22.11.2024
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Urteil24.02.2014Verfassungsgerichtshof Rheinland-PfalzVGH B 26/13
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • NJW 2014, 1434Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2014, Seite: 1434
  • ZD 2014, 596Zeitschrift für Datenschutz (ZD), Jahrgang: 2014, Seite: 596
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ergänzende Informationen

Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz Urteil24.02.2014

Verfassungs­gerichts­hof Rheinland-Pfalz fordert stärkere gerichtliche Kontrollen bei Verwertung angekaufter Steuerdaten-CD im straf­recht­lichen Ermittlungs­verfahrenVerfassungs­beschwerde gegen Verwertung der Steuerdaten-CD dennoch erfolglos

Der Verfassungs­gerichts­hof Rheinland-Pfalz für die Verwertung angekaufter Steuerdaten-CDs im straf­recht­lichen Ermittlungs­verfahren eine stärkere gerichtliche Kontrolle anmahnt.

Dem Fall liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Das Land Rheinland-Pfalz hatte im Jahr 2012 von einer Privatperson eine Steuerdaten-CD erworben. Das angekaufte Datenpaket enthielt zahlreiche Datensätze von Kunden einer Schweizer Bank, unter denen sich auch der Beschwer­de­führer befand. Gestützt auf diese Daten erließ das Amtsgericht Koblenz im Mai 2013 gegen den Beschwer­de­führer einen Durch­su­chungs­be­schluss wegen des Verdachts der Steuer­hin­ter­ziehung und ordnete nach erfolgter Durchsuchung die Beschlagnahme verschiedener Unterlagen an. Die gegen die Beschlüsse des Amtsgerichts erhobenen Beschwerden wies das Landgericht Koblenz als unbegründet zurück, da nicht von einem Verwertungsverbot auszugehen sei und keine Strafbarkeit der den Datenankauf tätigenden deutschen Beamten vorliege.

Beschwer­de­führer sieht sich durch Verwertung der Daten in Grundrechten verletzt

Gegen die gerichtlichen Entscheidungen erhob der Beschwer­de­führer Verfas­sungs­be­schwerde und machte geltend, die Verwertung der auf der CD vorhandenen Daten verletze ihn in seinem das Land Rheinland-Pfalz im Jahr 2012 von einer Privatperson erworben hatte, sowie in seinem Grundrecht auf Unver­letz­lichkeit der Wohnung.

Selbst rechtswidrige Beweiserhebung würde nicht ohne weiteres zu Verwer­tungs­verbot führen

Die Verfas­sungs­be­schwerde, so der Verfas­sungs­ge­richtshof, sei unbegründet. Der Beschwer­de­führer werde durch die angegriffenen Beschlüsse nicht in seinem Recht auf ein faires Verfahren verletzt. In verfas­sungs­recht­licher Hinsicht führe selbst eine rechtswidrige Beweiserhebung nicht ohne weiteres zu einem Verwer­tungs­verbot. Denn im Rahmen der für die Beurteilung eines fairen Verfahrens erforderlichen Gesamtschau seien nicht nur die Rechte des Beschuldigten, sondern auch die Erfordernisse einer funkti­o­ns­tüchtigen Straf­rechts­pflege in den Blick zu nehmen.

Gewinnung von Beweismitteln durch Steuerdaten-CDs weicht deutlich vom Normalfall ab

Allerdings gebe es auch im Strafverfahren keine Wahrheits­er­mittlung um jeden Preis. So könne die verfas­sungs­rechtliche Grenze etwa dann überschritten sein, wenn staatliche Stellen bereits die Beweiserhebung allein an den engeren Voraussetzungen eines Beweis­ver­wer­tungs­verbotes ausrichteten. Die erhöhten Anforderungen an ein verfas­sungs­recht­liches Verwer­tungs­verbot befreiten die zuständigen Stellen nicht von ihrer Pflicht, nur in rechtskonformer Weise Beweise zu erheben. Der Staat dürfe aus Eingriffen ohne Rechtsgrundlage grundsätzlich keinen Nutzen ziehen. Im Hinblick auf den Ankauf von so genannten Steuerdaten-CDs gebe es zumindest eine unklare Rechtslage. Diese Art der Gewinnung von Beweismitteln weiche deutlich vom Normalfall ab.

Sachverhalt der Infor­ma­ti­o­ns­er­hebung muss bei greifbaren Anhaltspunkten für rechtswidrige Infor­ma­ti­o­ns­be­schaffung hinreichend aufgeklärt werden

Bestünden daher greifbare Anhaltspunkte dafür, dass Informationen in rechtswidriger oder gar strafbarer Weise gewonnen worden seien, so sei es erforderlich, dass der Sachverhalt der Infor­ma­ti­o­ns­er­hebung hinreichend aufgeklärt werde. Im Falle eines Durch­su­chungs­be­schlusses seien dem Richter alle entschei­dungs­er­heb­lichen Tatsachen mitzuteilen. Hierzu gehöre auch die Abwägungs­ent­scheidung der Steuerbehörden über den Ankauf der Daten. Gerichte und Straf­ver­fol­gungs­be­hörden müssten gemeinsam die praktische Wirksamkeit des Richter­vor­behalts als Grund­rechts­si­cherung gewährleisten. Die Gerichte dürften insbesondere die Frage der möglichen Strafbarkeit deutscher Beamter nicht dahinstehen lassen. Die Prüfungstiefe der angegriffenen Gericht­s­ent­schei­dungen und deren tatsächliche Grundlagen seien gerade noch ausreichend gewesen. Namentlich die Annahme, dass sich die deutschen Beamten beim Ankauf der Daten nicht strafbar gemacht hätten, sei im Ergebnis verfas­sungs­rechtlich nicht zu beanstanden. Eine oberge­richtliche Klärung dieser Frage stehe gleichwohl noch aus.

Informant kann zum Zeitpunkt des Ankaufs der CD noch nicht als "verlängerter Arm" des Staates angesehen werden

Die rechtswidrige oder gar strafbare Erlangung eines Beweismittels durch eine Privatperson führe nur in Ausnahmefällen zur Unver­wert­barkeit dieses Beweismittels im Strafverfahren. Auch unterliege es keinen verfas­sungs­recht­lichen Bedenken, dass die Gerichte in den angegriffenen Entscheidungen das Handeln der Privatperson nicht der staatlichen Sphäre zugerechnet hätten. Dabei seien die den Gerichten mitgeteilten Umstände hinsichtlich des Datenerwerbs noch ausreichend gewesen für die Beurteilung der Frage einer solchen Zurechnung. Eine Zurechnung sei verfas­sungs­rechtlich nicht geboten gewesen, da der Anbieter aus eigenem Antrieb gehandelt habe. Die finanzielle Anreizwirkung für den Informanten durch frühere, vereinzelte Ankäufe von Daten-CDs sei jedenfalls zum Zeitpunkt des Ankaufs der CD durch das Land Rheinland-Pfalz noch nicht von derartigem Gewicht gewesen, dass der Informant gleichsam als „verlängerter Arm“ des Staates angesehen werden könne.

Möglicher erheblicher Anstieg von CD-Ankäufen lassen Zurechnung des Handelns eines privaten Informanten zur staatlichen Sphäre gerechtfertigt erscheinen

Der Verfas­sungs­ge­richtshof weist jedoch darauf hin, dass in Zukunft eine Situation entstehen könne, die es als gerechtfertigt erscheinen lasse, das Handeln eines privaten Informanten der staatlichen Sphäre zuzurechnen. Die Gerichte seien daher zukünftig gehalten, zu überprüfen, wie sich das Ausmaß und der Grad der staatlichen Beteiligung hinsichtlich der Erlangung der Daten darstellen. Für die Frage der Zurechnung könne auch ein gegebenenfalls erheblicher Anstieg von Ankäufen ausländischer Bankdaten und eine damit verbundene Anreizwirkung zur Beschaffung dieser Daten von Bedeutung sein.

Verletzung des Rechts auf informationelle Selbst­be­stimmung verneint

Der Beschwer­de­führer werde ferner nicht in seinem Recht auf informationelle Selbst­be­stimmung nach Art. 4a LV verletzt, da die Verwertung der perso­nen­be­zogenen Daten die verfas­sungs­rechtliche Pflicht einer wirksamen staatlichen Strafverfolgung und Bekämpfung von Straftaten erfülle sowie der Herstellung von Steuer­ge­rech­tigkeit und der Gewährleistung eines gesicherten Steuer­auf­kommens diene. Ebenso liege kein Verstoß gegen das Grundrecht auf Unver­letz­lichkeit der Wohnung aus Art. 7 Abs. 1 LV vor.

Quelle: Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz/ra-online

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