Dokument-Nr. 3286
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Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz Beschluss02.11.2006
Bürgermeister muss mit 68 Jahren in RenteIdar-Obersteiner Oberbürgermeisterwahl kann stattfinden
Die Festsetzung der Altersgrenze für kommunale Wahlbeamte auf das vollendete 68. Lebensjahr verstößt nicht gegen die rheinland-pfälzische Landesverfassung. Deshalb lehnte es der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz ab, die Durchführung der auf den 5. November 2006 anberaumten Oberbürgermeisterwahl in der Stadt Idar-Oberstein zu untersagen.
Nach den beamtenrechtlichen Bestimmungen tritt ein kommunaler Wahlbeamter mit der Vollendung des 68. Lebensjahres auch dann in den Ruhestand, wenn die 8-jährige Wahlperiode noch nicht abgelaufen ist. Hierin sieht der Oberbürgermeister von Idar-Oberstein, der am 4. Februar 2007 und damit vor Ablauf der 8-jährigen Amtszeit am 28. Februar 2009 sein 68. Lebensjahr vollendet, eine unzulässige Einschränkung seines passiven Wahlrechts. Dem sind bereits das Verwaltungsgericht Koblenz und das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz nicht gefolgt und haben den Antrag des Oberbürgermeisters, die Vorbereitungen zur anstehenden Neuwahl seines Nachfolgers vorläufig zu unterbinden, abgelehnt. Der Verfassungsgerichtshof wies jetzt die gegen diese Entscheidungen eingelegte Verfassungsbeschwerde zurück.
Die Landesverfassung schreibe lediglich die Urwahl der hauptamtlichen Bürgermeister und Landräte nach den Grundsätzen der Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl vor. Danach solle jedermann sein aktives und passives Wahlrecht in formal möglichst gleicher Weise ausüben können. Das Nähere dürfe der Gesetzgeber regeln.
Danach unterlägen hauptamtliche Bürgermeister nicht nur dem Gemeinde-, sondern auch dem Beamtenrecht. Die Bürgermeister erfüllten auch hoheitliche Aufgaben des Staates, die von Verfassungs wegen von Beamten auszuüben seien. Ihr Wahlamt werde damit von beiden Regelungsbereichen gleichermaßen bestimmt. Während die Gemeindeordnung eine 8-jährige Amtszeit vorsehe, setze das Landesbeamtengesetz die Altersgrenze auf das vollendete 68. Lebensjahr fest. Dass die Altersgrenze das passive Wahlrecht gewählter Bürgermeister einschränke, sei verfassungsrechtlich unbedenklich. Das Interesse der Allgemeinheit an einer effektiven Amtsführung rechtfertige es, generalisierend Personen von der weiteren Ausübung ihres Wahlamtes auszuschließen, die möglicherweise nicht bis zum Ende der Amtszeit in der Lage seien, den hohen persönlichen Einsatz zu erbringen, den das Wahlamt erfordere. Insoweit komme dem Gesetzgeber ein Einschätzungsspielraum zu, der durch die Festsetzung der Altersgrenze auf das vollendete 68. Lebensjahr nicht überschritten sei. Der Gesetzgeber habe die allgemeine Lebenserfahrung berücksichtigen dürfen, dass die Gefahr einer Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit auch heute noch mit zunehmendem Alter größer werde.
Allerdings sei der Gesetzgeber nicht gehindert, die getroffene Einschätzung zu überdenken. Hierfür könnten neuere Erkenntnisse der Medizin und der Altersforschung einen Anlass bieten. Bestimmte Schlussfolgerungen seien jedoch verfassungsrechtlich nicht zwingend vorgegeben, zumal auch die Absicht zulässig sei, einer Überalterung entgegenzuwirken und innovatives Handeln zu fördern wie auch Zukunftschancen Jüngerer in den Blick zu nehmen.
Soweit das rheinland-pfälzische Landesrecht für Minister im Gegensatz zu gewählten hauptamtlichen Bürgermeistern keine Altersgrenze vorsehe, stelle diese Ungleichbehandlung keinen Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz dar. Für sie gebe es vielmehr einleuchtende Gründe. Anders als bei hauptamtlichen Bürgermeistern unterliege die altersmäßige Eignung der jeweiligen Minister einer hinreichenden individuellen Prüfung durch die dazu berufenen obersten Verfassungsorgane. So stehe dem Ministerpräsidenten mit Zustimmung des Landtages die Kompetenz zur Entlassung eines Ministers zu. Zur Durchführung der Abwahl eines hauptamtlichen Bürgermeisters bedürfe es hingegen der Erfüllung besonders strenger Voraussetzungen und der Durchführung eines komplizierten Abwahlverfahrens.
Vorinstanzen:
OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 20.09.2006 - 2 B 10951/06.OVG -
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 02.11.2006
Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 10/2006 des VGH Rheinland-Pfalz vom 02.11.2006
der Leitsatz
1. Die Festsetzung der Altersgrenze für kommunale Wahlbeamte auf das vollendete 68. Lebensjahr (§ 183 Abs. 2 Satz 2 LBG) stellt keinen Eingriff in die durch Art. 50 LV verbürgten Grundsätze der Allgemeinheit und Gleichheit der Urwahl von Bürgermeistern und Landräten dar.
2. Kommunale Wahlbeamte unterliegen von Verfassungs wegen sowohl dem Gemeinde- als auch dem Beamtenrecht, deren Regelungen das Wahlamt gleichermaßen bestimmen.
3. Das Interesse der Allgemeinheit an einer effektiven Amtsführung rechtfertigt es, generalisierend Personen von der weiteren Ausübung ihres Wahlamtes auszuschließen, die möglicherweise nicht bis zum Ende der Amtszeit in der Lage sind, den hohen persönlichen Einsatz zu erbringen, den das Wahlamt erfordert. Insoweit kommt dem Gesetzgeber eine Einschätzungsprärogative zu, die durch die Festsetzung der Altersgrenze auf das vollendete 68. Lebensjahr nicht verletzt wird.
4. Der Gesetzgeber ist nicht gehindert, die getroffene Einschätzung zu überdenken. Hierfür können neue Erkenntnisse der Medizin und Altersforschung einen Anlass bieten. Allerdings ist ebenso die Absicht zulässig, einer Überalterung entgegenzuwirken und innovatives Handeln zu fördern wie auch Zukunftschancen Jüngerer in den Blick zu nehmen.
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