14.12.2024
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Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.

Dokument-Nr. 33288

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Amtsgericht München Urteil14.04.2023

Reise­ver­an­stalter an zu günstig berechneten Reisepreis gebundenKalku­la­ti­o­ns­irrtum rechtfertigt keine Anfechtung des Reisevertrages

Im Streit um Ansprüche aus einem Reisevertrag verurteilte das Amtsgericht München eine Reise­ver­an­stalterin zur Zahlung einer Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit in Höhe von 719,50 EUR.

Der Münchner Kläger hatte im April 2022 bei der Beklagten über deren Internetportal eine Flugpau­scha­lreise nach Punta Cana in der Dominikanischen Republik über Weihnachten und Silvester 2022 einschließlich Hotelunterkunft und All-Inclusive-Verpflegung zu einem Reisepreis in Höhe von 2.878 EUR gebucht. Wenige Tage nach der Buchung erklärte die Beklagte per E-Mail die Anfechtung des Reisevertrages aufgrund eines nicht näher beschriebenen „Eingabe/Tippfehlers“ und einem sich daraus ergebenden Preis­un­ter­schied. Die Beklagte bot dem Kläger an, die Reise zu einem Gesamtpreis von 6.260 EUR wahrzunehmen, was dieser ablehnte. Aufgrund der nicht durchgeführten Reise forderte der Kläger von der Beklagten eine Entschädigung wegen entgangener Urlaubsfreude in Höhe der Hälfte des ursprünglich gebuchten Reisepreises.

Kalku­la­ti­o­ns­irrtum ist unbeachtlich

Das Amtsgericht erachtete die Klage für teilweise begründet. Ein Anfech­tungsgrund, insbesondere ein Erklä­rungs­irrtum lag nicht vor. Sowohl Willensäußerung als auch Willensbildung der Beklagten waren fehlerfrei, es lag lediglich ein unbeachtlicher Kalkulationsirrtum vor. Der Irrtum erfolgte hier nicht bei Abgabe der Willen­s­er­klärung der Beklagten gegenüber dem Kläger, sondern es handelt sich um einen Irrtum in der Erklä­rungs­vor­be­reitung nämlich bei der Berechnung des Gesam­t­rei­se­preises. Die Beklagte hat, aufgrund der von der Firma M. falsch eingegebenen und anschließend falsch übermittelten Daten, ihren Willen bezüglich des Gesamtpreises falsch gebildet, da eine Kalku­la­ti­o­ns­grundlage fehlerhaft war. Wie vom Zeugen R. glaubhaft ausgesagt, übermittelt die Firma M. die Einkaufspreise pro Person in USD an das System der Beklagten. Dort werden die Preise vom System in Euro umgerechnet und anschließend mit der Verkaufsmarge der Beklagten versehen. Die so gefundenen Verkaufspreise werden dann vom System der Beklagten an C. [das von der Beklagten betriebene Buchungsportal] weiter übermittelt und verarbeitet. Entsprechend des vom Kläger bei Buchung angegebenen Zeitraums und der ausgewählten Zimmerkategorie, wird dann der Verkaufspreis vom System berechnet und dem Kunden angezeigt. Die von der Firma M. übermittelten Daten dienten der Beklagten daher lediglich als Kalku­la­ti­o­ns­grundlage für die Berechnung des Gesam­t­rei­se­preises. Der Irrtum entstand schon nicht bei der Beklagten, sondern bei einem Mitarbeiter der Firma M. Der Irrtum betraf auch nur einen Rechnungsfaktor, aus dem der Reisepreis später vom System der Beklagten gebildet wurde. Bei Buchung wurde dann entsprechend den Eingaben des Klägers bzgl. Zimmerkategorie und Reisezeitraum aus den für verschiedene Reisezeiträume festgesetzten Einzelpreisen der Gesam­t­rei­sepreis vom System errechnet. Diese Konfiguration erfolgte so wie vom System vorgesehen. Der dem Kläger gegenüber angegebenen Reisepreis entsprach den Konfi­gu­ra­ti­o­ns­vorgaben der Beklagten. Nachdem der Reisende keinen Einblick in die Kalkulation des Reisepreises hat, liegt hier nur ein interner Kalku­la­ti­o­ns­irrtum vor, der als Motivirrtum unbeachtlich ist. Ein Anfech­tungsgrund stand der Beklagten daher nicht zu.

Entschädigung in Höhe von 25 % angemessen

Der Kläger kann nach §§ 651 i Abs. 2 Nr. 7, 651n Abs. 2 BGB Entschädigung in Geld verlangen. Der Anspruch besteht jedoch nur in der Höhe von 719,50 €. Die Höhe des Entschä­di­gungs­an­spruchs aus § 651 n Abs. 2 BGB richtet sich nach einer umfassenden Würdigung der Umstände des Einzelfalls. Maßgebliches Kriterium kann dabei jedenfalls der tatsächlich vereinbarte Reisepreis sein, da dieser regelmäßig zeigt, wie viel Geld der mit der geplanten Reise verbundene immaterielle Gewinn dem Reisenden wert ist; hier 2.878,00 €. Jedoch sind auch sonstige Umstände zu berücksichtigen. Hier erfolgte die Mitteilung der Beklagten, die Reise nicht zum gebuchten Preis durchführen zu wollen, nur wenige Tage nach der Buchung und mehr als halbes Jahr vor dem geplanten Reiseantritt. Der Kläger hatte somit noch nicht lange Zeit mit Vorfreude und Planung auf die gebuchte Reise verbringen können. Er hatte auch noch ausreichend Zeit sich um eine Alternativreise für den geplanten Weihnachts­urlaub zu bemühen. Das Gericht hält daher eine Entschädigung in Höhe von 25 % des Urlaubspreises für angemessen und ausreichend.

Quelle: Amtsgericht München, ra-online (pm/ab)

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