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- NJW-RR 2016, 37Zeitschrift: NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht (NJW-RR), Jahrgang: 2016, Seite: 37
- NZV 2016, 225Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht (NZV), Jahrgang: 2016, Seite: 225
Amtsgericht Kassel Urteil21.04.2015
11-jähriges Kind hat Schmerzensgeldanspruch aufgrund Kollision mit vorbeifahrenden Pkw bei Innenreinigungsarbeiten auf WaschanlagengeländeKein Mitverschulden des Kindes aufgrund durch Reinigungsarbeiten bedingtem Wegtreten von Fahrzeug
Tritt ein 11-jähriges Kind bei Innenreinigungsarbeiten am väterlichen Fahrzeug vom Fahrzeug weg und stößt dadurch mit einem vorbeifahrenden Pkw zusammen, so steht ihm ein Anspruch auf Schmerzensgeld zu. Ein Mitverschulden ist dem Kind nicht anzulasten, wenn sich seine Bewegung im Rahmen des Üblichen hält. Dies geht aus einer Entscheidung des Amtsgerichts Kassel hervor.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Mai 2012 half ein 11-jähriger Junge dabei das Fahrzeug seines Vaters zu reinigen. Das Fahrzeug befand sich dazu in einer Parktasche. Gegenüberliegend befanden sich ebenfalls Parktaschen zur Innenreinigung. Zwischen den Parktaschen verlief eine ca. 3,20 m breite Fahrgasse. Diese wurde von einem Taxifahrzeug befahren als der Junge die Abdeckmatte aus dem Kofferraum des väterlichen Fahrzeugs herausnehmen wollte und dazu zurücktrat. Es kam zu einer Kollision, bei der sich der Junge verletzte. Er klagte schließlich auf Zahlung von Schmerzensgeld, da sowohl der Halter des Taxifahrzeugs als auch dessen Haftpflichtversicherung eine Haftung ablehnten. Sie führten an, dass dem Jungen ein überwiegendes Mitverschulden anzulasten sei.
Anspruch auf Schmerzensgeld
Das Amtsgericht Kassel entschied zu Gunsten des Klägers. Ihm habe ein Anspruch auf Schmerzensgeld zugestanden. Der Fahrer des Taxifahrzeugs habe damit rechnen müssen, dass sich zwischen den Parktaschen Personen außerhalb der Fahrzeuge aufhalten, weil sie mit Reinigungsarbeiten um die Fahrzeuge herum beschäftigt seien. Er habe Fußgänger nur dann passieren dürfen, wenn dies gefahrlos möglich gewesen sei. Er habe sich gegebenenfalls etwa durch Blickkontakt mit den Fußgängern verständigen müssen. Notfalls habe er anhalten und auf sich aufmerksam machen müssen.
Kein Mitverschulden des Klägers
Dem Kläger sei kein Mitverschulden im Sinne des § 254 Abs. 1 BGB anzulasten gewesen, so das Amtsgericht, weil er sich rückwärts vom väterlichen Fahrzeug wegbewegte. Denn diese Bewegung habe im Zusammenhang mit den Innenreinigungsarbeiten gestanden und sei somit sozialadäquat gewesen. Jeder andere Benutzer müsse von vornherein damit rechnen, dass sich Personen um die Fahrzeuge herum bewegen, um die üblichen Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Innenreinigung durchzuführen. Folglich habe auch der Kläger ohne weiteres eine solche Bewegung durchführen dürfen.
Schmerzensgeld in Höhe von 3.600 EUR
Das Amtsgericht sprach dem Kläger ein Schmerzensgeld von 3.600 EUR zu. Es berücksichtigte dabei, dass der Kläger einen Schienbeinbruch rechts sowie einen Keilbeinbruch in der rechten Fußwurzel erlitten hatte. Dies hatte eine dreitägige stationäre konservative Behandlung mit Anlegen eines Liegegipses zur Folge. Dieser musste drei Wochen getragen werden. In dieser Zeit war der Kläger in seiner Bewegungsfähigkeit erheblich eingeschränkt gewesen, da er Gehhilfen benutzen musste. Dies führte zu erheblichen Einschränkungen der Lebensqualität, da jede sportliche oder sonstige Freizeitaktivität außerhalb der Wohnung unmöglich oder sehr stark eingeschränkt war. Im Anschluss daran musste der Kläger zwei Wochen einen Vakoped-Schuh tragen und sich krankengymnastisch behandeln lassen. Nicht unberücksichtigt ließ das Gericht zudem den Umstand, dass die Beklagten trotz eindeutiger entgegenstehender Tatsachen ein 100 %-iges Mitverschulden des Klägers in Betracht zogen und somit ein unangemessenes Regulierungsverhalten an den Tag gelegt haben.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 28.03.2017
Quelle: Amtsgericht Kassel, ra-online (vt/rb)
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