Unternehmer, wie den Beklagten.

AG weist Klage teilweise ab

Das AG gab dem Beklagten in weiten Teilen recht. Der Beklagte muss lediglich einen Teil der verursachten Kosten tragen: "Die Zedentin hat im Ausgangspunkt einen Anspruch auf Zahlung von 1.961,11 € als Entgelt für die Inanspruchnahme von Leistungen aus dem unstreitig geschlossenen Mobil­funk­vertrag im streit­ge­gen­ständ­lichen Zeitraum durch den Beklagten erworben. Dieses Entgelt überschritt aufgrund des Zugriffs auf den ausländischen Roaming-Dienst den monatlichen Basistarif in Höhe von 50,17 €. Dem somit entstandenen Anspruch steht aber die Einrede unzulässiger Rechtsausübung (§ 242 BGB) in Höhe von 1408,72 € entgegen, da der Beklagte einen Schaden­s­er­satz­an­spruch in dieser Höhe aus §§ 611, 280 Abs. 1, 3, 282 BGB wegen Verletzung einer Nebenpflicht im Sinne des § 241 Abs. 2 BGB gegen die Zedentin hat. Konkret verletzte die Zedentin ihre Nebenpflicht, den Beklagten auf stark über dem vereinbarten Basistarif entstehende Kosten hinzuweisen. Diese Pflicht ergibt sich aus der überlegenen Sachkunde der Zedentin in Ansehung der entstehenden Kosten. Dem Beklagten war es bis zur Rechnungs­stellung nicht erkennbar, erhöhte Kosten zu verursachen und er konnte daher auch keine weiteren Vorkehrungen treffen, diese zu verhindern. Im Gegensatz dazu hatte die Zedentin jederzeit Einblick in die Höhe und Ursache der Kosten, weshalb ein eklatantes Infor­ma­ti­o­ns­gefälle zwischen der Zedentin und dem Beklagten bestand. Es war der Zedentin auch problemlos möglich, entsprechende Hinweise zu geben, etwa durch automatisierte Benach­rich­ti­gungen via SMS oder E-Mail. Weiterhin war ein Interesse des Beklagten an Geringhaltung der Kosten für die Zedentin nicht nur ersichtlich, sondern auch mittelbar Vertrags­ge­genstand geworden, da der geschlossene Mobil­funk­vertrag einen Flatrate-Tarif hatte. Ein solcher wird üblicherweise vereinbart, um eine gleichbleibende, berechenbare Kostengrundlage zu gewährleisten.

EU Roaming-VO kann auch für Nicht-Verbraucher gelten

Demnach besteht bei Flatrate-Tarifen eine noch erhöhte Veranlassung der die überlegende Sachkunde innehabenden Vertragspartei, die andere Partei über stark ansteigende Kosten zu informieren. Eine solche Infor­ma­ti­o­ns­pflicht ist - wenn auch im vorliegenden Fall mangels Verbrau­che­rei­gen­schaft des Beklagten nicht anwendbar - in Art. 15 Abs. 3 EU Roaming-VO festgelegt. Dieser Rechtsgedanke ist jedoch verall­ge­mei­nerbar auch auf Parteien anwendbar, die keine Verbraucher sind, da lediglich die fehlende Verbrau­che­rei­gen­schaft der anderen Vertragspartei nicht das Ausnutzen überlegener Sachkunde rechtfertigt. Lediglich der Schwellenwert, ab dem eine Infor­ma­ti­o­ns­pflicht besteht, muss bei unter­neh­me­rischen Vertrags­partnern höher angesetzt werden, um insofern einer gewissen Erfahrung im Geschäfts­verkehr und damit üblicherweise geringeren Schutz­be­dürf­tigkeit Rechnung zu tragen. Als Schwellenwert erscheint hier unter Berück­sich­tigung der geringeren Schutz­be­dürf­tigkeit von Unternehmern gegenüber Verbrauchern ein Betrag in zehnfacher Höhe des Basistarifs geeignet, welcher im vorliegenden Fall 501,70 € beträgt."

Quelle: Amtsgericht München, ra-online (pm/ab)

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