21.11.2024
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Verfassungsgerichtshof des Saarlandes Beschluss27.04.2018

Verfassungs­beschwerde gegen Verurteilung wegen Rotlicht­ver­stoßes aufgrund eines Verfah­rens­fehlers erfolgreichUnvollständige Herausgabe von Messdaten durch Verwal­tungs­behörde macht effektive Verteidigung mit Vortrag von Messfehlern unmöglich

Werden in einem Bußgeld­ver­fahren wegen eines Rotlicht­ver­stoßes Messdaten von der Verwal­tungs­behörde nicht korrekt herausgegeben und setzt das Amtsgericht daher das Verfahren nicht aus, bis die Daten zugänglich sind, stellt dies einen Verstoß gegen die Grundsätze eines fairen Verfahrens und des rechtlichen Gehörs dar. Dies entschied der Verfassungs­gerichts­hof des Saarlandes und gab damit der Verfassungs­beschwerde eines wegen eines Rotlicht­ver­stoßes zu einer Geldbuße verurteilten Lkw-Fahrers statt.

Im zugrunde liegenden Fall war gegen einen Lkw-Fahrer wegen eines in Saarbrücken begangenen Rotlicht­ver­stoßes mit Bußgeldbescheid der Zentralen Bußgeldbehörde des Landes­ver­wal­tung­samtes eine Geldbuße von 90 Euro festgesetzt worden. Gegen den Bußgeldbescheid legte der Lkw-Fahrer Einspruch ein und beauftragte zur Überprüfung der Richtigkeit der mit einer Überwa­chungs­anlage durchgeführten Rotlichtmessung privat einen Sachver­ständigen. Dieser benötigte zur Durchführung der Überprüfung verschiedene Messdaten der Überwa­chungs­anlage. Die von dem Lkw-Fahrer beauftragte Rechtsanwältin beantragte die Herausgabe dieser Daten. Diese wurden ihr von der Stadt Saarbrücken in elektronischer Form - allerdings verschlüsselt und nicht vollständig - übermittelt. In der Haupt­ver­handlung vor dem Amtsgericht beantragte die Rechtsanwältin des Betroffenen, das Verfahren auszusetzen, bis ihr die gewünschten Daten vorlägen. Dies lehnte das Amtsgericht ebenso ab wie einen weiteren Antrag der Rechtsanwältin auf Einholung eines Sachver­stän­di­gen­gut­achtens, der darauf abzielte, dass kein standa­r­di­siertes Messverfahren vorliege, da ein Stand­or­teich­schein der Überwa­chungs­anlage nicht vorhanden sei.

AG setzt Geldbuße gegen Lkw-Fahrer fest

Das Amtsgericht verurteilte den Lkw-Fahrer sodann zu einer Geldbuße von 90 Euro. In den Gründen des Urteils wurde ausgeführt, dass aus anderen Verfahren gerichtsbekannt sei, dass ein Stand­or­teich­schein existiere, auch wenn sich dieser nicht bei den Akten befunden habe. Den gegen das amtsge­richtliche Urteil eingelegten Antrag auf Zulassung der Rechts­be­schwerde des Lkw-Fahrers verwarf das Saarländische Oberlan­des­gericht als unbegründet.

Verfas­sungs­ge­richtshof rügt Verstoß gegen Grundsätze eines fairen Verfahrens und des rechtlichen Gehörs

Der gegen die gerichtlichen Entscheidungen erhobenen Verfassungsbeschwerde des Lkw-Fahrers gab der Verfas­sungs­ge­richtshof statt und wies den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurück. Der Verfas­sungs­ge­richtshof entschied, dass das Amtsgericht das Verfahren bis zur Herausgabe der Messdaten hätte aussetzen sowie sicherstellen müssen, dass eine Herausgabe dieser Daten seitens der Verwal­tungs­behörde nicht verwehrt werde. Denn da zum Zeitpunkt der Haupt­ver­handlung vor dem Amtsgericht diese Daten der Rechtsanwältin und dem Sachver­ständigen nicht vorlagen, habe eine effektive Verteidigung mit Vortrag von Messfehlern - wenn diese aufgetreten sein sollten - nicht vorbereitet werden können. Es liege daher ein Verstoß gegen die Grundsätze eines fairen Verfahrens und des rechtlichen Gehörs vor. Gleiches gelte, soweit das Amtsgericht in der Haupt­ver­handlung nicht auf die Existenz des Stand­or­teich­scheins hingewiesen habe. Denn dieser habe sich nicht in der Verfahrensakte befunden, sei aber gleichwohl im Urteil verwertet worden. Wäre das Vorhandensein der Standorteichung in der Haupt­ver­handlung zur Sprache gekommen, hätte der von dem betroffenen Lkw-Fahrer beauftragte Sachverständige den Eichschein prüfen können. Wenn aus dem Eichschein ein der Eichung anhaftender Mangel ersichtlich gewesen wäre, wäre die Vermutung der Richtigkeit des standa­r­di­sierten Messverfahrens schon aus diesem Grunde entfallen.

Quelle: Verfassungsgerichtshof des Saarlandes/ra-online

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