In dem zugrunde liegenden Fall lehnte ein Standesamt im August 1992 die Eheschließung zwischen zwei gleichgeschlechtlichen Personen ab. Da sich das heiratswillige Paar mit der Ablehnung nicht abfand, landete der Fall schließlich vor Gericht.
Das Amtsgerichts Frankfurt a. M. entschied zu Gunsten des heiratswilligen Paars. Diesem habe ein Recht auf Eheschließung zugestanden. Die Gleichgeschlechtlichkeit habe dem nicht entgegengestanden.
Der Begriff der "Ehe" werde weder im Grundgesetz noch im BGB oder im Ehegesetz definiert, so das Amtsgericht weiter. Dennoch werde unter dem Gesichtspunkt der Tradition angenommen, dass eine Ehe nur eine auf Herstellung der vollen Lebensgemeinschaft zwischen einem Mann und einer Frau sei. Ein solches Begriffsverständnis sei aber mit dem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG), dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 3 GG) und der Eheschließungsfreiheit (Art. 6 Abs. 1 GG) nicht vereinbar.
Das Amtsgericht gab zu bedenken, dass Art. 6 Abs. 1 GG jedermann das Recht gebe, eine Ehe mit einem selbst gewählten Partner einzugehen. Die Bejahung eines Ehehindernisses "Gleichgeschlechtlichkeit" würde aber zu einem gänzlichen Verbot gleichgeschlechtlicher Ehen führen, da homosexuelle Menschen aufgrund ihrer Sexualität nicht in der Lage sind, eine solche mit einem Partner des gleichen Geschlechts einzugehen. Der selbstgewählte Partner würde ihnen dadurch verwehrt werden.
Zudem verstoße der traditionelle Begriff der "Ehe" nach Ansicht des Amtsgerichts gegen Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 3 GG. Dieser verbiete gerade eine Ungleichbehandlung unter Anknüpfung allein an das Geschlecht. Es seien auch keine sachlichen Gründe, die eine Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten, zu erkennen gewesen. Allein der Rückgriff auf überkommene, anerkannte und von der Mehrheit der Gesellschaft moralisch gebilligte Lebensformen dürfe nicht zu einer Beschränkung der Eheschließungsfreiheit führen.
Das Amtsgericht bejahte darüber hinaus einen Verstoß gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG). Dieses umfasse auch das Recht, mit einem gleichgeschlechtlichen Partner in einer Lebensgemeinschaft zusammenzuleben. Dieses Grundrecht wäre sinnentleerend, wenn gleichgeschlechtlichen Paaren der rechtliche Schutz der Ehe versagt werde.
Zwar sei es richtig, so das Amtsgericht, dass der Wille des Gesetzgebers nicht verfälscht werden darf, der im Bereich des Ehegesetzes angesichts des damals noch existierenden Verbots der homosexuellen Betätigung (§ 175 StGB) das Zusammenleben homosexueller Paare regeln wollte. Es betonte aber zugleich, dass die Rechtspraxis in Wirklichkeit längst über die christlich-abendländische Ehevorstellung hinausgegangen ist. So habe das Bundesverfassungsgericht die Eheschließung zwischen einem Mann und einem männlichen Transsexuellen jedenfalls für dann zulässig erachtet, wenn eine geschlechtsumwandelnde Operation durchgeführt werde (BVerfGE 49, 286 = FamRZ 1979, 25). Auch in einem solchen Fall sei keine traditionell verstandene Ehe zwischen einem Mann und einer Frau gegeben.
Es sei nach Einschätzung des Amtsgerichts auch unerheblich, ob möglicherweise große Teile der Bevölkerung die Eheschließung unter gelichgeschlechtlichen Partnern sittlich missbillige. Denn solch rational nicht begründbaren Einstellungen können dem Abschluss einer Ehe nicht entgegenstehen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 21.01.2014
Quelle: Amtsgericht Frankfurt a.M., ra-online (zt/FamRZ 1993, 557/rb)